Notlagen mit praktischer Hilfe und Liebe begegnen
Wir leben in unsicheren Zeiten. Die bevorstehende Erhöhung der Mehrwertsteuer, steigende Krankenkassenbeiträge und die Erhöhung Mieten stellen besonders für diejenigen, die am Rand der Gesellschaft stehen, eine enorme Belastung dar. In dieser Zeit der Herausforderungen und Notlagen ist die Organisation Endlesslife eine wichtige Anlaufstelle. Bereits zum 15. Mal organisierte sie die Gassenweihnacht in St. Gallen, jeweils am 25. Dezember.
Stimmung friedlich, aber angespannt
Als ich um 16 Uhr in Richtung Marktplatz ging, drangen die Klänge von Marcel und Moritz, die der Gassenweihnacht eine musikalische Untermalung gaben, bereits an mein Ohr. Die Veranstaltung sollte erst um 17 Uhr beginnen, doch die beiden Musiker gaben bereits eine Kostprobe ihres Könnens. Als sie den Song «Feliz Navidad» spielten, aber vor dem zweiten Teil abrupt beendeten, stimmten die bereits anwesenden Menschen leidenschaftlich ein: «I wanna wish you a Merry Christmas, and a Happy New Year». Die Stimmung war fröhlich.
Gleichzeitig spürte man eine gewisse Anspannung in der Luft. Vor den Ständen, an denen Kleidung, Kosmetikartikel und Schuhe verteilt wurden, bildete sich bereits eine lange Warteschlange. Besonders deutlich war die Anspannung bei Thomas Feurer zu spüren, der sicherstellen musste, dass diejenigen, die das ganze Jahr über auf die Unterstützung von Endlesslife angewiesen waren, zuerst versorgt wurden. Er kennt die Menschen persönlich, grüsst und umarmt sie, hilft, wo immer er kann. Doch in diesem Moment schien er an zehn verschiedenen Orten gleichzeitig sein zu müssen.
Im Vorfeld der Gassenweihnacht hatte er mir geschrieben, dass ihm vor allem der Anstieg des Crack-Konsums Sorgen bereite, der sich in der gesamten Schweiz bemerkbar mache und sich auch in seiner täglichen Arbeit deutlich zeige (Livenet berichtete). Diese Substanz führe dazu, dass Konflikte schneller eskalieren als gewohnt, was eine zusätzliche Herausforderung für ihn und sein Team darstellt. Auf der Weihnachtsfeier erzählte er mir, dass er von zwei zivilen Beamten gehört habe, dass auch in der Gassenküche eine angespannte Stimmung herrsche. Herausfordernde Zeiten.
Start der Gassenweihnacht
Pünktlich um 17 Uhr begrüsste Thomas alle Teilnehmenden der Gassenweihnacht. Er dankte den grosszügigen Spendern und lobte die engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich tatkräftig für diese Veranstaltung einsetzten. Es ist beeindruckend, wie viele Menschen sich ehrenamtlich engagieren. An diesem Abend waren 70 Personen im Einsatz; wenn man alle Helferinnen und Helfer mitzählt, die im Vorfeld mitgewirkt hatten, waren es sogar etwa 100 Personen. In seiner kurzen Ansprache betonte Thomas seine Liebe zu dieser Stadt und den Menschen, die hier leben. Gleichzeitig appellierte er, dass wir an Weihnachten – dem Fest der Liebe – aufeinander Rücksicht nehmen und einander unterstützen sollen.
Jetzt bildeten sich auch an den Food-Ständen Schlangen. In den Zelten mit Tischen und Bänken wurde gegessen, getrunken und man tauschte sich aus. Auch die Ausgabe von Kleidern und anderen Utensilien war jetzt in vollem Gange. Es war dabei für die Organisatoren wichtig, den Überblick zu behalten, damit die einen nicht hamstern, während andere zu kurz kommen.
Rekordbeteiligung mit 1'200 Teilnehmenden
Die Gassenweihnacht endete offiziell um 21 Uhr, und für die engagierten Helferinnen und Helfer begann die Aufräumaktion. Auch ich packte kräftig mit an. Mein Bruder Andy und seine Frau Elena waren für den reibungslosen Auf- und Abbau verantwortlich. Überraschenderweise war bereits um 22 Uhr alles aufgeräumt und in den Lieferwagen verstaut, und das war früher als je zuvor in all den Jahren. Insgesamt konnten an den Ständen weit über 1'200 Menschen mit Essen, Getränken, Kleidung, Schuhen, Hunde- und Katzenfutter sowie Kosmetikartikeln versorgt werden. Es war eine Rekordbeteiligung mit so vielen Menschen wie noch nie zuvor. Dies war eine herausragende Leistung aller Beteiligten. Glücklicherweise kam es zu keinen Eskalationen oder Gewalttaten. Besonders bei Menschen aus der Szene, die bereits länger Kontakt zu Endlesslife haben, herrschte eine tiefe Dankbarkeit.
Zur Website:
Endlesslife
Zum Thema:
Brave beLife zu Gassenweihnacht: «An Weihnachten sollte niemand allein sein»
«Hier gehören wir hin»: ihnachten mit Einsamen, Migranten, Gestrandeten und Obdachlosen
Gassenweihnachten: Die Liebe Jesu praktisch weitergeben