Anzeichen für Gesetzlichkeit
Die meisten reformatorischen Bewegungen der Kirchengeschichte befreiten die Menschen jeweils von ihren eigenen Anstrengungen und machten ihnen deutlich, was Christus bereits für sie getan hatte. Das heisst nicht, dass wir als Christen nichts mehr zu tun brauchen. Aber wir hören auf, um Gottes Gnade zu kämpfen, und sehen das Evangelium mit neuen Augen. Zu allen Zeiten haben sich Christen mit diesem Spannungsfeld auseinandergesetzt. Die Versuchung zu einem gesetzlichen Leben war und ist real. Und der erste Schritt heraus aus Gesetzlichkeit ist immer die Erkenntnis, dass wir darin gefangen sind. Der amerikanische Autor Blaise Foret beschreibt vier Anzeichen dafür, dass wir ein Problem mit Gesetzlichkeit haben.
1. Unsere Handlungen bestimmen, wie geistlich wir sind
Ohne diszipliniertes Leben fällt es uns sehr schwer, etwas zu erreichen. Aber oft scheint unser Wert und Gottes Liebe zu uns davon abzuhängen, ob wir es geschafft haben, morgens in der Bibel zu lesen oder nicht. Ob wir gebetet oder den Gottesdienst besucht haben. Was wäre denn, wenn Gottes Meinung von uns gar nicht von diesen Leistungen abhinge? Was, wenn er das Richtig und Falsch unseres Lebens gar nicht protokollieren würde (wie wir), sondern stattdessen unser Herz ansieht und unser schlichtes Vertrauen auf Christus. Ja, wir sollen weiter in unserer Bibel lesen und beten, aber nicht, damit Gott uns deshalb liebt, sondern damit uns bewusst wird, wie sehr er uns schon vorher geliebt hat.
2. Wir trennen geistliches und natürliches Leben voneinander
Wenn wir uns beim Beten «geistlich» fühlen, aber irgendwie «fleischlich», wenn wir einen Film im Fernsehen schauen oder mit Freunden unterwegs sind, dann könnte das ein Zeichen für Gesetzlichkeit sein. Die Bibel unterstützt die Sichtweise nicht, dass nur fromme Aktivitäten das geistliche Leben ausmachen. Sie sieht alles als geistlich an. Paulus sagt von Christus: «Alles ist durch ihn und für ihn geschaffen.» (Kolosserbrief, Kapitel 1, Vers 16) Auch David betont: «Dem Herrn gehört die ganze Welt und alles, was auf ihr lebt.» (Psalm 24, Vers 1) Egal, was wir tun, es ist eine geistliche Aktivität. Gott ist währenddessen bei uns und liebt uns. Das möchte uns Paulus bewusst machen, wenn er festhält: «Darauf will ich antworten: Was immer ihr tut, was ihr auch esst oder trinkt, alles soll zur Ehre Gottes geschehen.» (1. Korintherbrief, Kapitel 10, Vers 31) Offensichtlich hat Gott auch Freude an unseren «normalen» Aktivitäten, unsere Talente sind ihm genauso wichtig wie unsere Geistesgaben und unsere Lobpreislieder hört er so gerne wie die Arien unter der Dusche. Ist uns das bewusst? Dann ist es ein grosser Schritt heraus aus gesetzlichen Ansichten in die Freiheit des Evangeliums.
3. Wir umgeben uns nur mit «geretteten» Menschen
Oft sind Kirche und Gemeinde für uns die einzigen Orte, an denen wir Gemeinschaft und Freundschaft erfahren. Vor lauter Nachfolge klingt es in unseren Ohren «Niemals zurück, niemals zurück», wenn wir an ein Treffen mit noch nicht Gläubigen denken. Schnell sondern wir uns so ab – und werden dadurch manchmal selbst zu Sonderlingen. Ausserdem richten wir diejenigen, die uns noch nicht so geistlich scheinen wie wir selber. Sicher ist es herausfordernd, tiefe Gemeinschaft mit Menschen zu pflegen, die in grundsätzlichen Fragen eine andere Meinung haben als wir. Aber ist das ein Grund zur Absonderung? Jesus wurde immer wieder beschuldigt, der Freund von Sündern zu sein. Wann hat man uns so etwas das letzte Mal vorgeworfen?
4. Wir werden ständig von unseren Fehlern angeklagt
Wenn wir einen Tag «in den Sand setzen», dann … willkommen im Club. Unsere Fehler haben uns noch nie bestimmt – und sie werden es auch nie tun. Selbst wenn wir uns für totale Versager halten, sieht Gott in uns Gewinner, denn er macht keine Versager. Selbst wenn wir uns für totale Sünder halten, nennt Gott uns Heilige. Als Christus für uns starb und auferstand, erfüllte er seine Aufgabe nicht nur teilweise. Deshalb nennt Paulus die Empfänger seiner Briefe Heilige – egal, was sie auf dem Kerbholz haben. Nicht unsere Gefühle bestimmen, wer wir sind, das Erlösungswerk von Christus bestimmt uns. C.S. Lewis sagte einmal: «Sie sind, was Sie glauben.» Wenn wir davon überzeugt sind, eine Identität als Sünder zu haben, dann werden wir gebunden von Sünde leben. Wenn wir aber hören, was Gott uns zuspricht, dann werden wir bald schon eine Veränderung in unseren Haltungen und Handlungen feststellen. Selbst wenn wir sündigen, kann dies unseren Tag nicht zerstören. Wir kehren um, ändern unser Denken und gehen voran.
Gott will unser Freund sein, egal, wo wir uns auf der Reise unseres Lebens befinden. Lassen wir uns also nie von einer gesetzlichen Einstellung davon abhalten, als reine, geliebte Kinder, zu ihm zu kommen, denen er vergeben hat. Denn genau das sind wir. Gott hält uns unsere Fehler nicht vor – und wir brauchen es auch nicht zu tun.
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Datum: 30.07.2015
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Relevant Magazine