Die Schätze der Bibelarchäologie

Alte Schrift
Die Qumran-Funde sind weltbekannt. Und es scheint so, als wären es sensationelle Funde wie diese, die das Wissen um bibelhistorische Hintergründe voranbringen würden. Die Wirklichkeit sieht hier anders aus – kleinteiliger und echter.

1947 machte sich ein Beduinenjunge am Westufer des Toten Meeres auf die Suche nach einer entlaufenen Ziege. Er kam dabei an einer der zahlreichen Höhlen in der Gegend vorbei. Um sicherzugehen, dass seine Ziege nicht in das Loch gefallen war, vor dem er stand, warf er einen Stein hinein. Dabei hörte er, wie unten Keramik zerbrach. Das interessierte den Jungen. Mit einem Freund stieg er etwas später in die Höhle ein und die beiden entdeckten mehrere Krüge mit zusammen acht Schriftrollen. Sie teilten sie unter sich auf und verkauften sie an Antiquitätenhändler in Bethlehem.

Es waren Teile von biblischen Texten und andere religiöse Schriften – und sie stammten aus der Zeit von 300 vor bis 100 nach Christus. Diese Geschichte wird bis heute so oder ähnlich erzählt und sie hört sich sehr gut an. Es kommt fast alles vor, was eine gute Story braucht: en Schatz, ein Kind und ein Haustier… Tatsächlich dürfte vieles daran erfunden sein, doch die Schriftrollen vom Toten Meer selbst gehören auch nach 75 Jahren noch zu den bedeutendsten bibelarchäologischen Funden der Geschichte.

Die grössten Sensationen der Bibelarchäologie

Biblische Archäologie macht innerhalb der Geschichtswissenschaften nur einen kleinen Teil aus, doch sie trägt viel zum Verständnis der Bibel und ihres Hintergrundes bei. «Als rein archäologische Disziplin geht es ihr nicht um den Beweis einer Richtigkeit der Bibel, sondern um die Erhebung der materiellen Kultur der südlichen Levante», wird bei Wikipedia dazu festgehalten, doch natürlich freuen sich Christinnen und Christen, wenn Grabungsergebnisse stützen, was in den antiken Quellen steht, die wir als Bibel kennen. Zu den sensationellen Funden gehören deshalb auch nicht Gold- und Silberschätze, sondern eher Texte, Bauten und Alltägliches.

Der gewaltige Qumran-Fund – unter anderem mit einer fast vollständigen Jesaja-Rolle mit über sieben Metern Länge – ist dabei ein echtes Highlight (Livenet berichtete regelmässig). Spannend war auch die Entdeckung von Hiskias Tunnel, der die Gihonquellen durch ein unterirdisches Leitungssystem in den Teich Siloah nach Jerusalem umleitete. Bis dahin galten biblische Berichte darüber als unwahrscheinlich (siehe Livenet). Ähnliches gilt für Knochenfunde aus Givat Hamivtar bei Jerusalem. Dort wurden Überreste eines gekreuzigten Mannes entdeckt, anhand derer sich zeigen liess, dass Menschen dafür tatsächlich angenagelt wurden und wie das geschah. Funde wie diese hören sich nicht unbedingt spektakulär an, aber sie beeinflussen unsere Sicht auf die Bibel nachhaltig.

Funde, die noch nicht gemacht wurden

Im Zuge der Qumran-Funde wurde neben vielen Papyrus- und Lederschriftrollen auch eine Rolle aus Kupfer entdeckt – es ist übrigens die einzige Rolle, die tatsächlich von Archäologen geborgen wurde. Das Besondere an ihr ist, dass es sich um eine Art Schatzverzeichnis handelt. Die beschriebenen Reichtümer sind so umfangreich, dass einige sie für erfunden halten – aber wer sollte dafür eine besonders aufwendige Art der Dokumentation wählen? Viele halten sie daher für echt und glauben, dass sie auf den versteckten Tempelschatz zur Zeit des Bar-Kochba-Aufstandes verweist. Bislang liess sich jedoch keines der angegebenen Verstecke lokalisieren. Ähnliches gilt für viele biblische Schätze. So soll Jeremia nach einem Hinweis in den Apokryphen die Bundeslade aus dem Tempel vor der Wegführung des Volks in die babylonische Gefangenschaft in einer Höhle versteckt haben (2. Makkabäer, Kapitel 2, Vers 1-7). Sie ist und bleibt bis heute unauffindbar.

Eine besondere Stellung bei den nicht entdeckten Schätzen nimmt die angebliche Entdeckung von Noahs Arche auf dem Berg Ararat ein. Bereits 1957 veröffentlichte Fernand Navarra das Buch «Ich fand Noahs Arche», in dem er nicht nur behauptete, den Ararat bestiegen und die Arche gefunden zu haben, sondern sogar einen Holzbalken als Beweis mitbrachte. Das Stück Holz stellte sich als Fälschung heraus, doch der Mythos der wiedergefundenen Arche blieb. Seitdem erscheinen in schöner Regelmässigkeit Berichte über den neuerlichen Fund der Arche, allerdings bislang ohne Beweise. Die Lage des Ararat in der Türkei und inmitten eines militärischen Sperrgebiets erhöhen die Faszination noch.

Tatsächlich spricht die nicht entdeckte Arche weder für noch gegen die Historizität der Sintflut und schon gar nicht gegen die Bibel insgesamt. Allerdings ist ein zu schnelles Hoffen auf wissenschaftliche Unterstützung in Glaubensdingen selten hilfreich. Die Bibel steht nicht im Widerspruch zu historischen Erkenntnissen, aber sie erhält dadurch auch nicht ihren eigentlichen Wert.

Kleinarbeit statt grosser Schritte

Insgesamt unterscheidet sich die öffentliche Wahrnehmung der biblischen Archäologie stark von deren Realität. Während in christlichen Medien immer wieder berichtet wird, dass sensationelle Funde die Wahrheit der Bibel belegen würden, betonen säkulare Medien immer wieder, dass die Archäologie nun endgültig bewiesen hätte, dass in Wirklichkeit alles ganz anders war. Beides geht an der Wirklichkeit vorbei. Die Qumran-Funde von 1947 mögen das verdeutlichen. Es dauerte eine Weile, bis sie als historisch relevant anerkannt wurden. Weitere Funde folgten bis 1956. Sie wurden gesammelt, gekauft, katalogisiert, irgendwann einmal der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und erforscht.

Das dauert bis heute an, denn es dreht sich um 900 Handschriften aus 80'000 kleineren und grösseren Textfragmenten. Das Sprichwort sagt: Der Teufel liegt im Detail. Dem würden die Bibelarchäologen widersprechen: Für sie liegt der Segen im Detail. So werden Texte gepuzzelt, Keramikscherben zusammengesetzt und Informationen aus verschiedensten Fundstellen miteinander in Beziehung gesetzt. Kein Archäologe wird das Tagebuch von Petrus finden, in dem er sein Unterwegssein mit Jesus minutiös aufgeschrieben hat, trotzdem helfen die zahlreichen archäologischen Funde dabei, den Alltag zur Zeit von Jesus zu verstehen und genauso die Zeit von König David. Dabei werden viele Fragen beantwortet und noch mehr bleiben offen. Trotzdem ergibt sich aus diesen zahllosen Mosaiksteinen ein immer vollständigeres Bild.

Als Martin Luther im 16. Jahrhundert die Bibel übersetzte, war er auf zeitgenössische Informationen von Juden und wenige historische Forschungsergebnisse angewiesen. Heute haben alle, die es interessiert, wesentlich bessere Möglichkeiten, denn die Schätze der Bibelarchäologie sind keine Geheimnisse, sondern fliessen direkt in das verfügbare Wissen ein – mehr noch: Sie stärken diejenigen im Glauben, die mehr suchen als «Silber und Gold».

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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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