Bichermüsli ist von der Bibel inspiriert

Maja Schmid-Bircher und ihr Mann Johannes Heinrich «Heini» Schmid
Das Birchermüesli hat einen festen Platz auf den internationalen Brunch-Buffets. Das vor über 100 Jahren von Dr. med. Max Bircher entwickelte Müesli ist von der Bibel inspiriert, wie seine Enkelin Dr. med. Maja Schmid-Bircher erzählt.

Dr. med. Maximilian Oskar Bircher-Benner (1867-1939) erfand das Müesli um 1900 und wollte seinen Patienten damit eine Vollwertdiät schmackhaft machen. Mit seiner ursprünglich «d’Spys» («die Speise») genannten Nahrung, gilt Max Bircher-Benner als Pionier der Vollwertkost. Für das Reiben der Äpfel hat Max Bircher-Benner 1926 die Original Dr. Bircher-Raffel herstellen lassen. Neben dem Birchermüesli hat er noch weitere Müesliarten erfunden. Es war Teil seiner Rohkost-Diät zur Behandlung seiner eigenen Beschwerden und von Problemen. Auch die ganze Therapie mit Kaltwasser, wie sie Kneipp anwendete, waren wichtige Seiten seiner Therapie. Dazu: Früh Aufstehen um 6.00 Uhr und früh zu Bett gehen um 21.00 Uhr und Morgenspaziergänge. Eiserner Bestandteil jeder Kur waren vor dem Frühstück die Morgenspaziergänge im nahen Wald oder das Morgenturnen. 

Heute essen viele Menschen das Müesli zum Frühstück. Dass es zu einem Welthit avancieren würde, konnte der Arzt nicht ahnen. Das Müesli sollte unter anderem dazu beitragen, die Verdauung der Patienten zu verbessern. Es wurde deshalb in seinem 1904 am Zürichberg gegründeten Sanatorium «Lebendige Kraft» zweimal am Tag verabreicht. Auch prominente Patienten, wie Hermann Hesse, Thomas Mann oder Rainer Maria Rilke suchten die Bircher-Klinik auf. Da das Sanatorium vor allem von reichen Ausländern besucht wurde, gründeten die späteren Mitarbeiter das «Volkssanatorium». Heute existieren diese Kliniken nicht mehr, aber die wichtigen Ernährungsgrundlagen haben sich fast überall durchgesetzt.

Paradiesisches Birchermüesli

Dr. med. Maja Schmid-Bircher ist die Enkelin des Arztes Dr. Bircher-Benner. Auch ihr Vater Dr. med. Willy Bircher-Schwarzenbach war bis kurz nach dem 2. Weltkrieg Chefarzt im Sanatorium. Sie erinnert sich, wie ihr Grossvater auf die Idee der Rohkost kam: «Seine Frau las ihm immer aus der Bibel vor. Darin wird der Garten Eden beschrieben, wo sich Adam und Eva von Früchten und Rohgemüsen ernährten. Das hat ihm Eindruck gemacht.» Zur Erneuerung der damaligen Ernährungsgewohnheiten war für ihn das Bibelwort aus 1. Mose Kapitel 1, Vers 29 massgebend: «Und Gott sprach: Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen.» Im Bircher-Benner Originalrezept wurden Samen (Haferflocken) mit etwas Zitronensaft und gezuckerter Kondensmilch vermischt. Da hinein wurde der ungeschälte Apfel auf der Bircher-Raffel geraffelt, damit es schön weiss aussieht. Ab den 1940er- und 1950er-Jahren wurde das Birchermüesli in Schweizer Privathaushalten regelmässig zum Morgenessen aufgetischt. Es war auch in vielen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Internaten oder auch Klöstern als vollwertige Speise zu finden. Beim Militär und in Gefängnissen wurde das sättigende und gesunde Müesli zu einem wichtigen Bestandteil des täglichen Speiseplans.

Das Müesli erobert die Welt

Je mehr sich das Müsli verbreitete, desto mehr verlor es das Siegel der Diätnahrung aus dem Sanatorium. Es wurde generationsübergreifend zu einem selbstverständlichen, leckeren und gesunden täglichen Begleiter von Jung und Alt. Spätestens seit 1980 wurde Müesli zum Ausdruck einer Lebenseinstellung. Immer mehr Menschen entdeckten für sich, welches Potenzial in diesem Gericht steckt. Überall entstehen neue Zusammensetzungen, die ganz individuell gestaltet sind. Müesli lässt sich in vielen Geschmacksrichtungen kreieren. Es ist nicht nur vegetarisch, sondern kann auch vegan zubereitet werden. Es passt zum modernen Zeitgeist, welcher durch ökologisches Bewusstsein, gesunde Lebensweise und Nachhaltigkeit geprägt ist. Das Müesli bietet dafür die besten Voraussetzungen. Hier finden wertvolle Getreideprodukte aus aller Welt ebenso ihren Platz wie regionales Obst und naturbelassener Honig.

Enkelin profitiert bis heute von gesunder Ernährung

Auch Maja Schmid-Bircher bildete sich zur Ärztin aus. Doch hat sie nie in der Klinik gearbeitet, sondern machte ihre Ausbildung für die geplante Missionstätigkeit mit ihrem Mann. Die beiden haben sich nämlich in der Bibelgruppe während dem Studium kennengelernt. Johannes Heinrich «Heini» Schmid ist in Affoltern a. A. als Sohn eines Chrischona-Pastors aufgewachsen. Nach seiner theologischen Ausbildung leistete er vier Jahre Missionsdienst für die Schweizer Allianz-Mission in Angola und war dann 15 Jahre im Pfarramt in Hauptwil TG. Seine Dissertation schrieb er über das Existenzdenken von Sören Kierkegaard. 1978 habilitierte er sich in Systematischer Theologie und lehrte danach fünf Jahre als Privatdozent und 13 Jahre als Honorarprofessor an der Theologischen Fakultät der Universität Bern. Er ist Mitbegründer der AfbeT (Arbeitsgemeinschaft für biblisch erneuerte Theologie) und Autor zahlreicher theologischer Bücher. 

Aus ihrer Ehe entsprangen vier Söhne, wovon drei den theologischen Weg eingeschlagen haben. Heute ist Maja 98 Jahre und Heini 99 Jahre alt. Sie leben mehr als 50 Jahren im eigenen Haus und sind über 70 Jahre verheiratet. Ihr Erfolgsgeheimnis für ein langes Leben ist ganz vom Bircher-Erbe beeinflusst, so Maja: «Wir geben acht auf die Gesundheit, essen wenig Fleisch und dafür täglich Früchte und Rohkost. Wenn möglich sorgen wir für Bewegung im Freien, die heute aber merklich langsamer ist als früher. Dass wir geistig noch lebendig sind, ist vor allem ein Geschenk unseres Gottes.» Was sagt der Theologe Heini Schmid zum Hinweis, dass das Alter des Menschen gemäss der Bibel (1. Mose Kapitel 6, Vers 3) 120 Jahre sein soll? «Zuerst will ich mal 100 Jahre alt werden.» Er bestätigt, dass Ernährung ein zentrales Thema in der Bibel ist. 

Kreislauf für Birchers schliesst sich

Das Sanatorium «Lebendige Kraft» – später Bircher-Brenner Klinik gibt es heute nicht mehr. Es erlebte schwierige Jahre im Krieg und ging 1973 in den Besitz des Kantons Zürich über. 1994 wurde sie nach mehreren Chefarztwechseln infolge mangelnder Auslastung geschlossen und das Gebäude 1998 an die Zürich Versicherung verkauft. In Braunwald besteht noch ein medizinisches Zentrum Bircher-Brenner, das vom 70-jährigen Dr. med. Andres Bircher geleitet wird. Weil er keine Nachfolger hat, sagt Maja Schmid-Bircher: «Die Dynastie Bircher ist am Aussterben. Aber das macht nichts, weil sich die gute Ernährung inzwischen etabliert hat. Das Birchermüesli wird noch lange weiterleben.» Zur heutigen Ernährung sagt Maja Schmid-Bircher: «Beim Essen hat sich vieles positiv verändert. Heute wird vor der Hauptmahlzeit selbstverständlich Suppe oder Salat serviert. Das ist ein grosser Fortschritt; das war früher nicht der Fall.»

Dieser Artikel erschien bei Dienstagsmail

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Autor: Markus Baumgartner
Quelle: Dienstagsmail

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