900 Menschen reden mit KI-Jesus in Luzerner Kirche
Die Kapellbrücke in Luzern ist ein internationaler Hotspot; gerade nebenan liegt die Peterskapelle. Zwei Monate lang – seit dem 23. August - konnten Besucher dort einem KI-basierten «Jesus», der vorher mit Inhalten des Neuen Testaments gefüttert worden war, Fragen stellen.
900 Gespräche wurden geführt, davon 200 in Englisch. Die meisten Besuchenden waren über 40 Jahre alt und katholisch. «Aber auch einige Jüngere haben den KI-Jesus aufgesucht», so der Theologe Marco Schmid, Initiant des Projekts. Auch Muslime, Buddhisten und Menschen aus weiteren Glaubensrichtungen seien vorbeigekommen.
Die katholische Kirche der Stadt Luzern hat das Projekt zusammen mit der Hochschule Luzern durchgeführt. Über das Experiment wurde weltweit in Medien berichtet, so im britischen «Guardian», via AP, in «India Today» ebenso wie in den US-Sendern ABC News oder CBN; letzterer erwähnt auch Kritiker, die das Experiment als «blasphemisch» empfinden.
Skeptiker überrascht – aber keine Offenbarung
Auch Atheisten hätten das Gespräch mit dem KI-Jesus gesucht und dieses oft als spirituell anregend empfunden, sagte Marco Schmid gegenüber DRS News. Überhaupt: «Viele Skeptiker waren überrascht, wie gut der künstliche Jesus ihre Fragen beantworten konnte.» Der Computer-Jesus wolle und solle aber keine Beichte abnehmen, betont Schmid – obwohl das in einigen Medien berichtet worden sei.
«Faszinierend, aber keine Offenbarung», empfindet Redakteurin Anna Jungen von SRF Kultur 2 ihr Gespräch mit dem AI-«Jesus», so im Stil von «Friede sei mit dir, mein Freund. In Zeiten der Unsicherheit und des Zweifels erinnere dich daran, dass der Glaube Berge versetzen kann. Was bedrückt dein Herz heute?» Ihr Urteil: «Das Gespräch mit dem KI-Jesus ist faszinierend: Auf meine Fragen antwortet er bedeutsam, empathisch, smart. Teilweise aber auch floskelhaft, repetitiv und er versprüht eine Weisheit, die manchmal eher an Kalendersprüche als an theologische Einsichten erinnert. Die Maschine bleibt spürbar.»
Keine Witze – ernsthafte Fragen
Marco Schmid dazu: «Ich bin froh, dass der KI-Jesus bis zu einem gewissen Grad technisch rüberkommt. Gleichzeitig sind seine Antworten auch faszinierend.» Viel Gesprächsstoff also, um über KI im religiösen Kontext zu sprechen. «Es war wirklich interessant, dass die Leute wirklich ernsthaft mit ihm redeten. Sie haben keine Witze gemacht», kommentierte Schmid weiter. «Sie diskutierten mit `AI Jesus` über eine breite Palette von Themen, darunter wahre Liebe, das Leben nach dem Tod, die Existenz Gottes, Gefühle von Einsamkeit, Leiden und sexuelle Themen wie Homosexualität und Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche.»
Nichts Evangelikales
Die AI wird mit religiösen Inhalten des Internets gefüttert, von denen viele evangelikal geprägt sind. Wer entscheidet über die Antworten? AI scheint deutlich zu «glätten», denn: «Bei allen bisherigen Tests haben seine Antworten zu unserer theologischen Auffassung der Peterskapelle gepasst», so Theologe Schmid. Und die ist nicht unbedingt evangelikal. Aber: «Sollte es doch zu Irritationen kommen oder zeigen Besucher und Besucherinnen grundsätzlich Gesprächsbedarf, sei man jederzeit ansprechbar» zitiert die DRS-Redakteurin den Theologen: «Unsere Büros sind keine zehn Meter entfernt. Wir sind in der Nähe und wollen auch aktiv das Gespräch suchen.»
Als Test stellte Theologe Schmid die Frage, ob die KI den Menschen helfen könne, Gott zu finden. «Alles Wissen und alle Weisheit kommen letztlich von Gott», antwortete der Chatbot mit beruhigender Stimme. «Wenn sie klug eingesetzt wird, kann KI tatsächlich ein Werkzeug sein, um die Wunder der Schöpfung zu erforschen, unser Verständnis der Heiligen Schrift zu vertiefen und Verbindungen zwischen Menschen zu fördern.» Und weiter: «Dennoch bleibt es wichtig, Gott mit ganzem Herzen und ganzer Seele zu suchen, jenseits jeder Technologie», fügte er hinzu.
Amen dazu!
Zum Thema:
Politlunch der Ev. Allianz Thun: Künstliche Intelligenz: Segen oder Schreckgespenst?
ChatGPT: Wie predigt die künstliche Intelligenz?
Prof. Dr. Thilo Stadelmann: Künstliche Intelligenz – warum so viel Angst?