Das Leben muss doch leicht sein!
Keiner von uns lebt mehr im Paradies. Dieses Vorrecht hatten nur Adam und Eva. Seit der Vertreibung kennen wir die Herausforderungen, die Privatleben und Beruf mit sich bringen. Theoretisch ist das klar. Aus dem eigenen Herzen kennen wir dennoch manchmal die alten Sehnsüchte: keine Alltagssorgen, Autopannen, Infekte oder Preissteigerungen. Und bitteschön auf keinen Fall die heftigen Probleme: Mobbing am Arbeitsplatz, schwerwiegende Diagnosen, plötzlicher Krankenhausaufenthalt, drohende Arbeitslosigkeit oder gar Scheidung. Das kann man uns doch wirklich nicht zumuten! Wie soll man dann bitteschön noch glauben können?
Ich meine, dass ich aufgrund persönlicher Prägung auch viele Jahre meines Lebens unbewusst so gedacht habe. Wenn alles gut lief, ich erfolgreich war und auf der Sonnenseite stand, dann fühlte sich der Glaube an Gott gut an. Tauchten aber Probleme auf, hatte ich wenig Substanz aufzuweisen. Sie liessen mich schnell an meiner eigenen Kraft, Gottes Liebe zu mir und seinen unbegrenzten Möglichkeiten zweifeln. Folglich war ich niedergedrückt, unzufrieden, unruhig. Wie ein wütendes Kind klopfte ich an Jesu Brust: «Jetzt musst du doch aber was tun! Das kannst du mir doch so nicht bieten.»
Durchgeschüttelt
Und dann kam der Tag, an dem meine persönliche Welt zusammenbrach. Ich erkannte erste Hintergründe meiner langjährigen Schmerzerkrankung und stürzte komplett ab in Hoffnungs- und Orientierungslosigkeit. Da ich damals auch in anderen Lebensbereichen noch nicht erwachsen handeln konnte, blieb mein Glaubensleben ebenfalls nicht von falschen Annahmen verschont: «Das Leben muss doch leicht sein.» Muss es das eigentlich? Abraham musste seine Heimat verlassen, Hiob viele Verluste durchleben, David sich in Verfolgung bewähren und Maria wurden die gefassten Lebenspläne durch Gottes Eingreifen vereitelt. Corrie ten Boom musste im zweiten Weltkrieg Leid durchstehen, Sabine Langenbach ein behindertes Kind grossziehen. Waren das leichte Leben? Und schuldete Gott ihnen diese?
Gott steht nicht in unserer Schuld. So, als müsse er irgendein Versäumnis ausbügeln. Das mag in einer Ehe oder Freundschaft der Fall sein. Dort bleiben wir einander auch mal etwas schuldig – den Respekt, den nicht ausgeleerten Mülleimer, das mutige Wort. Gott aber ist weit mehr als unser Mitmensch. Er ist unser Schöpfer, Herr und Erlöser. Gott schuldet uns folglich gar nichts und dennoch schenkt er uns alles! Nämlich seine unendliche Liebe!
Keinen Rosengarten versprochen
Darf Gott uns ein herausforderndes Leben zumuten? Ich meine ja, weil er uns nie einen Rosengarten versprochen hat, als er uns in die Nachfolge einlud. Im Gegenteil. Ausserdem deshalb, weil er auch für die heftigen Zeiten Verheissungen bereithat. Eine davon steht in Römer Kapitel 8, Vers 28a: «Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken.» Haben Abraham, Hiob, David und Maria das erlebt? Die Bibel gibt uns Einblicke. Heute können Begegnungen mit Menschen demonstrieren, dass auch schwere Lebenswege angenommen werden können und sogar Segen darin gefunden werden kann. Eine mir nahestehende Frau muss mit der schwerwiegenden Diagnose ihres Mannes zurechtkommen, die für ihr Leben und ihre Ehe viele Veränderungen mit sich bringt. Auf meine Frage hin, ob sie das von Gott annehmen könne, antwortete sie schlicht: «Ja, das kann ich.» Kein Seufzen, keine Bitterkeit oder gar Gottlosigkeit. Stattdessen die Bereitschaft, Gott zurückzulieben – auch unter harten Bedingungen.
Tragfähiger Boden
Was braucht es, um auch in schweren Zeiten gut zu leben und vertrauensvoll glauben zu können? Es braucht als Grundlage vor allem anderen das Vertrauen, dass wir Gott in allem erleben können. Ausserdem die Gewissheit, dass in uns weit mehr Kräfte stecken, als wir uns vielleicht selbst zutrauen. Und die Neugier auf spannende Erfahrungen jenseits von Eden. Für mich persönlich lagen sie beispielsweise darin, dass ich Gott in meinem persönlichen Absturz neu und anders begegnen durfte – stärker, kräftiger, vollmächtiger als im bisherigen Alltag. Natürlich mag ich die «Edentage» am liebsten. Wäre ja unmenschlich, harte Zeiten herbeizusehnen. Aber mittlerweile weiss ich mich auch in ihnen gesehen und geliebt.
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