Spannungsfelder in Gemeinden

Eine (un)gesunde Kritikkultur

Der Umgang mit kritisch denkenden Menschen kann herausfordernd sein, während diese das Gefühl haben, dass Probleme verleugnet werden. Und dann gibt es noch die frustrierten Nörgler.
Zwei Männer unterhalten sich

Christliche Gemeinden sind genauso wenig perfekt wie die Menschen, die sie ausmachen. Diese Tatsache ist allgemein anerkannt. Beim Umgang mit Schwächen, Mängeln und sündigem Verhalten, gibt es aber sehr unterschiedliche Einstellungen.

Aufs Positive ausgerichtet sein

Niemand mag die ständigen Nörgler, die immer und überall etwas zu kritisieren haben. Sie ziehen die Stimmung anderer nach unten und tragen mehr zu einem vergifteten Klima bei, als dass sie konstruktiv zu einer Verbesserung beitragen. Als Reaktion darauf glauben dann einige, sich immer nur aufs Positive konzentrieren zu müssen. «Danken schützt vor Wanken und Loben zieht nach oben», wird zitiert und sich in der Folge geweigert, Probleme beim Namen zu nennen.

Eine positive Sichtweise verhilft tatsächlich zu einem guten und fruchtbaren Klima. Und ein ständiges «herumreiten» auf Missständen schadet mehr, als es hilft. Es ist nur so, dass gewisse Probleme sich nicht in Luft auflösen, wenn man sie ignoriert. Ein Totschweigen von offensichtlichen Problemen lässt kritisch denkende Christen zunehmend ihre Stimmen erheben. Diese dann leichtfertig als destruktive Nörgler abzutun, kann zwar verlockend sein, wird aber auf keinen Fall zu einer Verbesserung der Lage beitragen.

Menschen ticken unterschiedlich

Dass wir Menschen verschieden sind und unser Umfeld unterschiedlich wahrnehmen und interpretieren, ist ebenfalls eine allgemein anerkannte Tatsache. Einige denken analytisch und hinterfragen alles. Gewissen Christen fällt es schwer, einen denkenden und hinterfragenden Christen von einem frustrierten Nörgler zu unterscheiden. Beide scheinen eine Gefahr zu sein, die (scheinbare) Harmonie zu zerstören.

Probleme werden auch sehr unterschiedlich gewertet. Nehmen wir an, in einer Gemeinde gibt es zwei Pastoren, die gerade im Streit miteinander liegen. Für einen Christen ist dies eine zwischenmenschliche Sache, die bald geklärt sein wird. Er freut sich sogar darüber, dass der Konflikt nicht künstlich vor der Gemeinde versteckt wird. Ein anderer Christ hingegen analysiert die Gründe des Streits und kommt zum Schluss, dass die dahinterliegenden Probleme die Zukunft der Gemeinde gefährden. Der erste kann nun als naiver und oberflächlicher Christ bezeichnet werden, der sich nicht einmal die Mühe zum Beten nimmt, während der zweite als Schwarzmaler gebrandmarkt wird, der alle runterzieht.

Sich selbst reflektieren

Grundsätzlich können alle Gläubigen, egal ob sie eher analytisch veranlagt oder Optimisten sind, sowohl zum Guten, wie auch zum Schlechten beitragen. Jede Eigenschaft kann für andere zum Segen werden. Das Wesentliche ist die dahinter liegende Herzenshaltung. Deshalb ist es wichtig, sich selbst zu reflektieren.

Wem es schwer fällt, in der Gnade Gottes zur Ruhe zu kommen, sollte mit Kritik zurückhaltend sein und erst einmal die eigene Beziehung zu Jesus klären. Dasselbe gilt für diejenigen, die sich unrecht behandelt fühlen, von Mitmenschen verletzt wurden oder aus irgendwelchen Gründen mit sich selbst unzufrieden sind. Frustrierte Analytiker sind potentielle Giftspeier. Gleichermassen sollte sich auch hinterfragen, wer kritischen Bemerkungen gegenüber dauernd abwehrend reagiert.

Guter Umgang mit Leitern

Manchmal scheint vergessen zu werden, dass geistliche Leiter auch nur Menschen sind. Viele haben Momente der Unsicherheit und reagieren mit Zurückweisung, wenn sie genau dann von einem «Kritiker» an Probleme erinnert werden. Der gutmeinende «Kritiker» kann dies persönlich nehmen und beschliesst, künftig zu besagtem Leiter auf Distanz zu gehen.

Im Umgang mit Leitern, die sich (scheinbar) falsch verhalten oder (scheinbar) falsche Entscheidungen treffen, sind zwei Dinge wichtig zu bedenken. Erstens: Leiter müssen sich vor einem Vorstand und letztlich vor Gott für ihren Dienst verantworten. Zweitens: Es ist ein Ausdruck von Nächstenliebe, einen Leiter auf allfällige Versäumnisse und Fehler aufmerksam zu machen. Dies sollte aber immer auf eine Weise getan werden, die auch für uns selbst annehmbar ist. Auf jeden Fall sollte darauf verzichtet werden, Gleichgesinnte zu suchen, um mit diesen über die Fehler des Leiters herzuziehen. Das hilft letztlich niemandem.

Im Gemeinsam liegt Kraft

Menschen sind unterschiedlich. Wir unterscheiden uns in unserer Wesensart und auch in der Weise, wie wir die Welt betrachten. Zudem haben wir alle unsere Macken und sind täglich auf die Gnade Gottes angewiesen. Gemeinde wird oft genau dann zu einem Ort der Kraft Gottes, wenn wir daran festhalten, gemeinsam vorwärtszugehen.

Wo sich Christen ihrer eigenen Fehlbarkeit und Bedürftigkeit von Gottes Gnade bewusst sind, werden sie auch anderen mit Gnade begegnen. Gegenseitiger Respekt hilft gegen Machtkämpfe und Rechthaberei. Ein Respekt, mit welchem wir auch offen begründen, weshalb wir uns den Ansichten oder Plänen des anderen nicht anschliessen wollen/können.

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Datum: 25.10.2020
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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