Verletzungen in der Kirche: Wie man Heilung findet
«Ich bin in Philadelphia geboren und aufgewachsen und würde mich als typisches Kirchenkind bezeichnen», sagt Sarita Lyons. «Mein Vater ist immer noch Pastor in einer örtlichen Kirche, und meine Mutter, die im Januar heimgegangen ist, war ebenfalls eine gläubige Christin. Beide haben den Herrn sehr geliebt.»
Die Kirche war ein zentraler Bestandteil ihres Lebens, sie verbrachte viel Zeit dort. «Sie war meine zweite Familie. Die Mitglieder haben mir geholfen, mich zu erziehen, mich zu unterstützen, mich zu lieben und zu disziplinieren. Die Kirche war ein echtes Zuhause für mich und bedeutete mir unglaublich viel.»
Entfremdung von der Kirche
Manchmal denken wir, wenn Menschen im Glauben straucheln oder sich von der Kirche entfernen, dass sie ihren Glauben nicht ernst nehmen oder sich nicht wirklich für Gott interessieren.
«Aber das ist nicht immer der Fall», sagt Sarita Lyons. «Als ich älter wurde und aufs College ging, entfernte ich mich vom Glauben, aber ich war nicht jemand, der wild durch die Strassen zog. Ich war engagiert und ein aktiver Teil meiner Gemeinde. Dennoch geriet ich in eine Phase geistlicher Distanz, obwohl ich äusserlich wie jemand aussah, der fest im Glauben stand.»
Kirchliche Verletzungen
Der Begriff «Kirchliche Verletzungen» klingt zunächst selbsterklärend. Er beschreibt jede Form von emotionalem, körperlichem, psychologischem oder spirituellem Schaden, der an einem Ort geschieht, der eigentlich als sicher gelten sollte, bedauert Sarita Lyons.
«Das kann von kleinen Meinungsverschiedenheiten zwischen Gemeindemitgliedern bis hin zu schwerwiegenden Vorfällen wie körperlicher Gewalt, sexuellem Missbrauch oder Vergewaltigung reichen. Eine Form des Missbrauchs in der Kirche, über die wir seltener sprechen, ist der geistliche Missbrauch – der Missbrauch der Bibel, um andere zu kontrollieren, zu manipulieren oder zu verletzen.»
Umgang mit Problemen in der Kirche
Manchmal müsse man eine Kirche verlassen, um sich selbst zu schützen, sagt Sarita Lyons. «Aber bevor man diesen Schritt tut, sollte man der Kirche und ihren Leitern die Chance geben, das Richtige zu tun. Oft wissen die Leiter gar nicht, was passiert ist, und ein klärendes Gespräch kann den Weg zur Heilung ebnen.»
Deshalb, so Sarita Lyons, sei es wichtig, nicht vorschnell zu urteilen, sondern zunächst das Gespräch zu suchen und nach Möglichkeiten der Versöhnung zu fragen.
Auch eine professionelle Beratung durch Psychologen oder Sozialwissenschaftler könne eine grosse Hilfe sein. «Es ist kein Zeichen von Schwäche oder Unglauben, wenn man Hilfe sucht. Die Wissenschaft, wenn sie unter der Führung Gottes steht, ist ein Geschenk, das uns hilft, seelisch und geistlich zu heilen.»
Mit Gott über den Schmerz sprechen
Das Gebet ist entscheidend, betont Sarita Lyons. «Oft sprechen wir mit anderen – oder mit uns selbst – über unsere Verletzungen, aber nicht mit Gott. Manchmal fragen wir uns: 'Gott, wo warst du? Warum hast du das zugelassen?' Diese Fragen sind normal, besonders wenn wir versuchen, Gottes Allmacht und Güte mit unserem Schmerz in Einklang zu bringen. Aber Gott ist gross genug, um unsere Zweifel und unseren Heilungsprozess zu ertragen.»
Das Wichtigste sei, mit Gott im Gespräch zu bleiben, rät Sarita Lyons. «Er hört zu, versteht und gibt uns die Hilfe, die wir brauchen, um zu heilen und weiterzumachen. Unsere Gebete, unsere Zeit mit dem Wort Gottes und unsere geistlichen Übungen sind keine Pflichten, sondern Antworten auf einen Gott, der uns zuerst liebt und sucht.»
Sarita Lyons ist Leiterin der Jüngerschafts- und Frauenarbeit in der «Epiphany Fellowship Church» in Philadelphia und Ehefrau von Pastor Mark Lyons; die beiden sind stolze Eltern von vier Kindern.
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