Gemeindeforscher Schwarz

«Gottesdienstbesuch verändert sich dramatisch»

Der profilierte deutsche Gemeindeforscher Christian Schwarz stellt weltweit «dramatische» Veränderungen in den Gottesdienst-Gewohnheiten fest. Was empfiehlt er Gemeinden, wenn die Leute viel weniger den Gottesdienst besuchen?
Christian Schwarz (Bild: Wikipedia / Autor: NCD Media)

Christian Schwarz ist seit Jahrzehnten einer der bekanntesten Gemeindeforscher weltweit. Im Interview mit dem Nachrichtenmagazin «idea D» stellt er jetzt fest, dass nicht nur in westlichen Ländern, sondern «auch in Südkorea und in Ost-Malaysia» der Durchschnittschrist viel weniger den Gottesdienst besucht als das noch vor acht Jahren der Fall war. Wer früher vier-oder fünfmal im Monat in den Gottesdienst ging, tut das heute nur noch dreimal. Und wer früher nur einmal im Monat den Gottesdienst besuchte, tut das heute vielleicht nur noch einmal im Quartal.

Anspruchsvollere Christen und verändertes Sozialverhalten

Nach den Gründen befragt, stellt Schwarz einerseits fest, dass «die Qualität des geistlichen Lebens in vielen Gemeinden nicht stimmt». Allerdings wirke die Qualität einer Gemeinde sich nicht mehr so stark auf zahlenmässiges Wachstum aus wie früher. Andererseits seien Christen durch elektronische Medien verwöhnt und seien «gewohnt, mit Smartphone und Internet ständig zu vergleichen und sich stets das herauszusuchen, was sie für 'das Beste' halten.»

Gleichzeitig nehme die Bedeutung «realer» Gemeinschaft mit Menschen, «die man umarmen kann», ab; viele Beziehungen finden über soziale Medien statt. Die Folge: «Anstatt selbst einen Gottesdienst mit dem Ortspfarrer zu besuchen, lädt man sich lieber per Youtube-Video einen Star-Prediger ins Haus. Für das persönliche geistliche Wachstum – zum Teil auch für die eigene Unterhaltung – suchen heute viele nach massgeschneiderten Angeboten», so Schwarz. 

Geistlicher Stil und Leidenschaft

Was können Gemeinden angesichts dieser Schwindsucht tun? Die Arbeit an der eigenen gemeindlichen Qualität ist nach wie vor der entscheidende Faktor, relevant zu bleiben, so Schwarz. Darum ist es nach wie vor wichtig, z.B. anhand von Gemeinde-Diagnosen festzustellen, wo Stärken und Schwächen einer Gemeinde liegen. Damit sei noch kein Problem gelöst, aber wie bei einem Fieberthermometer wisse man mehr über den Zustand der Gemeinde.

Von den bekannten 8 «Qualitätsmerkmalen», die Christian Schwarz in seinen Gemeindebau-Büchern definiert, sei in unseren Breitengraden am häufigsten die «leidenschaftliche Spiritualität» der Minimumfaktor, also die am wenigsten entwickelte Qualität. Eine leidenschaftliche Spiritualität müsse drei Kriterien erfüllen: auf der Bibel gegründet sein, vom Heiligen Geist inspiriert und der Welt zugewandt sein. Wichtig ist nach Schwarz, dass diese Elemente in der richtigen Balance sind.  

Welchen Stil sprechen wir an?

Gemeinden müssten sich aber auch klar darüber werden, ob ihr «geistlicher Stil» zu den Bedürfnissen der Menschen passe, die sie ansprechen wollten. Keine Gemeinde könne alle Stile abdecken und damit «alle Menschen» ansprechen. Darum sei es besser, eine oder zwei Kulturen zu pflegen und zu optimieren und Menschen, die nicht in diese Kultur passen, unter Umständen an die naheliegende andere Gemeinde zu verweisen, die ihrem Stil mehr entspricht. Christian Schwarz hat, um diese Frage zu klären, neun geistliche Stile definiert, die «die vielfältigen Möglichkeiten zum Ausdruck bringen, wie Menschen am besten mit Gott kommunizieren»; diese Stile werden z.B. als «missionarisch», «sakramental», «enthusiastisch»», «sinnlich» oder «rechtgläubig» definiert. Es sei wichtig, die eigene Spiritualität entsprechend seinem Stil auszudrücken; andererseits sei die Interaktion mit anderen Stilen ein Schlüssel zur Entwicklung geistlicher Reife, so Schwarz.

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Datum: 30.01.2020
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / idea D

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