Justus Geilhufe: «Gott und die Schönheit»
«Gott und die Schönheit» ist ein dünnes Buch. In zwei Stunden hast du die 144 Seiten locker durchgelesen. Aber warum solltest du das tun? Was macht den Essay eines sächsischen Pfarrers lesenswert?
Die Sprache
Wenn du auf der Suche nach schnellen Schnitten und Action wie im letzten Blockbuster bist, wirst du in diesem Buch nicht fündig. Aber das hast du dir sicher bereits beim Titel gedacht. Justus Geilhufe, der Autor, ist promovierter Theologe, sächsischer Pfarrer, 35 Jahre alt und podcastet zusammen mit einer katholischen Kollegin «Unter Heiden». Und er kann schreiben. Mit schönen Sprachbildern, gefühlvoll beschriebenen Menschen und Orten und präzise erklärten Zusammenhängen nimmt er dich mit in die Berliner Szene, auf einen Roadtrip nach Böhmen und in einen Taufgottesdienst nach Sachsen. Er erzählt auf eine Art und Weise, dass man sagen möchte: «Rede einfach weiter. Es ist fast egal, was du sagst, es klingt so schön.» Aber natürlich: Wer über Gott und die Schönheit schreibt, kann das auch nicht auf platte Weise tun.
Die Sehnsucht nach dem Schönen
Geilhufe erzählt die Geschichte von Matej, seinem Freund, der nur mit Vornamen genannt wird. Das heisst, eigentlich erzählt er sie gar nicht: Sie schwingt einfach im Hintergrund mit. Beim Lesen erfährst du, wie Matej tickt, dass er nie die einfache, sondern immer die schöne Lösung sucht, ob er seine Kleidung aussucht oder über Autos philosophiert. Als Kind aus der Berliner linken Szene ist Matej selbstverständlich atheistisch geprägt. Glaube und Religion haben dort praktisch keinen Raum, aber Werte und Menschlichkeit umso mehr.
Irgendwann landet er als Autor in Wien und soll einen Text über die Wende in Ostdeutschland schreiben. Er entscheidet sich dafür, das anhand eines Protestanten zu tun, der sich gegen das DDR-Regime engagiert hat, stösst bei seinen Recherchen auf Justus Geilhufe und «fand sächsische Christen, und das löste etwas in ihm aus». Was nun beginnt, ist keine klassische Bekehrungsstory. Es ist vielmehr die Erkenntnis von Matej, dass all das Schöne, was er zeitlebens gesucht hat, seine Quelle und sein Ziel in Gott hat. Der Atheist trifft sich mit Geilhufe und anderen «High Performern» in einem Online-Glaubenskurs und findet Gott.
Eine Hommage an die Freundschaft
All das wird im Essay zwar zur Sprache gebracht, aber eher zwischen den Zeilen. Geilhufe lässt dich hauptsächlich an einem Roadtrip dreier Freunde teilhaben, die die Tage vor Matejs Taufe im Auto, bei Essen, Trinken und Reden oder auch im nordböhmischen Kloster Ossegg verbringen. Und diese Freundschaft ist keine Nebensache. Sie ist Ausdruck der erlebten Schönheit des Buchs. Und sie ist die Basis, auf der Matejs Glaube wächst. Beim Lesen sitzt du quasi bei den Freunden am Tisch und fühlst dich dort daheim. Dabei ist es egal, ob du das Schwärmen für Matejs originalen Fiat Panda der ersten Generation nun teilst oder nicht. Der Klappentext des Buchs beschreibt diese Zeit passend als «eine Reise wie im Rausch – aber mit einem Aufwachen ohne Kopfschmerzen».
Die Begegnung mit Gott
Als Pfarrer im atheistisch geprägten Sachsen hat sich Justus Geilhufe angewöhnt, seinen Glauben offensiv zu leben, nicht im Rückzug. So gehört für ihn die Frage «Willst du dich taufen lassen?» zum Alltag. Matej ist scheinbar nicht der typische Kandidat fürs Christwerden: Er ist erfolgreich, intellektuell und sein Leben läuft in eine völlig andere Richtung… Dass das nicht stimmt, wird deutlich, als er sich in einer sächsischen Landgemeinde mit Posaunenchor rundum wohlfühlt. Interessanterweise packen den Pfarrer kurz vor dem Taufgottesdienst seines Freundes die Zweifel: Ist die Dorfkirche – und der dahinterstehende Glaube – nicht vielleicht doch zu schlicht für die «high energy» und die Sehnsucht nach Schönheit von Matej? Der beruhigt ihn: «Mach dir keine Sorgen um die Form. Die Form ist Jesus, weil Jesus der Inhalt ist.»
Sein Taufspruch wird Jesaja, Kapitel 65, Vers 1: «Ich bin gesucht worden von denen, die nicht nach mir fragten; ich bin gefunden worden von denen, die mich nicht suchten; ich habe gesagt: ‘Hier bin ich; hier bin ich!’, zu einem Volk, über dem mein Name nicht ausgerufen war.» Gefundensein ist für Matej das eine, das andere bleibt die «high energy» seines Lebens, mit der er am Ende erklärt: «Ich bin im Grunde jetzt der Ball im Flipperautomat Gottes. Ich merke die Anstösse und flutsche einfach dorthin, wo es mich hinträgt. Keine Angst mehr, was sein könnte, einfach voll drauf los.»
Was soll ist sagen? «Gott und die Schönheit» ist ein im besten Sinne schönes Buch. Der Essay lädt zum Mitdenken und Mitglauben ein – vielleicht gerade, weil der Weg dorthin nirgends vorgegeben ist.
Zum Buch:
Justus Geilhufe: Gott und die Schönheit. Entdeckungen in der atheistischen Gesellschaft, Claudius Verlag 2025, ISBN 978-3-532-62904-8, SFr 29,90 / EUR 20
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