«Gefangene sind unsere VIPs»

Fred Grob mit seiner Frau Marianne
Gefängnisseelsorger Fred Grob bezeichnet sich als «Knastrologe». Seit rund 40 Jahren besucht er in der Schweiz Häftlinge, unter anderem für «Prison Fellowship Schweiz».

«Prison Fellowship wurde 1976 von Charles W. Colson gegründet, einem ehemaligen Mitarbeiter von Ex-Präsident Richard Nixon», erinnert sich Fred Grob im Gespräch mit Livenet. Colson landete selbst wegen einer viereinhalbjährigen Haftstrafe im Zusammenhang mit dem damaligen Watergateskandal hinter Gittern.

Regelmässig geht Fred Grob unter anderem in das Bezirksgefängnis Baden. «Diese Zeit ist strenger als der Normalvollzug, da die Insassen beispielsweise noch nicht arbeiten können.» Die Häftlinge dürfen sich jedoch für die Seelsorge anmelden. So kann der «Knastrologe» regelmässig Menschen hinter Gittern besuchen.

Hunderte Gespräche geführt

«Ich weiss nichts davon, wer die Menschen sind und was sie getan haben», erläutert Fred Grob. «Sie können hinter Gittern nicht viel tun, und sind darum die meiste Zeit in ihrer Zelle.»

85 Prozent der Häftlinge in der Schweiz sind Ausländer. «Da ist es darum von Vorteil, wenn man verschiedene Sprachen sprechen kann. Etwa alle zwei Wochen mache ich solche Besuche zusammen mit einem Pfarrer.»

Fred Grob führte in den vergangenen 40 Jahren mehrere hundert Gespräche mit Gefangenen. «Man führt Gespräche auch mit Menschen, die mit Gott nichts anfangen können. Da bete ich oft zwischendurch leise in meinem Herzen für seine Mithilfe und seine Weisheit. Denn er weiss mehr als ich…»

Liebe für besondere VIPs

«Prison Fellowship» will Gefangene «abholen» und nach Lösungen suchen, «zum Beispiel wo sie nach dem Verbüssen der Strafe wohnen können. Ich erlebte einen Fall, wo ein Gefangener bei uns im 'Hope' (Christliches Hilfswerk in Baden) mit dem gesamten Gepäck abgeladen worden ist. Daraufhin verfasste ich das Buch 'Liebe für Ungeliebte'.»

Mit seinem Team nahm er auch Menschen auf mit Drogen- und Knast-Vergangenheit. «Sie sind unsere VIPs.»

«Ein Mann kam einst nach Hause und erwischte seine Frau mit seinem besten Freund im Schlafzimmer. Er tötete sie daraufhin im Affekt. Ich besuchte ihn eine Zeit lang regelmässig einmal pro Monat.»

Bei «Prison Fellowship» wirken Menschen aus verschiedensten Sprachgruppen mit. «Eine Person schrieb früher auf Spanisch regelmässig Briefe an Todeskandidaten in den USA und macht heute nun mit uns Besuche im Gefängnis.»

«Ich bin nicht von dieser Welt»

Weil er im Voraus nichts über die Gefangenen weiss, ist der erste Besuch ein Kennenlernen. «Für mich ist die Tat nicht das Wichtigste. Aber wenn jemand zu erzählen beginnt, gehe ich natürlich darauf ein. Ich fragte einen Insassen nach seinem Hobby und er sagte, dass er 400 Kakteen besitzt. Er sei aber nicht wegen den Kakteen im Knast, sondern weil er viele Pornobilder von Kindern hatte.» Und der Gefangene gab noch einen weiteren Einblick in sein Leben. «Er sagte, dass er aber nicht von diesem Planeten sei. Ich betete still zu Gott: 'Jetzt bist du wieder dran'. Ich fragte ihn dann, wie es denn auf seinem Planeten sei.»

Ein anderer sagte, dass er in seinem Leben nur Alkohol getrunken und gestohlen hatte. «In seiner Zelle war eine Gideon-Bibel. Ich sagte ihm, dass sich jemand gerade für ihn interessiert. Nämlich Jesus... Ich erklärte ihm, dass die Bibel eine Art Gebrauchsanweisung sei, um Gott näher kennen zu lernen. Weiter erwähnte ich, dass er seine Herzenstür öffnen kann für Jesus und ihm selbst sagen kann, dass er bei ihm Ordnung machen dürfe. Er ging darauf ein und war offen dafür, mit mir zu beten.»

Gute und schwere Momente

Vier Menschen brachten sich leider in diesen vierzig Jahren um. «Das ist schwierig, wenn man sich in Menschen investiert hat und auch sehr schmerzhaft.»

Fred Grob weiter: «Andere aber teilten mit uns für eine gewisse Zeit den Alltag im HOPE und arbeiteten sogar mit. Vereinzelt entstanden daraus wertvolle Freundschaften.»

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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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