Ein leidenschaftlicher Theologe

Joram Luttenberger
Joram Luttenberger ist Anfang 20, als die Wende in Ostdeutschland sein Leben umkrempelt. Sein Weg zum Pastor hat viele Schlenker.

Joram Luttenberger wurde 1968 als siebtes von acht Kindern in Wriezen an der Oder geboren. Der Vater war Prediger der Landeskirchlichen Gemeinschaft. Seine Kindheit verbrachte Joram in Perleberg. Als Predigersohn begleitete er den Vater oft zur Gemeinschaftsstunde in die umliegenden Dörfer. Dabei entstand ein tiefer Glaube, der von den Beziehungen der christlichen Gemeinschaft im ländlichen Brandenburg geprägt wurde.

Luttenbergers lebten einfach, denn «Hauptamtliche» verdienten in der DDR nur sehr wenig. Trotzdem hat Joram viele schöne Erinnerungen an die Zeit in der Prignitz, wo die Predigerfamilie von den staatlichen Funktionären wenig belästigt wurde. Das änderte sich mit dem Umzug nach Neuruppin. Dort erfuhren Luttenbergers Schikane von Schule und Stasi.

Da Joram als Christ kein Abitur machen durfte, begann er eine Lehre als Schweisstechniker. Er führte hochqualifizierte Schweissarbeiten bei der Bahn aus. Der Beruf machte ihm Freude, jedoch wurde er auch dort als Christ häufig bedrängt, benachteiligt, bespitzelt und ideologisch bearbeitet.

Dann konnte Joram krankheitsbedingt die feinmotorischen Schweissarbeiten nicht weitermachen. Er begann eine Bibelschulausbildung: «Da hat der Höchste die Weichen gestellt und in der Not eine erfüllende Lebensführung geschenkt.»

Friedensgebete in den Wendezeiten

Zu Wendezeiten nahm Joram in Berlin an Friedensgebeten teil. Seine Schwester gehörte zu den Demonstranten, die am 7. Oktober ‘89 von der Stasi vor der Gethsemanekirche angegriffen wurden. Joram war ebenfalls vor Ort und musste zusehen: «Das waren Szenen wie aus 'Good Bye, Lenin'.»

Auf der Bibelschule erlangte Joram die Fachhochschulreife. Damit konnte er sich an der neu gegründeten Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität einschreiben: «Das Theologiestudium zu Wendezeiten in Berlin war einmalig. Es unterrichteten viele theologische Grössen.» Hier arbeitete Joram als studentische Hilfskraft mit Dekan Wolf Krötke zusammen. Krötke hatte die Aufgabe, die Stasi-Vergangenheit der Sektion Theologie aufzuarbeiten. Joram unterstützte ihn bei dieser brisanten Tätigkeit: «Ich musste Stasiunterlagen lesen und erfassen. Dazu brauchte es jemanden, der die Begrifflichkeiten versteht, ohne politisch vorbelastet zu sein.»

Danach promovierte Joram an der Uni Leipzig. Anschliessend ging er als Theologiedozent zur Malche und Bibelschule Falkenberg, wo er einst selbst studierte: «Da schloss sich ein Kreis.» Leider wurde die theologische Ausbildung an diesen Brandenburger Institutionen später eingestellt. Eine Entscheidung, die Joram kritisch beurteilt: «Es ist töricht, die ländliche Situation so zu vernachlässigen.»

Schliesslich begann Joram seinen Dienst in der Landeskirche. Seit einigen Jahren ist er Pfarrer in Berlin-Marzahn. Eine Berufung, die er mit Hingabe und Einfühlungsvermögen versieht: «Wir machen hier gute Gemeindearbeit. Doch wir können nur den Samen ausstreuen. Der Herr muss Wachstum schenken. Gott selbst tut den Menschen das Herz auf.»

Joram Luttenberger ist einer der Gesprächspartner von Viola Ramsden, seine Geschichte ist auch Teil ihres Buches «Herzen ohne Mauer».

Zum Thema:
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Autor: Viola Ramsden
Quelle: Magazin Aufatmen 3/2024, SCM Bundes-Verlag

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