Zwei Herzen für Muslime

Von Jesus-Moscheen und fremden Kulturen

Seit vielen Jahren pflegen Doris und Christof Kräuchi freundschaftliche Beziehungen zu Muslimen. Sie lebten acht Jahre in Marokko; heute laden sie in der Schweiz dazu ein, Muslimen mit Liebe zu begegnen.
Christof und Doris Kräuchi: Gemeinsam auf dem Weg zu den Herzen der Muslime.
Christof und Doris Kräuchi organisierten Wüstentouren in Marokko, um so zwischen den Kulturen zu vermitteln.

«Die Jungschi hat uns zusammengebracht», strahlen Doris und Christof Kräuchi aus Volketswil ZH. Die damals 21-jährige Krankenpflegerin und der 15-jährige Schüler lernten sich in einem Pfingstlager der Besj-Jungschar der Freien Missionsgemeinde Uster ZH kennen. Die beiden mochten sich auf Anhieb, und so entwickelte sich eine Freundschaft. Christof machte eine Ausbildung zum Bahnbetriebsdisponenten bei der SBB. Es war in den 1990er-Jahren.

Beim Fussballspielen lernte er libanesische Flüchtlinge kennen. Das war sein erster bewusster Kontakt mit Muslimen. «Ich spürte ihre Gottesfurcht, aber sie hatten keinen inneren Frieden», erinnert er sich. Mit 21 Jahren machte er mit OM in Israel einen Jahreseinsatz. Er lernte Arabisch und öffnete sein Herz immer mehr für Muslime. Dieses Auslandjahr brachte ihm auch Klarheit in der Beziehung mit Doris. Sie hatte sich inzwischen medizinisch weitergebildet, im Gebärsaal und auf der gynäkologischen Chirurgie im OP gearbeitet. Nun war sie mit einer Freundin auf Weltreise und erfuhr dabei eine Horizonterweiterung, die sie auf ihren späteren Dienst vorbereitete.

Füreinander bestimmt

«Ich wollte unbedingt die Frau, die mich in meiner Berufung am besten unterstützt, und erbat mir deshalb von Gott ein Zeichen», erinnert sich Christof Kräuchi. Kurz bevor das Ultimatum, das sie sich gesetzt hatten, ablief, erreichte ihn ein Brief von Doris, der ihm Klarheit verschaffte. Leider traf das wichtige Schreiben zwei Monate verspätet in Nazareth ein, und Doris hatte sich in der Zwischenzeit innerlich von ihrem Freund bereits verabschiedet. Sie wollte Gottes Führung annehmen, ob mit oder ohne ihn. «Ich wollte mich ganz auf Gott verlassen. Familie, Besitz, Chrigi können mir genommen werden; er aber bleibt.»

Als Christof ihr mitteilte, dass er sich für sie entschieden habe, war sie zuerst überrumpelt. Doch die Liebe erwachte neu. Ein halbes Jahr später heirateten sie in der Schweiz. Unabhängig voneinander hatten sie sich entschieden, am All Nations Christian College in England zu studieren, um danach ihre Liebe zu Jesus im Ausland mit anderen Menschen zu teilen. Schliesslich kristallisierte sich für sie die arabische Welt als Ziel heraus. Sie reisten nach Marokko, um herauszufinden, ob dieses Land für sie in Frage käme. «Ich fürchtete mich vor dunkel gekleideten Frauen und einem Leben in einer eintönigen Wüstengegend», gesteht Doris. Doch sie erlebte während ihres Aufenthalts so viele freundliche und hilfsbereite Menschen, dass ihre Vorbehalte verschwanden. Zwei Jahre später zogen sie mit ihren zwei kleinen Töchtern nach Agadir, wo sie Sprache und Kultur kennenlernten. Sie wurden von einem internationalen Team aufgenommen, das schon länger hier lebte und von dem sie viel lernen konnten.

Arbeit als Tour-Operator

Doch was sollten sie arbeiten? Sie hörten von einem gläubigen Reiseleiter, der ihnen gern Deutsch sprechende Gäste überlassen wollte, da er seine Touren auf Französisch und Englisch kommentierte. So entstand mit der Zeit eine Zusammenarbeit mit dem Schweizer Reiseunternehmen Surprise-Reisen. Jeden Sommer reiste die Familie während der heissen Zeit in die Heimat, um Administratives zu erledigen und neue Reise-Flyer zu gestalten. Zurück in Marokko, führte Christof Interessierte per Jeep durch den Süden des Landes und machte Kameltrekkings. Auch Gebetsgruppen nahmen teil, die vor Ort beten und persönliche Eindrücke mit nach Hause nehmen wollten.

Immer mehr zog es Doris und Christof jedoch aufs Land. Sie wollten als Jesus-Nachfolger mitten unter den Menschen leben, deren schöne Landschaft sie den Gästen aus dem Ausland lieb machten. «Das verstand niemand. Es wurde bezweifelt, dass wir auf dem Land als Reiseleiter erfolgreich sein könnten.» Der Schreiner, der ihnen in Agadir die traditionellen Wohnzimmermöbel gezimmert hat, stammte aus einem Marktort im Berber Hinterland. Und genau dort trafen sie ihn auf dem Marktplatz! Christof und Doris waren an diesen Ort gereist, um zu prüfen, ob hier ihr Zuhause sein könnte. «Wir trafen ihn nie wieder, doch Gott hatte ihn gebraucht, um uns zu diesem Ort zu führen.» Sie durften bei einer Familie leben und erste Kontakte knüpfen, bis sie ein Gebäude fanden, wo sie ein Stockwerk mit drei Wohnungen mieten konnten. Eine für sich, eine für eine weitere Familie und eine fürs Büro.

«Wir richteten uns gleich ein wie die Einheimischen, und da ist zum Beispiel ein grosser Schreibtisch mit Sessel wichtig für einen Chef!», schmunzelt Doris. Die Touren, die sie organisierten, vermittelten zwischen den Kulturen. Die Gäste durften bei Einheimischen übernachten.

Gott ist sehr aufmerksam

Für Doris war es ein besonderes Geschenk, dass sie aus dem Küchenfenster des neuen Zuhauses Aussicht hatte auf grüne Felder, Palmen und im Hintergrund auf die Schneeberge des Atlasgebirges. «Auf der anderen Seite war Wüste, doch Gott hat mein Bedürfnis nach Farben ernst genommen!» Ihren Kindern gefiel es auf dem Land. Sie spielten in den Feldern und hatten viele Freunde.

Nach und nach bildeten Kräuchis mit weiteren Familien und einer Single-Frau ein Team. Die Kinder wurden vormittags von jungen Praktikantinnen mit Material der deutschen Fernschule unterrichtet. Am Nachmittag besuchte Doris andere Mütter und teilte ihren Glauben mit ihnen. Doris erklärt: «In Marokko gehört der Glaube zum Alltag; man spricht ständig über Gott.» Doch die einheimischen Frauen verstanden das in den Moscheen gesprochene Arabisch nicht. Also lernten Doris und Christof die Berbersprache Taschelheit und lasen biblische Texte in dieser Sprache gemeinsam mit ihren neuen Freunden. Diese waren begeistert und einige entschlossen sich später, Jesus nachzufolgen.

Erzwungene Rückkehr

Nach acht Jahren bekam Christof plötzlich Fieber, geschwollene Lymphdrüsen und verlor immer mehr an Kraft. Sechs Wochen lang lag er im Bett, dann ging es ihm wieder besser. Doch als sich erneut die Symptome des Pfeifferschen Drüsenfiebers zeigten, kehrte die inzwischen sechsköpfige Familie zur Erholung in die Schweiz zurück. Kräuchis rechneten mit einem Zwischenjahr, doch die Symptome zogen sich so hin, dass sie sich entschieden, hier zu bleiben. Die vier Töchter waren eingeschult worden. Sie hatten sich eine Wohnung in der Nähe eines Asylzentrums und einer Badi gewünscht. Beide Bedingungen erfüllten sich beim Umzug nach Volketswil, wo sie noch heute mit vielen ausländischen Familien leben und Kontakte pflegen. Schliesslich wurde Doris von der Schule als Klassenassistentin angestellt, da die meisten Kinder aus Migrationsfamilien stammen.

Der Traum, zurückzukehren, ist geblieben

Christof gewann neue Kraft und wurde 2006 Leiter des Netzwerks «Christen begegnen Muslimen» in Uster, heute ein Arbeitszweig von MEOS interkulturelle Dienste in Zürich. «Es leben immer mehr Muslime hier», sagt er. «Wir können unser Leben inklusive unserem besten Freund Jesus mit ihnen teilen, für sie beten und so zur Integration beitragen.» So engagieren sich Doris und Christof Kräuchi weiter für die Menschen, die ihnen am Herzen liegen. Mit Seminaren und Schulungen tragen sie dazu bei, dass noch viele Christen die Begegnung mit Muslimen wagen.

Die älteste Tochter ist kürzlich mit ihrem Mann in ein islamisches Land ausgereist. Die anderen drei Mädchen machen sich  ebenfalls Gedanken über ihren zukünftigen Einsatzort. Das freut die Eltern. Auch sie möchten nochmals ausreisen, um  einzutauchen in die Lebensart eines Volkes, das Jesus noch nicht als Erlöser kennt. Zuerst will Christof Kräuchi aber ein Fernstudium in kontextueller Theologie absolvieren. Denn er überlegt sich, ob «Jesus-Moscheen» für Muslime, die Jesus Christus nachfolgen wollen, Brücken schlagen könnten zwischen ihrer orientalischen Kultur und ihrer neuen Identität in Christus. «Messianische Juden werden ja auch keine Christen, wenn sie Jesus als Messias annehmen», sagt Christof Kräuchi.

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Datum: 09.11.2018
Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: idea Spektrum

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