Wie Abraham seine Frau opferte

Abraham im Film «His Only Son»
Ja, Sie haben richtig gelesen: Hier geht es nicht um Abrahams Opferung seines Sohnes, sondern seiner Frau. Wie kam es dazu? Und warum wiederholte sich diese Geschichte gleich dreimal?

Obwohl Abraham zu Recht als Vater des Glaubens gilt, hat er auch eine andere Seite. Er soll zwar einerseits Gott geglaubt haben, als dieser ihm einen Sohn versprach, obwohl seine Frau bereits ein Alter erreicht hatte, in dem sogar fruchtbare Frauen nicht mehr gebären können. Und zweitens soll er bereit gewesen sein, später diesen so kostbaren Sohn wieder hinzugeben, weil er vertraute, dass Gott ihn wohl auch wieder von den Toten auferwecken könne.

Eine peinliche Geschichte

Andererseits scheut sich die Bibel nicht, eine ganz andere Situation aus seinem Leben zu erzählen, die ihn erbärmlich darstellt, bzw. wie einen Feigling erscheinen lässt. Schon ganz am Anfang, bevor seine Heldentaten aufgeführt werden, lesen wir in Genesis 12 folgende eigenartige Geschichte: «Als eine Hungersnot über das Land kam, zog Abram nach Ägypten hinab… Als er sich Ägypten näherte, sagte er zu seiner Frau Sarai: Ich weiss, du bist eine schöne Frau. Wenn dich die Ägypter sehen, werden sie sagen: Das ist seine Frau! Sie werden mich erschlagen, dich aber am Leben lassen. Sag doch, du seiest meine Schwester, damit es mir deinetwegen gut geht und ich deinetwegen am Leben bleibe. Als Abram nach Ägypten kam, sahen die Ägypter, dass die Frau sehr schön war… Da holte man die Frau in den Palast des Pharao. Er behandelte Abram ihretwegen gut: Abram bekam Schafe und Ziegen, Rinder und Esel, Knechte und Mägde, Eselinnen und Kamele. Als aber der Herr wegen Sarai, der Frau Abrams, den Pharao und sein Haus mit schweren Plagen schlug, liess der Pharao Abram rufen und sagte: Was hast du mir da angetan? Warum hast du mir nicht gesagt, dass sie deine Frau ist?»

Aus Liebe?

Viele Bibelleser haben sich schon die Köpfe zerbrochen, weshalb Abram zu einer derart verlogenen und lieblosen Tat fähig war und warum diese peinliche Story überhaupt in der Bibel steht. Wer aber eigentlich mehr verblüfft als Abraham, ist Sarai. Sie macht einfach mit!  Sie wird ja einem fremden Mann gegeben und dort gemäss den kulturellen Gebräuchen wohl mehr oder weniger vergewaltigt werden. Sie muss sich an jemanden hingeben, der zuvor schon hunderte andere Frauen hatte. Warum wehrt sie sich nicht? Wieso reklamiert sie nicht wenigstens? Warum deckt sie die Lüge Abrams nicht auf? Ihre Ehre wird mit Füssen getreten! Warum gibt sie dem Feigling nicht wenigstens eine Ohrfeige? Es gibt wohl nur eine Erklärung: Aus lauter Liebe zu ihrem Mann opfert sie sich. Sie ist überzeugt, dass sie mit dieser Tat sein Leben rettet. Er sagt es ja deutlich: «…damit ich um deinetwillen am Leben bleibe.»

Ihr Opfer bringt aber noch viel mehr. Auf jede nur erdenkliche Art und Weise wird Abram beschenkt. Andererseits löst Sarais Hingabe Plagen für den Pharao und sein ganzes Haus aus. 

Opfer und Erlösung

Es ist derart offensichtlich, dass man es kaum merkt: Was mit dieser Geschichte eingeführt wird, ist nicht weniger als der Opfer- und Erlösungsgedanke, der im Laufe der Bibel immer wichtiger wird und am Kreuz zu seiner Erfüllung kommt. Wie Jesus opfert die Frau alles, was sie hat, um jemanden zu retten. Durch Schwäche rettet sie, die Frau, die keine Waffen zur Verfügung hat. Die vermeintlich starken Männer sind hilflos. Abraham ist machtlos vor dem Pharao. Aber auch die Soldaten des Pharao sind machtlos vor den Plagen, welche durch die Schwäche dieser Frau ausgelöst werden. Sie ist die Stärkste, die Siegerin. 

Interessant ist auch, dass Sarah keinen Schaden davonträgt. Wer in einem Harem des Altertums verschwand, kam da normalerweise nie mehr raus. Das war ein Todesurteil. Aber Sarah wird einfach wieder rausgegeben und sie lebt weiter als ob nichts geschehen wäre. Das kommt einer Auferstehung gleich.

Gleich dreimal

Erstaunlicherweise wird die Geschichte in ähnlicher Form drei Mal wiederholt. Wieso sollte Abram den gleichen Fehler wiederholt haben? Wieso sollte sein Sohn diesen dummen Fehler noch einmal wiederholen? Waren sie wirklich derart böse und herzlos? Oder will uns die Zahl drei auf etwas hinweisen? Am dritten Tag ist Jesus auferstanden!

Die praktisch genau gleiche Geschichte wird uns, wie gesagt, nicht nur doppelt von Abram und Sarai, sondern auch noch von Isaak und Rebekka erzählt. Damit wird bestätigt, dass die Geschichte einen prophetischen Charakter hat und etwas voraussagt, was nur bedingt mit den erwähnten Personen zu tun hat. 

Was die Bibel glaubwürdig macht

Gerade solche Stellen sind es, welche die Bibel extrem glaubwürdig machen. Das ist ein Wunder! Woher soll der Schreiber der Genesis gewusst haben, was er aufschreiben muss, damit es zur Geschichte von Jesus passt, welche erst tausende von Jahren danach geschehen sollte? So zart und einfühlsam, und gegen jede kulturelle Wahrscheinlichkeit ist hier schon die Erlösungsgeschichte vorgeschaltet: Es ist unglaublich. Dass die Geschichte von der Opferung Isaaks auf Jesus hinweist, das merkt man bald einmal. Aber andere prophetische Stellen, wie die geschlachteten Tiere, zwischen denen Abraham sich beim Bundesschluss mit Gott bewegen musste (Genesis 15), die männliche Beschneidung am achten Tag (Kapitel 17) und eben die Opferung Sarahs (siehe auch Kapitel 20) bzw. Rebekkas (Kapitel 26) werden erst bei tieferer Betrachtung offenbar. 

Gut nachvollziehbar

Doch wieso liess sich Abraham, der Vater des Glaubens, zu einer derart primitiven Tat hinreissen, gleich zweimal? Wie kann man sich erklären dass er dieses Denken derart einreissen lässt und es sogar seinem Sohn vererbt? Offensichtlich sind ja grosse Ängste im Spiel. Er mag gehört haben, dass Männer um ihrer Frauen willen getötet wurden. Tatsächlich lässt sich aber die Wahrheit über Sarai bzw. Rebekka auf die Dauer nicht verstecken. In allen drei Fällen kommt es schliesslich doch heraus, dass es sich nicht um die Schwester, sondern die Ehefrau handelt. In diesem Moment würde man erwarten, dass die Patriarchen, die sich so schlau zu retten versuchten, erst recht umgebracht werden. Aber das geschieht weder beim ersten, noch zweiten, noch dritten Mal. Im Gegenteil, sie werden sogar noch reich beschenkt. Daraus den Schluss zu ziehen, dass ihre Ängste übertrieben waren, ist aber voreilig. Die Geschichte will vielmehr sagen, dass der Pharao durch die erlittenen Plagen Abraham respektierte und sich fürchtete, ihm etwas anzutun.

Wir können jedenfalls gut nachvollziehen, dass jemand aus Angst lügt. Das hat wohl jeder schon mal gemacht. Wir alle können uns mit Abraham und Isaak identifizieren. Jeder von uns ist genauso schuldig wie jene Urväter. Und auch wir können nur durch das Opfer eines Unschuldigen gerettet werden. Wie Abraham sich an seine Frau wendete und sie bat, ihn zu retten, so sollten auch wir uns an den Heiland wenden

Frau hoch erhoben

Und das kann man ohne Bedenken tun, denn was für ein wunderbarer und demütiger Gott ist das, der eine Frau nicht nur als Retterin, sondern als Vorbild für sich darstellt. Und so ist es in der Bibel immer wieder. Man könnte zwar meinen, die Bibel habe Frauenrechte blockiert, weil sie Eva als diejenige darstellt, welche Gottes Befehl im Garten Eden als erste übertrat. Doch nur wenige Verse später wird prophezeit, dass der Erlöser nicht durch einen Mann, sondern eine Frau in die Welt kommen werde. Und so geschah es ja dann schliesslich auch. 

Kein Wunder also, dass Frauenrechte im christlichen Kulturkreis entstanden. Wiederholt zeigen die Geschichten des Alten Testamentes, wie Frauen missbraucht werden und unschuldig leiden, ohne sich zu wehren, und gerade dadurch ihre Familien oder sogar ganze Völker gerettet werden. Und wenn man sich da jedesmal bewusst macht, dass es sich um Voraussagen auf das Werk des Christus handelt, wird die Frau sogar noch über den Mann erhoben! 

Der biblische Gott hat sich von Anfang an mit den Schwachen identifiziert. Einen solchen Gott gibt es nur einmal.

Zum Thema:
Dossier: Faktencheck Christentum
Bibellesen leicht(er) gemacht: Jesus und Abraham: eine besondere Begegnung
Das Alte Testament: Drei Dinge, die Sie vielleicht noch nicht wussten

Autor: Kurt Beutler
Quelle: Livenet

Werbung
Livenet Service
Werbung