Armin Mauerhofer

«Gemeindebau ist das A und O»

Armin Mauerhofer prägte über Jahrzehnte als Pastor, Gemeindegründer und Theologe den freikirchlichen Gemeindebau in der Schweiz. Ende Mai wurde er emeritiert. Aus diesem Anlass stellte er sich einigen Fragen zu Themen und Trends.
Armin Mauerhofer
Armin Mauerhofer

idea Spektrum: Armin Mauerhofer, Sie waren 30 Jahre an der STH Dozent, 42 Jahre Pastor im Bund FEG. Was war Ihr besonderes Anliegen in dieser Zeit?
Armin Mauerhofer: Mein grösstes Anliegen war und ist die christozentrische Verkündigung des göttlichen Wortes. Als Pastor in Langenthal entdeckte ich, wie durch diese Art der Verkündigung die Gemeinde erfreulich wachsen durfte. Es geht bei dieser Verkündigungsart darum, aufzuzeigen, dass das Wort Gottes nur mit der Hilfe von Jesus Christus erfahrbar und lebbar ist. Jesus steht im Zentrum und nicht die Moral nach dem Motto: «Du bist gefordert. Jetzt streng dich an. Das fordert Jesus von dir.» Das eben gerade nicht. Auf diese Weise wird die Botschaft der Bibel zur Überforderung.

Was ist denn der konkrete Unterschied zwischen dem «Jesus fordert» und «Jesus wirkt»?
Der Unterschied ist der: Wenn Jesus etwas von mir fordert, dann muss ich aus eigener Kraft versuchen, dieses zu erfüllen, was ja meistens nicht gelingt. Beim christozentrischen Ansatz geht es darum, zu zeigen, dass der in mir wohnende Christus mir hilft, das, was das Wort Gottes von mir fordert, auch zu erfüllen. Er gibt mir die Kraft und Befähigung dazu. Jesus hat es so formuliert: «Ohne mich könnt ihr nichts tun.»

Irgendetwas ist von meiner Seite ja trotzdem gefragt, oder?
Von meiner Seite braucht es die Erkenntnis, dass Jesus mein Leben will. Dies führt zur Hingabe an ihn und zur Bereitschaft, ihm zu gehorchen.

In seiner Laudatio an der STH hat Professor Grosse über Sie gesagt, dass Sie Mut, Standhaftigkeit und trotzdem Offenheit gegenüber Andersdenkenden zeigten. Wie haben Sie die Auseinandersetzungen erlebt?
Es sind in der Theologie zwei Systeme, die aufeinanderprallen. Hier die ganz klare bibeltreue Haltung, dort die historisch-kritische Methode. Ich hatte im Studium in Bern den Eindruck, dass man sehr oft aneinander vorbeiredete. Ich habe von der Bibel her argumentiert und die Dozenten haben von der historisch-kritischen Methode herkommend die Bibel und damit das, was ich sagte, in Frage gestellt. Ich war nicht bereit, diese Methode zu akzeptieren und stand demzufolge ausserhalb des vorgegebenen Denkrahmens.

Ist diese Auseinandersetzung in Ihrer Beobachtung heute noch vorhanden?
Ich habe Angst, dass die Evangelikalen statt der Auseinandersetzung die Anpassung suchen. Man sucht die Anpassung etwa in den Fragen des Frauenpastorats, der Homosexualität, des vorehelichen Geschlechtsverkehrs, der Scheidung und Wiederheirat. Die Bibel vertritt in all diesen Bereichen klare Standpunkte. Die Evangelikalen passen sich aber immer mehr an. Wenn ich zum Beispiel im Bereich des Frauenpastorats nach wie vor die Auseinandersetzung suche, werde ich verachtet. Man gibt mir zu verstehen, dass ich ein «Ewig-Gestriger» sei.

Sie sagen selbst, es geht eigentlich um die Christozentrik. Wie stark betreffen diese Fragen – ihrer Meinung nach – die Mitte des Evangeliums?
Es geht hier generell um die Frage, wie verbindlich die Aussagen der Bibel sind. In den Augen vieler gibt es sogenannte Randfragen, in denen die Bibel zeitgebundene Aussagen macht. Es bricht bei dieser Art, die Bibel zu betrachten, doch die Frage auf: Welches sind nun zeitgebundene Aussagen und welche haben überzeitliche Bedeutung? Wenn es in der Bibel zeitgebundene Aussagen und Vorstellungen gibt, warum sollten dann die Aussagen, die das Erlösungswerk Jesu betreffen, nicht auch zeitgebunden sein? Wer sagt mir, wo die Grenze zwischen zeitgebundenen und überzeitlichen Aussagen ist?

Sie kritisieren, dass man heute im Gemeindebau zu viel auf die Humanwissenschaften wie Soziologie oder Psychologie baut. Finden Sie, man kann davon gar nichts lernen?
Doch, soziologisch können wir zum Beispiel lernen, dass es bestimmte Milieus gibt, die man beim Gemeindebau beachten sollte. Es ist mir sehr wohl bewusst, dass ich selbst nur bestimmte Milieus anspreche, deshalb lasse ich jeden zweiten Sonntag jemand anderes predigen, der wieder andere Milieus anspricht. Aus der Psychologie weiss ich, dass ich als Pastor auf eine bestimmte Weise wahrgenommen werde. Einige nehmen mich sehr positiv wahr, andere eher nicht. Aus diesem Grund suche ich mit den Gottesdienstbesuchern das Gespräch, damit sie einen natürlichen Zugang zu mir finden können.

Das Burnout ist ein grosses Thema unter Pastoren. Viele quittieren den Dienst. Wo sehen Sie die Gründe?
Der Pastorendienst ist heute enorm herausfordernd. Pastoren begegnen sehr hohen Ansprüchen in der Gemeinde. Sie müssen predigen, Bibelstunden vorbereiten und halten, Kranke besuchen, Sterbende betreuen, die Kinder-und Jugendarbeit begleiten, sich seelsorgerlich um die Gemeindeglieder kümmern, an vielen Sitzungen teilnehmen und Schulungen in verschiedensten Bereichen in der Gemeinde anbieten. Die entscheidenden Impulse in der Gemeindearbeit werden von ihnen erwartet. Wenn die Gemeinde stagniert oder schrumpft, sind sie schuld. Was Pastoren brauchen, sind Gemeindeglieder, die betend hinter ihnen stehen, sonst schaffen sie es nicht.

Was ermutigt Sie denn heute in Bezug auf den Gemeindebau?
Mich ermutigt die grosse Offenheit der Bevölkerung für das Evangelium. Die Verunsicherungen in unserer Gesellschaft führen dazu, dass plötzlich wieder eine Offenheit für das Religiöse wächst. Das Zweite ist, dass ich viele junge Pastoren kenne, die ihre Arbeit ausgezeichnet machen. Sie predigen christozentrisch, führen in ihren Gemeinden klare Strukturen ein und leiten die Gemeindeglieder zur Mitarbeit an. Sie setzen auch evangelistische Schwerpunkte, sodass ihre Gemeinden erfreulich wachsen. Zudem haben wir viele gute Ausbildungsstätten. Es gibt ja wirklich für jeden Geschmack eine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit.

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Dossier: Innovative Gemeinden

Datum: 11.07.2016
Autor: Christof Bauernfeind
Quelle: Idea Spektrum Schweiz

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