«Christen sollen Profil zeigen»
Heiner Studer, alt Nationalrat und ehemaliger Präsident der EVP Schweiz aus Wettingen AG.
Livenet: Was war für Sie das Highlight des letzten Jahres?
Heiner Studer: Politisch und gesellschaftlich war für mich das Highlight, dass die eidgenössischen Räte einer umfassenden Revision des Zivildienstgesetzes zustimmten. Der Zivildienst, welcher erst seit 1996 eingeführt ist, ist zu einer unverzichtbaren Einsatzmöglichkeit für junge Männer geworden. Er geniesst breite Anerkennung. Zahlreiche Einsatzbetriebe könnten viele Aufgaben nicht im heutigen Sinne leisten. Aufgrund dieser Revision erhalten zum Beispiel Zivildiensteinsätze in den Schulen eine gesetzliche Grundlage. Junge, aufgestellte Männer in der Schule sind eine grosse Bereicherung für die Kinder, eine Entlastung für die Lehrkräfte sowie sinnvoll für die Einsatzleistenden. Der Zivildienst ist für mich ein Lebensthema. Ich engagierte mich lange Jahre für die Einführung. Es war ein mühsamer Kampf. Dank meiner Motion wurde für die Zulassung zum Zivildienst die Gewissensprüfung abgeschafft und der Tatbeweis eingeführt.
Was sind Ihrer Meinung nach im neuen Jahr besondere Chancen und Herausforderungen für uns Christen?
Jedes Jahr bietet uns Christen vielfältige Chancen und Herausforderungen. Nachdem Volk und Stände am 14. Juni 2015 leider einer Änderung der Bundesverfassung zustimmten, welche bei der Fortpflanzungsmedizin die Einführung der Präimplantationsdiagnostik möglich macht, wurde unter der Federführung der EVP erfolgreich das Referendum gegen die sehr liberale Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes ergriffen. Vermutlich am 5. Juni 2016 stimmen wir als Volk darüber ab. Diese Abstimmung wird zeigen, ob Lebensschutz im umfassenden Sinne und der Schutz behinderter Menschen genügend Unterstützung erhält. Bereits am 28. Februar 2016 können wir durch unsere Zustimmung zur Volksinitiative der CVP, welche sich gegen die Heiratsstrafe richtet, ein Zeichen setzen. Mit dieser Volksinitiative wird klar festgehalten, dass es um die Ehe zwischen Frau und Mann geht. Diese darf nicht benachteiligt bleiben.
Welche Herausforderung wartet 2016 voraussichtlich auf Sie persönlich?
Da ich AHV-Bezüger bin, ist es mir wichtig, dass ich meine Mandate und Vorstandsämter weiter reduzieren kann. Ein politischer Mensch werde ich immer bleiben. Bei den politischen Fragen bin ich glücklicherweise in der Lage, nicht mehr zu allem und jedem eine Meinung haben zu müssen und diese wennschon nicht mehr überall in der Öffentlichkeit vertreten zu müssen. Ich kann meinen politischen Einsatz auf diejenigen Themen konzentrieren, die mir besonders wichtig sind. Als Christen sind wir Staatsbürgerinnen und Staatsbürger; in dieser Funktion werden wir immer zur Stellungnahme herausgefordert sein. Zumindest sollten wir alle an Abstimmungen und Wahlen teilnehmen. Als ich jung war, wurde ich von politischen Persönlicheiten wie dem langjährigen Nationalrat Willy Sauser gefördert. Er war mehr als 40 Jahre älter als ich; da er ein hohes Alter erreichte, verband uns eine mehr als 35-jährige Freundschaft. Einer meiner Schwerpunkte im kommenden Jahr wird es weiterhin sein, junge Christen für die Mitverantwortung in der Politik zu motivieren und sie zu fördern. Dies ist eine besondere gegenseitige Bereicherung. Und anfangs Jahr erwarten meine Frau und ich unser drittes Enkelkind. Dies ist eine Herausforderung besonderer Art.
Zum Stichwort Flüchtlingsproblematik und Terror: Wie ist Ihre Position bei diesem Thema?
Unser Land ist polarisiert. Dies spürt man auch im christlichen Bereich. Dass wir Christen in gesellschaftlichen Fragen nicht immer gleich denken und handeln, ist verständlich. Doch wäre es in zentralen Fragen wichtig, Profil zu zeigen. Ein zentrales Anliegen ist mir der Lebensschutz von der Zeugung bis zum Tod. Dazu gehört nicht nur der Anfang und das Ende des Lebens. Zum Lebensschutz gehört für mich zum Beispiel auch der grösstmögliche Verzicht auf Waffenexporte.
Zum Thema:
Dossier Neujahrsserie 2016: Vier Fragen an...
Datum: 09.01.2016
Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet