Warum bringt Gott im Alten Testament Menschen um?
«Viele tun sich heute schwer, mit dem zurechtzukommen, was sie im Alten Testament vorfinden, besonders mit den Erzählungen, die von der Vernichtung ganzer Volksgruppen durch Gottes Handeln berichten», sagt Thomas Howe, Theologe am Southern Evangelical Seminary in North Carolina. Ein liebender Gott soll Menschen töten oder seine Leute zum Völkermord beauftragen? Theologen wie Thomas Howe unterstreichen, dass diese herausfordernden Fragen mit Blick auf Gottes Wesen besser eingeordnet und beantwortet werden können.
Gott ist liebevoll und streng
«Das Bild Gottes als liebevoller Schöpfer ist nur eine Seite der Medaille.» Gott, so erklärt Howe, «handelt auch richtend gegen diejenigen, die sich ihm entgegenstellen». Jonathan Morrow, ein christlicher Autor, ergänzt: «Manchmal stellen wir uns einen Gott vor, bei dem Zorn und Liebe nicht nebeneinander möglich sind.» Doch er führt aus: «Wir kennen alle Menschen, die missbraucht wurden, und das macht uns zornig, gerade weil wir sie lieben. Also können diese Gefühle nebeneinander bestehen.»
Howe verweist auf Paulus, der im Römerbrief, Kapitel 11, Vers 22 sagt: «Zweierlei sollt ihr daran erkennen: Gottes Güte und seine Strenge.» Diese Doppelnatur wird auch in 1. Mose 6 deutlich. «Im Bericht über die Sintflut wird deutlich, dass die Menschheit in solch einen Zustand verfallen ist, dass der Text darauf hinweist, 'dass die Menschen voller Bosheit waren. Jede Stunde, jeden Tag ihres Lebens hatten sie nur eines im Sinn: Böses planen, Böses tun' (1. Mose, Kapitel 6, Vers 5)», bemerkt Howe. Und dennoch rettete Gott Noah und seine Familie.
Zusammenfassend meint Howe, dass «die Flut die Ernsthaftigkeit Gottes genauso zeigt wie seine liebevolle Freundlichkeit, weil Gott die Menschheit vor ihrer völligen Auslöschung rettet, indem er Noah und seine Familie nicht mit den restlichen Menschen vernichtet.»
In ähnlicher Weise erklärt Morrow, dass es Gott bei seiner Aufforderung an die israelische Armee in 5. Mose, Kapitel 20, die Einwohner Kanaans zu töten, «um Gericht, nicht um Völkermord» ging. «Die Bibel macht klar, dass alle Menschen Sünder sind, in einer Art offener Rebellion gegen Gott leben und Gott gerechterweise jeden verurteilen könnte», sagt Morrow. «Aber in diesem besonderen Fall bei den Kanaanitern geht es noch um mehr, zum Beispiel, die gut dokumentierte Schlechtigkeit der Menschen – Kinderopfer für Moloch und andere bestialische Bosheiten.» Er meint, dass das Gericht notwendig war, weil Israels Überleben als Nation entscheidend war, damit Jesus, der Messias, dort geboren werden konnte. Seine Linie – und damit seine Hoffnung, sein Segen, seine Rettung – sollte nicht zerstört werden.
Gott wünscht sich Umkehr, nicht Gericht
Howe betont, dass Gott zwar sicher diejenigen zur Rechenschaft ziehen wird, die sich gegen ihn stellen, dass er ihnen aber auch Zeit und Gelegenheit gebe, sich von ihrer Sünde abzuwenden. Der Theologe Floyd Elmore erwähnt zum Sintflut-Bericht: «Gott war sehr, sehr tolerant, aber nur bis ein bestimmter Punkt bei der menschlichen Bosheit erreicht war. Deshalb sagt er zu Beginn von 1. Mose, Kapitel 6: 'Die Menschen sollen nicht mehr so alt werden... Sie lassen sich immer wieder zum Bösen verleiten. Ich werde ihre Lebenszeit auf hundertzwanzig Jahre begrenzen.' Das ist, als hätte Gott dem Menschen einen Zeitrahmen gesteckt.»
Howe erklärt: «Gott richtet diejenigen, die gegen ihn sind, aber schon Petrus stellt fest: 'Wenn manche behaupten, Gott würde seine Zusage nicht einhalten, dann stimmt das einfach nicht. Gott kann sein Versprechen jederzeit einlösen. Aber er hat Geduld mit euch und will nicht, dass auch nur einer von euch verloren geht. Jeder soll Gelegenheit haben, zu Gott umzukehren.' (2. Petrus, Kapitel 3, Vers 9) Gott hat keinen Gefallen daran, dass jemand umkommt. Alle, die umkehren, werden Gottes Freundlichkeit erfahren. Aber wer nicht umkehrt, wird Gottes Strenge erfahren.»
Die Herausforderung
Wenn Christen ein besseres Verständnis Gottes darüber gewonnen haben, wie er im Alten Testament gezeigt wird, dann sollten sie laut Elmore bereit sein, Fragen zu seinem Charakter zu beantworten. Morrow erkennt an, dass Fragen zum Alten Testament besonders herausfordernd sind. «Wir leben in einer Gesellschaft der starken Sprüche. Und dies ist eine der Fragen, die schnell mal eben gestellt wird, was sehr leicht fällt, und bei der es einige Zeit dauert, sie zu beantworten, weil man dazu erst Zusammenhänge herstellen muss.» Die Kurzantwort lautet also: «Diese Textstellen handeln von Gerechtigkeit, es geht darin nicht um Völkermord.»
Allerdings ermutigt er Gläubige herauszufinden, was der Fragende wirklich wissen will. «Ich würde nachfragen: 'Es klingt so, als würde dich diese Frage sehr belasten. Warum ist das so?' Lassen Sie den Frager reden, damit Sie ihn besser verstehen. Das ist das Ziel. Es geht nicht darum, ein Streitgespräch zu gewinnen, wir wollen Menschen verstehen und ihnen helfen.» Wenn ein Fragesteller die Wahrheit wissen will, rät Morrow Christen, ihn dazu einzuladen, mit ihnen die Fakten genauer anzuschauen. Andere Frager suchen eher Abstand zu Gott und «diese Frage erlaubt ihnen, Raum zwischen sich und Gott zu haben».
Elmore empfiehlt Jesusnachfolgern ausserdem, mit ihren Antworten auf das Kreuz Christi hinzuweisen. «Das Kreuz ist eine gute Möglichkeit, sich mit Geschichte auseinanderzusetzen. Weil wir Menschen uns entschieden haben, Gott nicht zu gehorchen, sehen wir, dass die menschliche Rasse auf sündige Wege und in die Bosheit geraten ist», sagt er. «Doch ein liebender Gott hat einen Weg gefunden, sich durch den Tod seines eigenen Sohns um unsere Auflehnung zu kümmern. Er zeigt uns seine Liebe, damit wir in Gemeinschaft mit ihm kommen können.»
Datum: 31.05.2018
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Christian Post