Die harte Realität des keltischen Christentums
1. Eigene Ausdrucksformen müssen nicht ausgrenzen
Das Bild der «keltischen Kirche» als unabhängige, unterdrückte Alternative zur römischen Kirche stimmt nur zum Teil. Zwar hatten die verschiedenen Klöster ihre eigenen Regeln, aber sie standen nicht im Gegensatz zum Mainstream-Christentum. Sie beteten in lateinischer Sprache und verwendeten ähnliche Riten wie in Rom. Die Lehre? Lokale Ausdrucksformen des Glaubens sind möglich, ohne den Bezug zum grossen Ganzen zu verlieren.
2. Glaube darf intensiv sein
Die frühen keltischen Mönche suchten die Einsamkeit der Wildnis nicht aus Liebe zur Natur, sondern um sich ganz dem Glauben zu widmen. Ihre Hingabe war radikal und verlangte den Verzicht auf alles. Das stellt uns vor die Frage: Ist unser Glaube zu bequem geworden? Müssten wir ihn nicht manchmal intensiver leben?
3. Der Glaube kann krankhaft werden
Die Strenge der Mönche hatte aber auch ihre Schattenseiten. Manche Busspraktiken wie das Stehen in eiskaltem Wasser oder das Wälzen in Brennnesseln glichen eher einer Folter. Disziplin ist wichtig, aber wir müssen sie mit Liebe und Vergebung ausbalancieren, sonst wird sie selbstzerstörerisch.
4. Die Botschaft der Lebensweise
Die Härte des Klosterlebens war nicht nur eine Frage der persönlichen Reinheit. In einer kriegerischen Kultur wollten die Mönche Stärke demonstrieren – sie stellten sich als ebenso hart und unbesiegbar dar wie die Krieger der Stämme. Das verschaffte ihnen Respekt. Heute sollten wir uns fragen: Welche Botschaft senden wir mit unserem Lebensstil in die Welt?
5. Die Natur als Schönheit und Bedrohung
Die Kunst der frühchristlichen Klöster ist beeindruckend und von der Natur inspiriert. Doch die Mönche sahen die Natur nicht nur als Idylle, sondern auch als Bedrohung. Diese Haltung kann uns zu einer tieferen Ehrfurcht vor der Schöpfung führen – nicht nur zum Staunen, sondern auch zur Demut.
6. Die Geschichte muss uns nicht bestätigen
Die moderne Faszination für das «keltische Christentum» ist letztlich ein Konstrukt. Sie entspringt dem Bedürfnis nach einer poetischeren, naturverbundenen Spiritualität, hat aber mit der historischen Realität wenig zu tun. Das ist in Ordnung – wir dürfen unseren Glauben neu interpretieren. Wichtig ist, dass unsere Form des Glaubens Gott ehrt und uns Christus näher bringt, ob mit Poesie oder mit einer Tin-Whistle. Aber: Nennen wir es nicht «keltisch».
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