Menschen zurück ins Leben begleiten
ideaSpektrum: Jonas Baumann, fünf Jahre Stiftung Pluspunkt. Was bewegt Sie persönlich am meisten?
Mich bewegt immer noch die Frage, wie wir Menschen durch Integration im Wohnen oder Arbeiten am wirkungsvollsten auf die Beine helfen können. Als Kompetenzzentrum für Integration wollen wir Antworten auf diese Fragen geben. Auf der anderen Seite bewegt mich die sozialwirtschaftliche Herausforderung: ohne jegliche Subventionen oder Defizitgarantie und mit Betrieben im 1. Arbeitsmarkt (ohne Staatsgelder) zu bestehen. Das erfordert eine hohe Dienstleistungsorientierung und Geschick im unternehmerischen Sinn.
Erinnern Sie sich noch an den Moment, als Ihnen der erste Gedanke für ein solches Unternehmen gekommen war?
Ich habe mich schon während des Studiums für solche Unternehmungen interessiert. Dass ich selbst einmal einen solchen Betrieb gründen und führen würde, hätte ich damals nicht gedacht. Die Idee gewann Gestalt. Aus bescheidenen Anfängen entwickelte sich das Projekt zur anerkannten Sozialinstitution.
Welche Etappen bleiben unvergesslich? Das Finden einer passenden Liegenschaft; das Begeistern von Stiftungsräten und Investoren, die eine solche «verrückte Idee» mittragen; weiter war es spannend, Mitarbeitende zu gewinnen, die sich leidenschaftlich für die Menschen einsetzen und die ganzen Herausforderungen zu meistern.
Gab es auch Rückschläge zu verkraften?
Immer wieder. Wer Risiken eingeht, muss sich darauf einstellen. Genau darin liegt aber ein Geheimnis: Engagement, Leidenschaft, Segen sind die eine Seite, mit Rückschlägen einen Umgang finden die andere.
Wie gehen Sie persönlich mit Erfolg und Misserfolg um?
Erfolg tut uns allen gut. Auch mich befriedigt es, wenn Dinge gelingen und Mitarbeitende und Klienten sich entwickeln. Wichtig dabei ist mir, Erfolge zu feiern, die Bodenhaftung nicht zu verlieren und konzentriert weiterzuarbeiten. Misserfolge gehören dazu. Gemeinsam mit Mitarbeitenden und Mitmenschen versuche ich, immer wieder einen Umgang damit zu finden; angeboren ist es mir nicht. Wahrscheinlich ist Misserfolg auch dazu da, dankbar zu bleiben, die Bescheidenheit und Bodenhaftung zu erhalten und sich den eigenen Grenzen und damit der Ergänzungsbedürftigkeit immer wieder bewusst zu sein.
Der «Thuner Sozialstern» ist die höchste Auszeichnung der Stadt für Projekte im sozialen bzw. therapeutischen Bereich. Was denken Sie, wann wird Ihre Institution damit ausgezeichnet?
Diese Ehrung steht uns noch bevor. Aber es wäre eigentlich Zeit dafür. (lacht)
Wo sehen Sie die Stiftung Pluspunkt in fünf Jahren, also im Jahr 2021?
Im 2021 haben wir viele Dinge weiter optimiert sowie Abläufe, Prozesse und das Wissen und die Erfahrung rund um die Herausforderung Integration erweitert. Wenn wir Finanzen erhalten und erwirtschaften können, werden wir die Wirkungsfelder erweitern. Es sind noch einige Ideen im Kopf. Gerade die Frage, wie wir auch Migranten möglichst schnell und wirksam integrieren, beschäftigt uns aktuell.
Was ist Ihre Motivation, sich in dieses Werk zu investieren?
Da gibt es verschiedene Gründe: Sinnhaftigkeit der Arbeit, spannende Aufgaben, tolle Mitarbeitende, Menschen Lebensqualität ermöglichen usw. Als politischer Mensch – ich bin seit acht Jahren Stadtrat in Thun – will ich nicht nur Probleme erkennen, sondern helfen, Lösungen zu erarbeiten.
Inwieweit ist der christliche Glaube dabei von Bedeutung?
Mein Handeln ist hoffentlich auf natürliche Art geprägt von meinem Welt-, Menschen- und Gottesbild. Ich bin froh und dankbar, kann ich an einen Gott glauben, der Ungerechtigkeit, Leid und Begrenzung ausgleicht. Mit meinem Leben will ich genau dazu beitragen, will Vorbild sein, Hoffnung vermitteln und Liebe leben. Mir hilft dabei die Perspektive, dass Gott einmal alle Differenzen auflösen wird. Auch diejenigen, die wir selbst eben nicht aufzulösen vermögen.
Ein Projekt mit vielen Pluspunkten – Innovativ, individuell, integrativ: Unter diesem Motto engagiert sich die Stiftung Pluspunkt für die Wohn- und Arbeitsintegration junger Menschen. Der Start erfolgte im Dezember 2011 im Gasthof zum Lamm in Thun-Gwatt mit Gastronomie und betreutem Wohnen für 12 Jugendliche. Das Angebot wurde mit Lebensmittelproduktion (Essen&Mehr), Glaceproduktion (Glacenheit) und Gartenbaubetrieb (Gartenwohl) sowie weiteren Wohn- und Arbeitsintegrationsangeboten ergänzt. In Kürze soll der Bereich Hausunterhalt (Hauswohl) als weiteres Standbein realisiert werden.
Zum Thema:
Stiftung Pluspunkt: Damit Jugendliche wieder auf die Beine kommen
Fünf Jahre Stiftung Pluspunkt: Neue Hoffnung für junge Menschen in Thun
Datum: 21.09.2016
Autor: Thomas Feuz
Quelle: ideaSpektrum Schweiz