Die Frucht des Geistes: Liebe

Eine der geistlichen Früchte ist die Liebe.
Paulus beschreibt die Frucht des Geistes. Nach Galater Kapitel 5, Vers 22 besteht sie aus Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit. Fünf «Einzelfrüchte» davon sehen wir uns in einer Mini-Serie an.

Paulus schreibt in 1.Korinther Kapitel 13, Verse 1-7: «Wenn ich in den Sprachen der Menschen und der Engel rede, aber keine Liebe habe, so bin ich ein tönendes Erz geworden oder eine schallende Zimbel. Und wenn ich Weissagung habe und alle Geheimnisse und alle Erkenntnis weiss, und wenn ich allen Glauben habe, sodass ich Berge versetze, aber keine Liebe habe, so bin ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe zur Speisung der Armen austeile und wenn ich meinen Leib hingebe, damit ich Ruhm gewinne, aber keine Liebe habe, so nützt es mir nichts. Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig, sie neidet nicht, die Liebe tut nicht gross, sie bläht sich nicht auf, sie benimmt sich nicht unanständig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet Böses nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit; sondern sie freut sich mit der Wahrheit, sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles.»

Ich mag an diesem Bibelwort, dass ich genau so behandelt werden möchte wie hier beschrieben. In einer Zeit, in der die Sitten immer rauer werden, Menschen nicht mehr lernen, «bitte» oder «danke» zu sagen, soziale Kompetenzen und feine Manieren rar geworden sind, ist diese Liste wie Musik in müden Ohren. Liebe wird auf der Liste der Frucht des Geistes in Galater 5 als erstes genannt – vermutlich die wichtigste Frucht, denn alle andere hängen von ihr ab.

Vertreter Gottes auf der Erde

Genauer hingeschaut, ist mir doch bei diesem Wort etwas mulmig. Denn so, wie ich von anderen behandelt werden möchte, so muss ich auch andere behandeln. Logisch. Da wird es etwas ungemütlich und es klingt nach Stress.

«Unser Brief seid ihr, eingeschrieben in unsere Herzen, erkannt und gelesen von allen Menschen», schreibt Paulus an die Gläubigen in Korinth (2. Korinther Kapitel 3, Vers 2). Logischerweise würde das bedeuten: Die armen Menschen, die mich zufällig an einem schlechten Tag erwischt haben und mich gereizt, ungeduldig oder kurz angebunden erlebt haben, bekommen ein negatives Bild vom christlichen Glauben. Nur weil ich nicht genug gestrahlt, bezeugt oder fröhlich erzählt habe! Wenn Gott auf mich als Schaufenster für sein Reich angewiesen ist, soll er dringend woanders suchen! Das muss doch ein Missverständnis sein.

«An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen» (Matthäus Kapitel 7, Vers 16). Es gibt also kein Ausweichen: Wie wir leben, ist für den Ruf Gottes entscheidend. Wir sind seine Vertreter auf dieser Erde, Botschafter an Christi statt. «Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit» (Galater Kapitel 5, Vers 22). Die Liste ist tatsächlich an mich gerichtet. Eine ganz schön steile Anforderung! Ich soll lieben, wenn ich nicht zurückgeliebt werde? Wenn meine Mitmenschen über mich herfallen mit Lieblosigkeiten, Ansprüchen, die ich nicht erfüllen kann, wenn sie mich im Stich lassen, mich verletzen und enttäuschen?

Gottes Früchte, nicht meine

Die Antwort ist ein eindeutiges Ja! Ich darf allerdings nicht vergessen: Es sind nicht meine Früchte, die in mir wachsen sollen, sondern die Früchte des Geistes. Gottes Früchte. Er bewirkt sie in mir. Die Rebe im Gleichnis von Jesus (Johannes Kapitel 15, Verse 1-8) hat kein bisschen Stress damit, in der Erntezeit dicke, saftige Trauben hervorzubringen. Ihr einziger Verdienst ist es, am Weinstock hängen zu bleiben. Und selbst das ist eher der Verdienst des Weinstocks als der der Rebe. Ein befreiendes Bild.

Ich bin davon überzeugt, dass es tatsächlich einen Weg gibt, wie wir mit gutem Gewissen normal, menschlich, fehlerhaft und authentisch leben können – und gerade dabei andere Menschen auf den Geschmack bringen, nach Gott zu suchen. Es ist möglich, Frucht des Geistes in uns wachsen zu lassen und eine neue Freude dabei zu entdecken! Für Jesus ein Zeugnis zu sein heisst nicht, dass wir schauspielern müssen: auf Musterchrist, Musterehepaar, Musterfamilie, Mustergemeinde zu machen. Wir müssen nicht versuchen, Gott und andere Menschen mit unserer Frömmigkeit zu beeindrucken. Wie aus dem Ei gepellte Christen, perfekt gestylt, strahlend und souverän in der Bewältigung ihres Alltages – solche Menschen mögen zwar von anderen bewundert werden, können aber auch ganz schön ungeniessbar sein. Frucht, die nach Gott schmeckt, hat nichts mit Performance oder Image zu tun. Sie strahlt aus mir heraus, wenn ich mit Jesus in Verbindung bin.

Liebe – biblisch gesehen – ist per Definition der Blick weg von eigenen Bedürfnissen und von der Illusion, dass irgendein Mitmensch mich jemals völlig glücklichmachen kann. Hier geht es um eine Grundhaltung, die ihre Inspiration in der sich aufopfernden Liebe findet, die Gott in Christus in unseren Herzen ausgegossen hat. Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat. Wir lieben, weil wir nicht anders können, wenn wir durch seinen Geist belebt von seiner Liebe berührt wurden.

Die kleinen täglichen Entschlüsse

Daraus folgt, dass es die kleinen täglichen Entschlüsse sind, die letztlich zählen. Loben, wenn es einfacher wäre zu schimpfen. Danken, anstatt zu klagen. Freundliche Worte sprechen, anstatt griesgrämig zu schweigen. Andere ermutigen, von sich zu erzählen, wenn ich lieber selbst im Mittelpunkt stehen würde. Keine Anspielungen machen, dass ich hier die Expertin bin, dass ich mich auskenne, dass ich der coolste, wichtigste Mensch in diesem Raum bin. Nicht immer nach Möglichkeiten stochern, auf meine Errungenschaften hinzuweisen oder darauf, wie genial andere mich finden oder wie schwer ich es doch im Leben habe. Nicht immer nach Mitleid und Zuwendung suchen. Vom spitzen Kommentar absehen – und stattdessen etwas Aufbauendes sagen. Meine Rede von jeder Spur von Eitelkeit und Eigenliebe freizuhalten versuchen. Und wenn es mir nicht gelingt, mich postwendend entschuldigen. Oder einfach herzhaft über mich selber lachen und innerlich zu beschliessen, in Zukunft mehr auf mein Verhalten zu achten. Ich bin gerne mit Menschen zusammen, die so sind. Sie auch?

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Autor: Nicola Vollkommer
Quelle: Magazin Faszination Bibel 01/24, SCM Bundesverlag

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