David Ashcraft: «Gott hat keinen Plan B»

David Ashcraft (66) ist der neue Leiter des Global Leadership Network von Willow Creek.
Der neue Vorsitzende des Netzwerks von Willow Creek, David Ashcraft, war gerade in Deutschland. Wer ist der «Neue», der für die Arbeit des «Global Leadership Network» in 130 Ländern verantwortlich ist? Ein erster Eindruck von Hauke Burgarth.

Willow Creek kann vieles, aber klein kann das weltweite Netzwerk der Chicagoer Megachurch nicht. Dachte ich. Doch das ist nicht ganz richtig, denn als Willow Creek Deutschland am Samstag, den 9. September zu einem Pastorentreffen mit David Ashcraft (66) einlud, stand der amerikanische CEO höchstpersönlich an der Tür, begrüsste die überschaubare Zahl der Teilnehmenden lächelnd per Handschlag und stellte sich selbst vor: «Hello, I’m David!»

Schnell wurde deutlich, dass hier nicht nur der seit Juni amtierende Leiter des «Global Leadership Network» stand (früher «Willow Creek Association»), sondern jemand, der nahbar war und sich für seine Besucher interessierte. Mehrmals sagte er während der gemeinsamen Zeit in die Runde: «Was ihr tut, hat Bedeutung!»

«Ich wollte nie Pastor sein ...»

David Ashcraft kam 1957 als Pastorenkind in Texas zur Welt. Er liebte seine Familie und seine Gemeinde und wusste schon sehr früh: «Ich werde nie ein Pastor.» Denn natürlich bekam er durch seinen Vater und dessen 1’500-Mitglieder-Gemeinde in Dallas bald mit, welche Schattenseiten der Beruf hat. Stattdessen studierte er Jura und Wirtschaft und hatte das Ziel, Rechtsanwalt zu werden, doch noch vor dem Ende seines Studiums sattelte er auf Theologie um. Kinder- und Jugendcamps hatten sein Leben und seinen Glauben entscheidend beeinflusst, deshalb entschied er sich dafür, solche Camps zu verantworten.

David wusste: Dafür muss man nicht predigen. Zwölf Jahre lang arbeitete er so in Texas, dann hatten seine Frau Ruth und er den Eindruck, dass etwas anderes dran wäre, doch dieses andere musste für sie in Texas liegen. Zwei Jahre lang bewarb er sich in den verschiedensten Gemeinden – nichts passte. Irgendwann erklärte er Gott dann: «Wenn es unbedingt sein muss, gehe ich auch woanders hin, aber das musst du mir schon deutlich machen.» Genau das tat Gott, als keine zwei Wochen später eine Anfrage aus Manheim kam, einem kleinen Ort in Pennsylvania. Die Gemeinde dort schien das Herz auf dem rechten Fleck zu haben. Sie wünschten sich, dass Menschen zum Glauben kommen – was natürlich jeder sagt und damit etwas anderes meint. Familie Ashcraft zog also weit nach Nordosten und David wurde «Hauptpastor» einer Kirche, was nicht besonders aufregend war, weil er bei 150 Mitgliedern auch der einzige Pastor war. Nun begann eine herausfordernde Zeit.

... aber es war ein Segen

Selbst nach konservativen texanischen Massstäben war die Gemeinde in Manheim sehr traditionell. Der Gottesdienst wurde von einer Orgel dominiert und das Tragen von Krawatten war für Männer ein ungeschriebenes Gesetz. David wünschte sich Leben und Veränderung. Er wollte eine Gemeinde, in die die anderen Bewohner der Kleinstadt auch gern kämen. Deshalb brachte er Stück für Stück Änderungen ein, immer mit der Frage im Kopf: «Trägt das, was wir hier tun, dazu bei, dass Menschen Jesus kennenlernen?»

Tatsächlich kamen Leute zum Glauben und die Gemeinde wuchs. Gleichzeitig verliess ein Ältester nach dem anderen die Leitung – so hatten sie sich ihren neuen Pastor nicht vorgestellt. Und ein älteres Gemeindemitglied mit Namen Abe verfasst Woche für Woche einen offenen Brief, in dem er für alle auflistete, was David seiner Meinung nach wieder verkehrt gemacht hätte. Fast fünf Jahre lang dauerte dieser Zustand und David war mehr als einmal versucht zu sagen: «Wahrscheinlich beruft mich Gott woanders hin…», doch schon bei ihrem Umzug hatte er Gott versprochen, nicht wegzulaufen, und seine Frau Ruth ermutigte ihn regelmässig: «Ich glaube an dich – und Gott tut das auch.» Am Ende der fünf Jahre trafen sich 2'000 Menschen in der kleinen Kirche, die samstags und sonntags deshalb mehrere Gottesdienste anbieten musste. Sie bauten also an. Als 6'000 Menschen kamen – in Manheim selbst lebten damals nur 4'000 –, verweigerte die Stadt ihnen einen weiteren Neubau.

«Etwas Besseres hätte uns nicht passieren können», lächelt David heute. Seit einer Weile besuchte er mit Leitenden aus der Gemeinde bereits Gottesdienste und Konferenzen von Willow Creek, um dort Inspiration zu gewinnen. Gemeinsam entschieden sie, eine «Multisite Church» zu werden, eine Gemeinde mit mehreren Standorten. Heute hat die LCBC («Lives Changed By Christ», Leben verändert durch Christus) 22'000 Mitglieder an 19 Standorten in Pennsylvania. «Ohne Abe und seine Kritik, die mich immer wieder gezwungen hat, mich auf das zu fokussieren, was wirklich wichtig ist, wäre es nie so weit gekommen», gibt David freimütig zu.

«Ich will nicht alle Menschen glücklich machen»

Ein wichtiges Anliegen in seiner Gemeindearbeit war ihm von Anfang an, nicht alles mögliche Gute zu tun, sondern das Beste, und immer wieder einen Fokus darauf zu legen, was nur eine Kirche tun kann: Menschen zum Glauben führen und in der Nachfolge stärken. Zu Beginn war die Versuchung gross, Programme anzubieten, die irgendwie attraktiv waren, doch die Gemeinde beschränkte sich auf die Einladung zu Jesus.

Später, als die Gemeinde gewachsen war, suchten viele den Schulterschluss und wollten Unterstützung in Kampagnen gegen Alkohol oder für die Stärkung von Familien; immer wieder kamen Fragen wie: «Brauchen wir als Gemeinde nicht eine Suppenküche, um Ärmeren zu helfen?» David lernte zusammen mit seiner Gemeinde, es nicht allen recht machen zu wollen. Er verärgerte Menschen, weil er solche guten Anliegen ablehnte, um die in seinen Augen besseren Anliegen umzusetzen. Sie überliessen Politik den Politikern, ermutigten aber Gemeindemitglieder, sich privat dort einzubringen, und sie gründeten weder karitative noch seelsorgerliche Anlaufstellen: Dafür verwiesen sie auf andere Organisationen und unterstützten diese.

Mit einem breiten Lächeln erklärt David: «Es gibt wohl keinen Pastor, der den Vorwurf noch nie gehört hat, nicht tief genug zu predigen. Ich predige nicht tief. Mein Fokus liegt auf Verständlichkeit und Veränderung. Ich lade Menschen zu Jesus ein.» In diesem Zusammenhang war die Covid-Pandemie laut David sogar ein Segen. Sie unterbrach einige Aktionen, «die man eben so machen muss», und plötzlich wurde klar: Man kann sie auch bleiben lassen.

Gott hat keinen Plan B

Inzwischen ist David Ashcraft im Ruhestand. Sein grösster Wunsch dabei war, dass die Gemeinde in Manheim ohne ihn schneller und besser wachsen würde als vorher. Dafür arbeitete er jahrelang und wenn er heute auf Jason Mitchell schaut, der seit über 20 Jahren in der Gemeinde ist und seine Nachfolge angetreten hat, dann freut er sich, dass dieser Wunsch in Erfüllung gegangen ist. Nebenbei sind alle 19 Gemeindestandorte schuldenfrei.

David ist noch einen Tag pro Woche im Auftrag der Gemeinde unterwegs, um ein Pastorennetzwerk in Pennsylvania zu unterstützen. Seine freundliche und gleichzeitig fokussierte Art haben sicher dazu beigetragen, dass die LCBC «die grösste Gemeinde ist, von der noch niemand gehört hat». Tatsächlich gehört sie zu den zehn grössten US-Megakirchen, doch ist sie weder durch Skandale noch das Geltungsbedürfnis ihres Leiters aufgefallen. «Ich führe seit Jahren ein Tagebuch und halte mir damit ehrlich einen Spiegel vors Gesicht», meint David, «ausserdem haben mir meine Frau und die Ältesten der Gemeinde geholfen, auf dem Boden zu bleiben.» Seine Frau war es auch, die meinte, dass er nicht unbedingt als Rentner zu Hause herumsitzen müsste.

Als Willow Creek ihn fragte, ob er sich die Leitungsaufgabe im «Global Leadership Network» vorstellen könnte, sagte er deshalb gerne zu. Mit seiner Botschaft und seiner Persönlichkeit unterstreicht er seitdem: «Gemeinde ist Gottes Plan, um die Welt zu erreichen – und er hat keinen Plan B.» Dabei kommen sowohl die Erfahrungen in seiner Grossgemeinde mit 22'000 Mitgliedern zum Tragen wie auch seine schwierigen kleinen Anfänge mit viel Gegenwind. «Man kann auf jedem Level daran arbeiten, dass Menschen Jesus kennenlernen, im Glauben wachsen und Gottes Plan vor Ort umsetzen.» Dafür will David Ashcraft Pastoren, Gemeindeleiterinnen, Mitarbeiter und Verantwortliche gewinnen und ausrüsten und sagt ihnen wieder und wieder: «Was ihr tut, hat Bedeutung!»

Ein Element solcher Zurüstung kann der Leitungskongress 2024 in Karlsruhe sein, der vom 7. bis 9. März 2024 unter dem Motto «Hope» stattfinden wird. Es wird ihn auch dezentral an zehn Übertragungsorten geben. Bis 30. September gilt hier noch der Frühbucherpreis...

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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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