Hoffnung mit Realitätsbezug
«Hoffnung sollte immer mit einem konkreten Bezug zur Realität zu tun haben – mit konkreten Meilensteinen», sagte Eva Jaisli kurz vor Weihnachten 2018 im Gespräch mit der Zeitung «Hope-Emmental». Einen solchen konkreten Meilenstein feierte sie einige Monate zuvor in Burgdorf, als das Spital Emmental mit einem neuen Bettenhaus eröffnet wurde. Nebst dem Notfall beherbergt es mehrere Ambulatorien und vier Pflegeabteilungen mit total 132 Betten.
«Bei der Finanzierung dieses Neubaus hatten wir intensiv gehofft, dass wir einen guten Weg finden.» Am Ende gelang es der Spital Emmental AG, das 111 Millionen Franken teure Projekt (das dazugehörige Parkhaus war bereits 2015 eröffnet worden) durch Anleihen am Finanzmarkt und ohne Kantonsgelder zu finanzieren.
«Hoffnung kann Illusion werden»
Für die Emmentaler Unternehmerin Eva Jaisli hat Hoffnung sehr viel mit dem Zukunftsbild zu tun, das man für sich persönlich malt. Nach ihrem Verständnis ist Hoffnung «eine Orientierungshilfe, die viel darüber verrät, wie jemand die Welt versteht und ein gutes Instrumentarium, um Durststrecken zu bewältigen.» Die Kunst sei jedoch, Hoffnung mit dem Alltag in Verbindung zu bringen. Wo dieser Realitätsbezug wegfalle, könne es auch gefährlich werden, warnt Jaisli: «Aus Hoffnung kann auch eine Illusion werden, wie man bei den Flüchtlingen sieht, die in löchrigen Schlauchbooten das Mittelmeer zu überqueren versuchen.»
Sie glaube schon, dass sie für einige Menschen in der Region eine Hoffnungsträgerin sei, sagt Eva Jaisli selbstbewusst. Sie wolle auch Verantwortung übernehmen und für andere und sich selbst einstehen. In ihrem Leben habe es auch einige Personen gegeben, die für sie eine Art «Hoffnungsträger» waren, weil sie ihr halfen, Herausforderungen anzunehmen – allen voran ihre Eltern, aber auch ihre Vorgesetzten. «Ich hatte Glück, dass ich so viele Menschen getroffen habe, die ihre Aufgaben mit viel Engagement erfüllt haben. Das können übrigens auch Lehrerinnen, der Pfadi-Leiter oder ein Trainer im Sportverein sein.»
Keine Angst vor Gegenwind
Sich mit ihrer Meinung öffentlich zu exponieren, ist heute für die 64-jährige Burgdorferin eine Selbstverständlichkeit. Schon in ihrem Erstberuf als Lehrerin habe sie gelernt, sich zu exponieren. «Als Führungsperson habe ich die Möglichkeit, gewisse Anliegen aufs Tapet zu bringen und als 'Fahnenträgerin' aufzutreten, auch wenn ich dadurch zuweilen stärkerem Gegenwind ausgesetzt bin.» Die Öffentlichkeit sei ein wichtiger Hebel, betont Jaisli, denn gewisse Veränderungen könnten nur im Kollektiv herbeigeführt werden.
Eva Jaisli sieht sich als Geschäftsführerin einer Firma mit 180 Mitarbeitenden verantwortlich für faire Anstellungsbedingungen, eine sinnstiftende Firmenkultur und die Vergabe von Aufträgen in der Region. In ihrer Rolle als weiblicher CEO in einer Firma für Qualitätsschraubenzieher und andere Produkte, versucht sie bewusst auch Mädchen für technische Berufe abzuholen und strebt insgesamt einen Frauenanteil von 40 Prozent an. Jaisli kämpft für die Flexibilisierung bei Anstellungen, für Vatertage, Teilzeit-Lösungen, usw. Anerkannt wurde sie für ihr Engagement schon von vielen Seiten; etwa von der Universität Bern, von der sie den Ehrendoktortitel erhielt.
Sie wolle sich in den Dienst der Menschen stellen, sagt die Unternehmerin dazu. Dies gelte für sie in vielen Bereichen: «Bei PB Swiss Tools möchte ich den Mitarbeitenden eine Perspektive ermöglichen. Bei Swissmem möchte ich den exportorientierten KMU's eine Stimme geben und mich in politischen Prozessen einbringen.» Und dann möchte Eva Jaisli natürlich weiterhin für die Zukunft des Spitals Emmental und die Region einstehen.
Die Natur als Energiequelle
Mit all ihren Aufgaben kommt ein happiges Pensum zusammen, das unweigerlich die Frage nach dem persönlichen Energiehaushalt aufwirft. Immerhin ist Eva Jaisli auch noch Ehefrau und vierfache Mutter! «Es ist schon so, dass ich grundsätzlich viel Energie habe. Und dieser Energiepegel, den ich morgens in die Firma bringe, ist wichtig für die ganze Belegschaft. Denn die Leute deuten auch nonverbale Signale des Vorgesetzten sehr genau.»
Um ihren Energiepegel hoch zu halten, braucht Eva Jaisli vor allem Auszeiten in der Natur. Oft legt sie die 18 Kilometer Arbeitsweg mit dem Velo zurück. Sowieso ist sie gerne an der frischen Luft.
Die Natur lehre sie vor allem eines: Demut. «Dieser Kraft ausgesetzt zu sein, wenn's regnet oder kalt ist, das macht einen demütig und relativiert die eigenen Kräfte», reflektiert die erfolgreiche Geschäftsfrau. Wenn man dann vor einem Berg stehe, erkenne man seine eigene tatsächliche Grösse und Bedeutung in dieser Welt. Denn: «Wir nehmen uns manchmal schon gar wichtig.» Vom Berg habe sie noch eine weitere Lektion gelernt: Auch wenn er sich zuerst wie ein Riese vor einem auftürmt, kann man ihn doch erklimmen. «Man muss sich etwas überwinden, aber es ist möglich, den Berg hochzukommen.»
Aus der Komfortzone heraustreten
Durch die internationale Tätigkeit ihrer Firma ist Eva Jaisli oft auf Reisen – besonders im asiatischen Raum, wo viele Schraubenzieher aus dem Emmental ihre Abnehmer finden (2013 gründete PB Swiss Tools eine Vertriebsgesellschaft in China). Auch über diese globale Vernetzung freut sich Jaisli – nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus persönlichen Gründen. «Es tut gut, sich in eine Umgebung vorzuwagen. Einfach mal raus aus dem Vertrauten und in ganz andere Lebenswelten eintauchen – das hilft einem, Dinge zu verstehen.»
Die Expansion nach Asien habe sie dazu gezwungen, sich auf Menschen aus einer ganz anderen Kultur einzulassen. Und die Reisen hätten ihr immer vor Augen geführt, welch ein Privileg es ist, in der Schweiz so sauberes Wasser und so saubere Luft zu haben. «Wenn ich aus Asien zurückkomme und dann wieder der Emme entlang oder über die Hügel jogge, bin ich einfach nur sehr glücklich, dies zu erleben. Das ist doch pure Energie, oder nicht?!»
3 Tipps von Eva Jaisli:
1. Sich selbst kritisch hinterfragen
«Gerade in Positionen, wo man eine gewisse Macht hat, sollte man unbedingt die eigene Verhaltensweise reflektieren. Es ist entscheidend, dass man sich immer wieder selbst Rechenschaft ablegt.»
2. Perspektivenwechsel
«Durch Globalisierung und Digitalisierung ist das Leben komplexer geworden. Umso wichtiger ist es, sich mehrere Sichtweisen anzueignen. Vor einer Entscheidung sollte man sich genügend Zeit nehmen, die Details zu analysieren, um verschiedene Lösungen zu prüfen.»
3. Bereitschaft von anderen zu lernen
Beim Zuhören und Nachfragen lerne ich Zusammenhänge und Meinungen anderer besser zu verstehen, was für mich oft ein Schlüssel zu neuen Erkenntnissen ist.