Geballte Liebe und viel Feingefühl

Tamara ist begeistert von ihren Kindern.
Tamara Lange ist begeistert von ihren drei Kindern. Dass eines von ihnen ein zusätzliches Chromosom hat, be­trachtet die engagierte Mut­ter als Bereicherung. Offen und ehrlich lässt sie in ihr Familienleben blicken.

Als Tamara (38) und Marc (41) 2016 ihr erstes Kind erwarten, ist die Freude riesig. Eltern zu werden, haben sich die beiden sehnlichst gewünscht. Dann kommt der grosse Schock: Beim ungeborenen Kind werden Trisomie 21, auch Down-Syndrom genannt, und ein schwerer Herzfehler diagnostiziert. «Die Nachricht wurde mir telefonisch mitgeteilt, während ich auf der Autobahn unterwegs war. Ich musste auf dem Pannenstreifen anhalten, konnte nicht mehr weiterfahren», erinnert sich die Mutter.

Der Kardiologe sieht weiter

«Wir fühlten uns mit der Diagnose allein gelassen», blickt sie auf die Zeit der Sorgen und Ängste zurück. «Dennoch empfanden wir unserer ungeborenen Tochter gegenüber grosse Liebe und Verbundenheit.» Hilfe wird dem Paar damals nicht ange­boten, stattdessen immer wieder der Weg zum Schwangerschaftsabbruch aufgezeigt. «Bis zur 24. Woche mussten wir ständig dafür einstehen, dass wir das Kind behalten wollen. Eine Person vom medizinischen Dienst drängte uns regelrecht zur Abtrei­bung und betonte, dass das Leben unseres Kindes nicht lebenswert sei. Das hat uns sehr verletzt.»

Ein Kardiologe ist es, der Tamara schliesslich auffängt und beruhigt: «Ihr könnt euch auf euer Kind freuen. Lasst euch nichts einreden. Wir werden das Herz des Kindes wieder richten.» Später stellt Tamara fest, dass Kardiologen oft so reden. «Sie sehen die Kinder mit Down-Syndrom auch nach der Geburt und wissen deshalb, wie wertvoll ihr Leben ist.»

Bangen und beten

Am 8. November 2016 wird Aliyah geboren. Das Mädchen gehört zu den 40 Prozent der Kinder mit Down-Syndrom, die zugleich von einem Herzfehler betroffen sind. Erneut erlebt das Elternpaar körperlich und emotional eine anstrengende Zeit. Die erste Herzoperation von Aliyah erfolgt nach zwei, eine weitere nach sechs Monaten. Mit zweieinhalb Jahren wird das Mädchen einer dritten OP unterzogen. «Viele Menschen haben ums Leben von Aliyah gebangt und für sie gebetet. Insgesamt verbrachten wir sieben Monate im Spital. Wir sind unbe­schreiblich dankbar für Gottes schützenden Hände über Aliyahs Leben, für die heutigen medizinischen Möglichkeiten und dass Ali­yah jetzt ein gesundes Herz hat», bekräftigt Tamara.

Herzen berühren

Inzwischen sind die vielen Strapazen nur noch Erinnerung, die Freude überwiegt nach wie vor. Natürlich bringe das Leben mit einem Kind immer auch Herausforderungen mit sich, doch dies sei normal, unabhängig von der Anzahl Chromosomen, sagt Tamara und strahlt. «Aliyah macht unser Leben viel schöner und bunter. Sie ist für uns und unser Umfeld eine grosse Berei­cherung.» Unbändige Lebensfreude und ein besonderes Einfühlungsvermögen zeichnen die Siebenjährige aus. Tamara berichtet von Situationen, in denen Aliyah gespürt habe, dass jemand eine Umarmung brauchte. Sie fügt an: «Unsere Tochter erweicht manches harte Herz und bewegt viele Menschen zum Umdenken.»

Geschwisterliebe

2020 erleben Tamara und Marc ein zweites Wunder: die Geburt ihres Sohnes Lionel. Erneut läuft nicht alles reibungslos. Kurz nach der Geburt erleidet das Baby einen Schlaganfall. «Zuerst wussten wir nicht, ob unser Junge dauerhaft beeinträchtigt sein würde», berichtet Tamara. Bekannte Gefühle steigen wieder auf... Würden sie nun zwei Kinder mit Beeinträchtigung haben?

«Wir betrachten es als Wunder, dass Lionel keine bleibenden Schäden davonge­tragen hat. Es ist wunderbar zu erleben, wie gut sich unsere Kinder verstehen», freut sich Tamara. Inzwischen ist sie dreifache Mutter; im Januar 2024 kam Söhnchen Miguel zur Welt.

Berufung gefunden

Die schwierigen Erfahrungen rund um die Schwangerschaft und Geburt von Aliyah weckten in der leidenschaftlichen Mutter einen Wunsch: «Ich wollte anderen Paa­ren von Kindern mit Extra-Chromosom vor und nach der Geburt zur Seite ste­hen.» Damals weiss sie nicht, wie sie dies umsetzen könnte. «Die Tatsache, dass 90 Prozent der Kinder, bei denen Trisomie 21 diagnostiziere wird, abgetrieben werden, führte mir die Dringlichkeit vor Augen», gibt Tamara zu bedenken. Wenig später erfährt sie von hope21. «Ich hatte Tränen in den Augen. Das war genau, wovon ich träumte.» Unverzüglich meldet sich Tamara bei dem Verein, und es dauert nicht lange, bis ihre eigene Familie zu den Hope-Families zählte. Voller Elan engagiert sich die Burgdorferin seither in dieser Arbeit und ist hope21-Vorstandsmitglied.

Einfühlsam und kompetent steht Tamara Frauen und Paaren nach der Diagnose Trisomie 21 zur Seite. Wie die anderen Hope-Families bietet sie ihnen Einblick in ihr Zuhause und in ihren Familien­alltag. Damit füllt hope21 eine Lücke. Tamara ergänzt: «Wir erfahren auch von Fachpersonen im Bereich Gynäkologie viel Dankbarkeit.» Der Verein hat unter anderem eine Broschüre mit Hilfestel­lungen zur Diagnosevermittlung erstellt. «Anders als noch vor wenigen Jahrzehn­ten bestehen heute zahlreiche Möglichkei­ten zur Förderung und Unterstützung für Kinder mit Trisomie 21», unterstreicht Tamara. Immer wieder erlebe sie: «Es gibt Paare, die sich ein Kind wünschen und eines adoptieren möchten – ob mit oder ohne Down-Syndrom. Es ist wichtig, dass betroffene Eltern davon Kenntnis haben – dass auch ungeborene Kinder Liebe erfah­ren und sich in unserer Welt willkommen fühlen.»

Dieser Artikel erschien in der Hope Regiozeitung.

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Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Hope Regiozeitung

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