Die Wurzeln des Antisemitismus

Giuseppe Gracia
Anlässlich seines neuen Buches spricht der Autor Giuseppe Gracia im Livenet-Talk über Antisemitismus, die Geschichte des Judentums und darüber, dass sich viele Menschen mit Gottes Erwählung schwertun.

Im Alltag begegnen Livenet-Moderator Ruedi Josuran zwei Themen, welche zu emotionalen Gesprächen führen. Da ist einerseits noch immer das Thema rund um Covid und andererseits Israel. Das zweite Thema liegt ihm besonders nahe – aufgrund von Gesprächen mit Holocaustüberlebenden oder seinem Aufenthalt in einem Kibbuz.

Das Thema Israel ist spannungsgeladen und zuweilen kostet es eine Portion Mut, sich öffentlich dazu zu äussern. Im Livenet-Talk ist jemand zu Gast, der dies gemacht hat und dafür auch Kritik einstecken musste: Giuseppe Gracia. Jüngst schrieb er ein Buch mit dem Titel «Wenn Israel fällt, fällt auch der Westen».

Über das Wesen von Antisemitismus

«Selbstverständlich ist Kritik am Israelischen Staat nicht zwangsläufig Antisemitismus. Dennoch fällt auf, wie negativ Israel in Westeuropa im Vergleich zu allen anderen Staaten, die in Konflikte involviert sind, beurteilt wird.» Für Giuseppe ist Antisemitismus irrational und er begann zu diesem Phänomen zu recherchieren. Dabei stellte er fest, dass es fast so alt ist wie das Judentum. «Der Hass aufs Judentum und der Wunsch, Juden loszuwerden, zu vernichten und zu verfolgen ist fast 3'000 Jahre alt.» 

Das führte zu Fragen, denen Giuseppe während Jahren nachging. Die Idee, dass die Juden Blutsauger und die Bösen sind, sei so alt, wie der Glaube, dass Juden im Hintergrund das ganze Weltgeschehen lenken. In der Folge wurden Juden im Glauben umgebracht, damit so der Grund allen Übels beseitigt würde. Dies habe sich in der Geschichte ständig wiederholt.

Die Geburtsstunde des Antisemitismus

Immer wieder wurde dem kleinen Volk der Juden die Schuld für das Böse in der Welt zugeschoben und die Lösung in der Vernichtung der Juden gesehen. Trotzdem gibt es die Juden noch immer. In den vergangenen 3'000 Jahre sind viele Völker verschwunden, doch die Juden blieben – trotz allen Verfolgungen. «Für mich hat das mit Gott zu tun», sagt Giuseppe Gracia. «Gott hat die Juden auserwählt, deshalb sind sie noch da.» 

Genau hier reklamieren viele reflexartig, dass sie sich an diesem Auserwähltsein stören. «Genau dieser Reflex ist für mich die Geburtsstunde des Antisemitismus.» Gottes Erwählung von Israel ist eine Provokation für alle anderen Völker. Dass beim Stichwort Israel Emotionen hochgehen, ist für Giuseppe ein Zeichen, dass Israel kein normales Land ist.

Darf man die Regierung Israels kritisieren?

Giuseppe hält fest, dass man die Erwählung Israels und die Entscheide der Regierung voneinander trennen müsse. «Die Regierung ist die Regierung und wie jede Regierung macht sie Fehler.» Das dürfe man kritisieren, dies sei kein Antisemitismus. «Antisemtismus beginnt dort, wo ich in Bezug auf Israel Standards anwende, die ich auf alle anderen nicht anwende.» Heute beobachtet Giuseppe eine verbreitete Doppelmoral. Die Werte, mit welchen wir uns beispielsweise hinter die Ukraine stellen, gelten für Israel nicht – im Talk führt er dies aus. Gerade durch öffentlich-rechtliche Sender werden diese Gedanken verbreitet, wodurch viele Menschen manipuliert würden.

Judentum verhindert eine globale Neuordnung

«Wenn du eine andere Welt als die heutige westliche Zivilisation erschaffen willst, musst du zuerst die Juden wegbringen.» Giuseppe erklärt, dass das Judentum den Boden des Christentums bildet und das Christentum den Boden der Menschenrechte. Dies sei eine vereinfachte Darstellung, aber im Prinzip treffend. Nun gäbe es heute ein Bestreben nach einer neuen Art von Zivilisation – und da stünden nun die alten Werte im Weg. «Und hierzu müssen sie zuerst das Judentum wegbringen. Sie müssen.» Giuseppe erwähnt Bestrebungen der «Woken», aber auch die Utopien, wie sie beispielsweise am WEF propagiert werden. Ihnen allen stehen die Juden und deren Weltanschauung entgegen.

Das Heil kommt von den Juden

Das Judentum ist der Boden des Christentums. Die Bibel sagt, dass das Heil von den Juden kommt, ohne sie gäbe es kein Christentum. Letzteres kann nicht richtig verstanden werden, ohne dass wir die jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens verstehen. «Je älter ich werde, desto mehr wird mir dies bewusst.» Giuseppe Gracia betont den Reichtum, den er in der jüdischen Weisheit entdeckt hat. «Wir müssen Israel nicht nur als Land, sondern auch als spirituelle Grösse verstehen.» Der Staat Israel sei der Schutzraum der Juden. «Und seit dem Zweiten Weltkrieg wissen wir, dass dieser Schutz nötig ist.»

Zusammenhänge verstehen und Kritik einstecken

Im Talk erläutert Giuseppe in kurzen Worten, welche komplexeren Zusammenhänge man in der Diskussion um Israel berücksichtigen muss. Er bemängelt beispielsweise, dass eine 3’000-jährige Geschichte mit einem simplen marxistischen Narrativ erklärt werden will. Und auch die geistlichen Aspekte müssten berücksichtigt werden, um zu verstehen, weshalb eine Zweistaatenlösung zwar aus westlicher Sicht eine Lösung ist, jedoch nicht für einen Muslim. Muslime seien nicht käuflich, sondern beriefen sich auf ihren Anspruch, den sie von Gott erhalten zu haben überzeugt sind.

Am Ende des Gesprächs berichtet Giuseppe von den ersten Reaktionen auf sein Buch. Neben vielen äusserst positiven Rückmeldungen gab es auch zu seinen Aussagen klare Ablehnung. Obwohl er sich bewusst ist, dass er sich durch solche Bücher ins berufliche Aus befördert, will er sich nicht von Angst leiten lassen. Und letztlich sei der Triumph des Bösen immer erst aufgrund des Schweigens der Masse möglich.

Sehen Sie sich hier den Talk an:

Zum Buch:
Wenn Israel fällt, fällt auch der Westen von Giuseppe Gracia

Zum Thema:
Dossier: Livenet-Talk
«Zivilisatorischer Vatermord»: Was ist die Wurzel des Judenhasses?
Der letzte Feind: Neues Buch von Giuseppe Gracia

Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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