Mit Trauernden sprechen – oder schweigen
Morgens nach dem Frühstück checkst du dein Handy nach neuen Nachrichten und erfährst, dass ein guter Freund gestorben ist. Du wusstest, dass er krank ist, trotzdem erwischt dich die Nachricht auf dem linken Fuss. Dein erster Impuls ist: Ruf seine Frau an. Dein zweiter: Lass es. Was willst du ihr denn sagen? Solche Gespräche oder Briefe und Mails gehören zu den schwersten, die es gibt. Dir fehlen die Worte, aber du möchtest etwas sagen. Du willst Anteil nehmen, ohne platt zu werden. Und eigentlich traust du dich überhaupt nicht …
Melde dich!
Das Wichtigste ist erst einmal: Melde dich! Es ist schlimm genug, dass dein Gegenüber um einen lieben Menschen trauert, noch schlimmer wäre es, wenn er dabei alleingelassen wird. Zunächst einmal geht es daher gar nicht darum, was du Weises oder Hilfreiches weiterzugeben hast. Es geht darum zu zeigen: «Ich denke an dich. Ich bin für dich da.» Und dieses Signal entsteht nur, wenn du anrufst oder vorbeikommst. Wer sowieso am Boden zerstört ist, kann sich nicht in Freunde hineinversetzen, die sich dazu aus unterschiedlichen Gründen nicht trauen. Dass ein solcher Besuch schwer ist, gehört dazu. Er wird auch im Laufe der Jahre und mit Erfahrung nicht leichter. Es kann höchstens sein, dass du inzwischen selbst erlebt hast, wie hilfreich es mitten in der Trauer ist, von lieben Menschen in den Arm genommen zu werden.
Vermeide diese Worthülsen
Beim Gespräch oder Besuch ist es allerdings wertvoll, wenn du dir ein paar Dinge vergegenwärtigst. Es geht nicht darum, dass du dich besser fühlst oder etwas loswirst, was du sagen wolltest – es geht um die trauernde Person. Formulierungen wie die folgenden sind dabei nicht hilfreich. Vermeide sie lieber.
- «Ich weiss genau, was du durchmachst.» – Nein, das weisst du nicht. Auch wenn du selbst bereits durch Trauerphasen gegangen bist. Jeder Mensch erlebt seine Trauer anders und in der Regel hilft es nicht, wenn du anfängst, ausführlich von dir zu erzählen.
- «Ihm geht es jetzt besser.» – Gerade nach einer schweren Krankheit liegt so eine Äusserung nahe. Oft sprechen auch Hinterbliebene selbst davon. Das ist völlig in Ordnung, aber wenn du es ansprichst, dann ignorierst du schnell die trauernde Person, die nun mit dem Verlust umgehen muss.
- «Die Zeit heilt alle Wunden.» – Dieser Spruch stimmt einfach nicht. Oft bleiben Narben und manches wird nicht mehr gut. Trauernde lernen meist irgendwann, mit einem bleibenden (!) Verlust weiterzuleben. Es ist kein echter Trost, dass alles in drei Wochen oder drei Monaten heil sein sollte … vor allem, wenn es das noch nicht ist.
- «Das Leben geht weiter.» – Das ist völlig richtig, aber überhaupt nicht hilfreich, wenn man gerade den Eindruck hat, dass die Zeit stehengeblieben ist. Und wie lange Trauernde brauchen, um sich in ein neues Leben hineinzufinden, ist für jeden unterschiedlich. Auch der Zusatz «Du musst jetzt stark sein!» hilft nicht, eher das Zugeständnis, nun trauern zu dürfen.
- «Sie hätte nicht gewollt, dass du weinst.» – Das mag sogar stimmen, doch mit dieser Aussage legst du der trauernden Person zusätzlich noch Schuldgefühle auf die Schultern. Es geht nicht darum, diese Trauer zu unterdrücken, sondern sie zuzulassen.
- «Melde dich einfach bei mir – ich bin immer für dich da.» – Der Ansatz ist gut, aber du solltest vorsichtig sein. Kannst du damit umgehen, wenn die trauernde Person nachts um drei bei dir anruft und Trost braucht? Ausserdem ist es oft sinnvoller, selbst aktiv zu sein: «Ich melde mich in den nächsten Tagen einmal und frage nach, ob du etwas brauchst, in Ordnung?» So muss die trauernde Person nicht selbst die Kraft für ein Telefonat aufbringen und das Gesprächs- oder Hilfsangebot passt in deinen eigenen Zeitplan.
- «Lies einmal diesen Bibelvers – das wird dir weiterhelfen.» – Ja, letztlich tröstet Gott, aber nicht aufgrund deiner Verordnung. Sei lieber langsam damit, scheinbar hilfreiche Gedanken an jemanden weiterzugeben, der sie vielleicht noch nicht hören kann oder will.
Viele dieser Floskeln entstammen der eigenen Hilflosigkeit: Du möchtest schliesslich etwas Ermutigendes sagen. Lass es lieber! Ganz anders ist es, wenn die trauernde Person selbst etwas in dieser Art sagt, dann kannst du sie selbstverständlich darin bestärken, wenn es nichts ist, wobei sie sich selbst unnötig anklagt.
Rede oder schweige
Insgesamt ist bei einem Trauerbesuch eher Schweigen als Reden angesagt. Es sind die stummen Gesten, die zählen: Mitweinen, in den Arm nehmen, die Hand halten. Sprich dein Mitgefühl aus. Bete mit der trauernden Person, wenn sie das möchte. Lass Klagen zu, auch wenn sie scheinbar ungerecht sind. Trauer ist nicht ausgewogen. Rede oder schweige, aber sei da. Du musst keine Antworten haben und darfst auch zugeben, wenn du überfordert bist, aber laufe nicht weg. Du magst dir hilflos vorkommen, aber oft wirst du anschliessend das Feedback erhalten: «Du hast mich getröstet. Gott hat durch dich gesprochen.» Wie er das tut, ist sein Geheimnis, aber er macht es.
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