Beginen – damals und heute

Frauen am Bundesbeginentreffen 2022
Die Beginen entstanden im Mittelalter als kirchliche Laienbewegung von Frauen ausserhalb der Klostermauern. Ohne zentrale Leitung lebten und arbeiteten sie in selbstbestimmten Gemeinschaften. Heute sind sie für viele ein Vorbild.

Eigentlich war eine Bewegung wie die der Beginen im Mittelalter gar nicht möglich – gut, dass die entsprechenden Frauen das nicht wussten und sie einfach gründeten. Im 12. Jahrhundert kamen durch Kriege und Kreuzzüge so viele Männer ums Leben, dass noch mehr Frauen als sonst verwitweten oder ledig blieben. Allein konnten und durften sie sich damals nicht versorgen, also klopften sie an Klostertüren, um Nonnen zu werden. Es wurden zu viele, deshalb verbot der Papst die Neugründung von Frauenklöstern.

Aus der Not heraus schlossen sich erste Gruppen von Frauen ohne klösterlichen Rahmen zusammen. Orientiert an den Idealen von Franz von Assisi – Armut und Busse – gründeten sie Beginenhöfe, konnten so für ihren eigenen Lebensunterhalt arbeiten, für andere da sein und gleichzeitig einen christlich geprägten Lebensstil umsetzen. Das widersprach jeder damaligen Gepflogenheit, trotzdem erteilte Papst Gregor IX. der wachsenden Bewegung mit seiner Bulle «Gloria virginalis» 1233 als sogenannten Laienschwestern seinen Segen. Woher der Name Beginen stammt, ist heute nicht mehr nachvollziehbar.

Ein revolutionäres Lebensmodell

Die Bewegung der Beginen und ihrer männlichen Pendants, der Begarden, breitete sich von Flandern recht schnell bis in die Schweiz aus, was hauptsächlich daran lag, dass sich viele ähnliche Ansätze parallel entwickelten und in der Beginenbewegung zusammenflossen. Hans-Jürgen Kistner berichtet: «Der erste urkundliche Beleg für Beginen in Deutschland findet sich 1223 in Köln. Hier wurden bis zu 150 Konvente gezählt, in denen bis zu 2'000 Frauen gelebt haben sollen. In einigen Städten hat der Anteil der Beginen an der erwachsenen Stadtbevölkerung ca. 6 Prozent betragen.»

Weil es keine organisierte Leitung und Struktur gab, verbreiteten sich Beginen in unterschiedlichen Formen: als Wanderbeginen, die predigten und bettelten, genauso wie im elterlichen Haus oder als Einsiedlerin lebend. Die meisten Beginen zogen jedoch in sogenannten Beginenhöfen oder -häusern zusammen. Dort organisierten sie ihr Leben und Arbeiten in Eigenregie und verwalteten auch ihre Finanzen selbst, wobei sie sich einem einfachen Lebensstil verpflichteten. In Grundzügen waren diese Konvente fast wie Mehrgenerationenhäuser aufgebaut, in denen gemeinsam gebetet und gearbeitet und sich untereinander unterstützt wurde.

Fast schon demokratisch

Nach der päpstlichen Erlaubnis brauchte jede Gruppe von Beginen eine «Magistra», eine Leiterin, doch manche Häuser hatten nur vier Bewohnerinnen und auch in den grösseren wurden die Entscheidungen meist gemeinsam getroffen. Das lag auch daran, dass die jeweilige Leiterin nicht von oben her eingesetzt, sondern aus der Gemeinschaft heraus für ein oder zwei Jahre gewählt wurde. Für diese Zeit vertrat sie die Gemeinschaft nach aussen, legte aber in der Regel Wert darauf, grössere finanzielle Projekte oder Richtungsentscheidungen mit den anderen Frauen zu besprechen.

Auch wenn in den Beginenhäusern und -höfen die eigenen Regeln und Ziele individuell festgelegt wurden, gab es doch grosse Übereinstimmungen: Sie lebten keusch und nach dem Motto «Jede möge sich durch ihrer eigenen Hände Arbeit ernähren». Reichtum oder Armut, die das Leben der Frauen vorher bestimmt hatten, spielten in ihrer neuen Gemeinschaft kaum mehr eine Rolle; hier engagierten sie sich in der Armenversorgung, in Schulen, der Krankenpflege oder der Sterbebegleitung. Viele Beginen arbeiteten auch im damals lukrativen Bereich der Tuchmacherei.

Kommunität auf Zeit

Beim Eintritt gab jede Frau ihr Vermögen in die gemeinsame Kasse. Von diesem Moment an wurde sie durch die Gemeinschaft mitgetragen. Manche kamen auch mit ihren Kindern, die dann innerhalb der Gemeinschaft aufwuchsen. Ihr Gelübde, um als Begine zu leben, mussten sie jährlich erneuern, im Gegensatz zu Klöstern waren sie jedoch nicht an ihren Konvent gebunden und konnten jederzeit wieder austreten und wieder ins bürgerliche Leben zurückkehren. In vielen Gemeinschaften erhielten sie dabei auch ihr eingebrachtes Geld wieder zurück.

Untergang und Neustart

Eine von der kirchlichen Leitung unabhängige Bewegung von Frauen erschien den damaligen Verantwortungsträgern zunehmend suspekt. So nahm Papst Clemens V. die Genehmigung, dass Beginen Gemeinschaften gründen durften, wieder zurück. Dazu kam wirtschaftlicher Gegenwind der handwerklichen Zünfte, die in den Frauenkollektiven eine unkontrollierbare Konkurrenz sahen. Nach einer Blütezeit im 14. Jahrhundert wurden die meisten Beginen «aus der Kirche Gottes ausgeschlossen», exkommuniziert und ihre Besitztümer wurden beschlagnahmt. In der folgenden Inquisition verfolgte die Kirche die Beginen als Hexen. Nach der Reformation wurden die letzten verbliebenen Beginenhöfe aufgelöst.

Die Idee einer geistlichen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft von Frauen trat in den folgenden Jahrhunderten jedoch immer wieder zutage, und seit den 1980er-Jahren orientieren sich einige von ihnen am mittelalterlichen Vorbild der Beginen und gründeten einen «Dachverband der Beginen» neu, um Frauen überkonfessionell miteinander zu vernetzen. Auch nach über 900 Jahren gibt es offensichtlich ein starkes Interesse an neuen oder alten Formen gemeinschaftlichen Lebens, und die der Beginen bieten viele Anknüpfungspunkte.

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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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