Sozialberatung Frutigland

Hilfe von Mensch zu Mensch

Als alleinerziehende Mutter von drei Kindern war Jennyfer Schranz einst selbst auf Hilfsangebote wie «Tischlein Deck Dich» angewiesen. Inzwischen lebt die 51-Jährige in stabilen Verhältnissen und leitet die Sozialberatung Heilsarmee Frutigland.
Jennyfer Schranz (Bild: Florian Wüthrich)

Warum braucht es eine kirchliche Sozialberatung im ländlichen Raum?
Jennyfer Schranz: Die kirchliche Sozialberatungsstelle macht als Auffangnetz des Sozialsystems absolut Sinn. Ich habe im Frühling 2020 im Rahmen meiner sozialpädagogischen Ausbildung eine Diplomarbeit über die verdeckten Nöte in Berggebieten verfasst. Dabei habe ich insbesondere «meine» Region, das Frutigland, untersucht. Die Recherchen haben klar gezeigt, dass in Berggebieten besonders oft Nöte verdeckt bleiben. An manchen Orten funktioniert die Dorfgemeinschaft noch fast wie eine Familie; man will die Probleme selbst lösen und nicht öffentlich preisgeben. Erst wenn das innere System komplett am Anschlag läuft, holt man sich Hilfe von aussen.

Die Sozialberatungsstelle der Heilsarmee Frutigland gibt es erst seit Mai 2020. Waren Ihre Erkenntnisse ein Grund dafür, dieses Angebot zu lancieren?
Die Diplomarbeit war bestimmt ein Faktor. Zusätzlich stieg der Pegel der Not durch die Coronasituation. Uns hat in die Hände gespielt, dass wir als Heilsarmee Geld von der Glückskette erhielten, um zum Beispiel Schnellhilfe für kleine KMUs zu leisten oder Menschen zu helfen, die plötzlich ohne Job dastanden. Durch die neuen Nöte während der Pandemie war die Legitimation höher, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Wie lautet Ihre Botschaft an Menschen, die sich für ihre Not schämen?
Wo immer Sie im Alltag stehen – Sie sind willkommen und dürfen sein, wie Sie sind! Im Zentrum steht die Hilfe von Mensch zu Mensch. Wenn jemand nichts mehr zu Essen hat, weil er das Geld falsch oder vielleicht für Alkohol ausgegeben hat, leistet die Sozialberatung der Heilsarmee trotzdem Nothilfe. Egal, was Sie gerade durchmachen, Sie werden bei mir mit Respekt behandelt. Wir begegnen einander auf Augenhöhe.

Wie funktioniert dieses Hilfsangebot genau?
Ich bin an zwei Tagen in der Woche in Frutigen tätig, den Rest der Woche arbeite ich in der Sozialberatung & Passantenhilfe in Biel. Am Montag und Dienstag ist das Büro der Sozialberatung Frutigland offen. Man kann direkt an der Tür klingeln, anrufen oder mir in einer WhatsApp-Nachricht das Anliegen schildern. Sehr oft mache ich auch Hausbesuche, was in Berggebieten besonders wichtig ist. Für viele Menschen ist die Hemmschwelle sehr gross, in ein Büro zu gehen, um Hilfe zu holen.

Was motiviert Sie für diese Arbeit?
Wie bei vielen Mitarbeitenden in der Heilsarmee ist auch meine Grundmotivation der christliche Glaube. Jesus schenkte mir vor 17 Jahren Wiederherstellung, als mein Leben kaputt und unreparierbar schien. Seither ist es meine tiefe Überzeugung, dass mit ihm Hilfe möglich ist und dass es keine ausweglose Situation gibt.

Haben Sie heute schon eine gute Tat vollbracht, Frau Schranz?
Das merke ich oft gar nicht, aber eine Mutter, die in der Schwangerschaft gerade am Limit ist, rief mich an. Nach dem Gespräch sagte sie, ich hätte ihr den Tag gerettet, weil ich ihr zugehört habe.

Kontakt
Sozialberatung Heilsarmee Frutigland, Kanderstegstrasse 49, 3714 Frutigen
Tel. 076 462 12 61, Mail: sozial.frutigland@heilsarmee.ch, 
Webseite: frutigland.heilsarmee.ch/sozialberatung
Beratungstermine nach Vereinbarung. Montag und Dienstag: 8.30–12 Uhr und 14–17.30 Uhr

Lebensmittelabgabe des «Tischlein Deck Dich»: Freitag, 13.30 Uhr

Dieser Artikel erschien zuerst in den Hope-Zeitungen von Livenet, beispielsweise in der Hope Frutigland.

Zum Thema:
Heilsarmee-Offizier Nicolas Riard: «Ich konnte mich in der lokalen Sozialhilfe engagieren»
Von der Drogistin zum Job Coach: Menschen ermutigen, ihr Potential zu entdecken
Ex-Feuerwehrmann: «Es ist einfach ein Segen, Menschen helfen zu können»

Datum: 15.11.2021
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Hope Frutigland

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung