Phylicia Masonheimers Theologie der Frau
Eigentlich passt Phylicia Masonheimer ins Klischee der typischen christlichen Influencerin: Sie sieht gut aus, wohnt auf dem Land, hat drei wunderbare Kinder und einen ebensolchen Mann. Doch ihren 141'000 Followerinnen auf Instagram bietet sie keine der üblichen Frauenthemen an – auf die reagiert die Schriftstellerin nämlich allergisch. Statt das vielbeschworene christliche Dasein als «Königstochter» thematisiert sie oft missverstandene Bibelverse, geistliches Unterscheidungsvermögen, allgemeine theologische Fragen («Hat der Mensch einen freien Willen?») und spricht über Tattoos genauso wie über die Menstruation.
Diesem Angebot hat sie den Titel «Jede Frau eine Theologin» gegeben. Oberflächliche Lehrangebote für Frauen lehnt sie ab und seufzt: «Man geht zu einer Frauenveranstaltung und es gibt Muffins und Esther oder Ruth und Tee – und das war's.» Der US-Jounalistin Seana Scott erklärt sie weiter: «Damit sind junge Frauen fertig. Es interessiert sie einfach nicht. Sie wollen etwas, das für ihr Leben relevant ist.»
Das Königstochter-Dilemma
Die Autorin Leigh Stein schrieb in der New York Times über die «leeren Instagram-Religionen» und stellte dabei fest, dass «die Frauen, die wir zu unseren moralischen Führerinnen gewählt haben, uns nicht dazu herausfordern, die grundlegenden Fragen zu stellen, mit denen Glaubensvorbilder seit Tausenden von Jahren ringen: Warum sind wir hier? Warum müssen wir leiden?» Das sieht Phylicia genauso. Aus diesem Grund würden Frauen im Internet nach Antworten suchen, die sie in ihren Gemeinden nicht erhalten.
Dort werden sie vielfach noch in der «rosa Blase» festgehalten. Diese Einschätzung mag für die USA stärker zutreffen als für den deutschsprachigen Raum, aber die «Königstochter-Bewegung» ist längst auch hierzulande angekommen. Bücher wie «Weisst du nicht, wie schön du bist?» von Stacy und John Eldridge (ja: er ist der Autor des «ungezähmten Mannes») oder «Du bist eine Königstocher» von Marie Chapian transportieren genau diese Gedanken: Du bist schön. Du bist wertvoll. Du hast einen Wert. Du hast Würde. Und diese Ermutigung kommt bei vielen Frauen auch an.
Zu Phylicias Buch «Das Königstochter-Dilemma» heisst es beim SCM Verlag: «Für einen Moment mag ihr warm ums Herz werden. Doch schnell sind die schönen Gefühle wieder verflogen. Das frustriert und führt zu Zweifeln – an sich selbst, seinem Glauben und an Gott. Phylicia Masonheimer hat diese Diskrepanz genauso schmerzlich empfunden. Bis sie irgendwann dahinterkam, dass wir die Tiefe unseres Geliebtseins von Gott und die Bedeutung wahrer Schönheit nur dann verstehen können, wenn wir das Evangelium in seiner ganzen Bandbreite kennen und unseren Geist nicht immer nur mit den Instagram-tauglichen Lieblingsversen füttern. Denn was wir statt sentimentaler Stimmung und oberflächlicher Ermutigungen wirklich brauchen, ist ein verändertes Herz.»
Eine Bloggerin aus der Not
Dass Phylicia vor einigen Jahren überhaupt mit dieser Thematik in das Schreiben von Büchern einstieg, war allerdings keine geplante Entscheidung, es lag einfach an ihrem Kontostand. Gerade hatte sie mit ihrem Mann ein Haus gekauft, als dieser seine Arbeit verlor. Die letzten 500 Dollar auf der Bank würden nicht lange reichen, also entwickelte sie den verrückten Plan, aus ihren Blogbeiträgen im Internet ein E-Book über Sex zusammenzustellen.
«The Sex Talk you never had» wurde ein Erfolg und finanzierte die Familie einige Monate lang. Darin erzählt die Autorin von ungesunden Einflüssen auf ihre eigene Sexualität, wobei es ihr weniger um das erotische Buch ging, das sie als Kind vom Flohmarkt mit nach Hause nahm, sondern stärker um das Schweigen darüber, um die Angst, jetzt nicht mehr «rein» zu sein, und die Frage, ob Gott mit ihr als Sünderin noch etwas zu tun haben wollte.
Sex und mehr
Bald merkte Phylicia, dass die öffentliche Auseinandersetzung mit Sexualität zweischneidig war: Ihre Reichweite stieg rasant an, gleichzeitig kam es durch scheinbar harmlose Äusserungen wie zum Beispiel über das Tragen von Yogahosen zu starkem Gegenwind. Seana Scott erzählt sie: «Ich habe furchtbare Rückmeldungen bekommen. Die Leute sagten, sie wünschten sich, dass meine Kinder missbraucht würden, dass sie mich hassten oder hofften, ich würde sterben – und das alles nur wegen einer Yogahose.»
Ihre Offenheit, auch über sexuelle Themen zu sprechen und zu schreiben, führte sie schnell über ethische Fragen hinaus zu Lebensfragen und dem, was Nachfolge und christlicher Glauben eigentlich ausmachen. Auf einer Autofahrt forderte ihr Marketingberater sie heraus, das stärker herauszustellen: «Jede Frau eine Theologin» war sein Statement und ist seitdem die Basis ihrer Arbeit. Immer noch schreibt Phylicia aus der Perspektive einer Frau für Frauen, aber es geht ihr um mehr als darum, wie sie ihrem Mann den Tisch deckt, um ihm ihre Wertschätzung zu zeigen. Sie spricht über plötzlichen Kindstod und die Erfahrungen damit. Sie spricht über Gesetzlichkeit. Und sie ermutigt Frauen dazu, sich mit ihren Fragen an Gott zu wenden und die Bibel zu studieren, egal ob es um Halloween oder Heiligung geht.
Beröa als Vorbild
Immer wieder realisiert die Autorin, dass sie gehört wird. Mal werden Frauen nachdenklich und meinen: «So habe ich das noch nie gesehen …», mal suchen sie Seelsorge und konkrete Hilfe. Phylicia ist sich bewusst, dass sie als Verkündigerin dabei eine grosse Verantwortung trägt. Sie will theologisch sauber arbeiten und gleichzeitig alltagsrelevant sein. Weil sie um die Gefahr weiss, dass sie mehr auf Klickzahlen statt auf gesunde Theologie schauen könnte, hat sie inzwischen einen Beraterstab, dem sie ihre Artikel vorlegt. Erst danach stellt sie sie in die sozialen Medien – den Areopag unserer Zeit.
Instagram ist für sie eine Plattform, um über theologische und philosophische Fragen zu diskutieren. Darüber hinaus bietet sie Frauen solide Glaubens- und Jüngerschaftsthemen an. Ihr Wunsch dabei ist, dass diese es so machen wie die Christen in Beröa zur Zeit der Apostelgeschichte: «Sie forschten täglich in der Schrift, ob es sich so verhalte» (Apostelgeschichte, Kapitel 17, Vers 11). Diese Kultur wünscht sich Phylicia Masonheimer. Sie träumt davon, dass jede Frau die Bibel studiert, weiss, was sie glaubt, und dieses Wissen dann auch weitergibt.
Zum Buch:
Das Königstochter Dilemma
Zum Thema:
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