Vom «Chibok-Mädchen» zur Uni-Abgängerin
Mary Katambi war eines der «Chibok-Mädchen», so kannte die Welt sie an dem besagten Tag. Sie gehörte zu der Gruppe von 276 Mädchen, die 2014 von Boko Haram aus ihrem Internat in Chibok, Nigeria entführt wurden. Dass sie jetzt, sieben Jahre später, ihren Universitätsabschluss in Buchhaltung bekommen würde (aufgrund der Pandemie wurde ihr Abschluss um ein Jahr auf 2021 verschoben), hätte sie damals nie für möglich gehalten. Denn selbst Entführte, die auf unterschiedliche Weise freikommen, werden oft hinterher in ihren eigenen Dörfern diskriminiert und verfolgt.
«Gottes Gnade und seine Gunst»
«Ehrlich gesagt hätte ich nie gedacht, dass meine Tochter den Händen von Boko Haram entkommen würde», erinnert sich Katambi, Marys Vater. «Als ich Mary sah, wie sie ihr Diplom erhielt, rollten mir Tränen aus den Augen. Ich konnte nur noch Gottes Gnade und seine Gunst sehen. Ich hätte nie gedacht, dass meine Kinder an der Amerikanischen Universität studieren könnten, denn ich bin nur ein Kleinbauer, der versucht, genug Geld für die Familie zu verdienen. Aber Gott hat es getan. Er hat das gemacht, was undenkbar und unglaublich war.»
Der 15. April
Am besagten 15. April 2014 stürmten früh morgens 30 Männer in die Schlafräume des Internats und schrien: «Wir sind Boko Haram!» Dann setzten sie das Gebäude in Brand und den Mädchen blieb nichts anderes übrig, als den Terroristen zu gehorchen. Sie brachten die 276 Mädchen in ihr Versteck im Wald – und Mary begann sofort, einen Fluchtplan zu schmieden. Als die Männer noch am selben Nachmittag miteinander zu streiten begannen, nutzte sie zusammen mit einem anderen Mädchen den Tumult und die beiden flohen.
Sie liefen stundenlang durch den Wald, bis eine Fulani-Frau ihnen Wasser gab und ihnen die Richtung wies. Später kamen sie zu einem Dorf und ein Mann nahm sie auf dem Motorrad mit. «Wir fuhren stundenlang auf dem Motorrad, bis der Mann so um 9 Uhr abends Angst bekam und uns im Wald allein liess», erinnert sich Mary. Sie liefen weiter durch die Nacht, bis sie in einer Fulani-Hütte aufgenommen wurden und schlafen durften. Am nächsten Tag erhielten sie Frühstück und liefen weiter, bis sie in einem anderen Dorf einen weiteren Motorradfahrer fanden, der sie zu Marys Onkel in Chibok brachte.
Gebet für weitere Abschlüsse
Doch so überglücklich Marys Eltern nach deren Flucht waren, so schwer ist es für die Familien der 112 Mädchen, die sich bis heute noch in Gefangenschaft befinden. Vor allem die Organisation Open Doors kümmert sich vor Ort um die Familien. Auch Marys Familie betet jeden Tag für die Mädchen. «Ich bin ein Zeugnis dafür, dass Gott die Gebete seiner Kinder beantwortet. Mary ist der Beweis dafür», bezeugt Vater Katambi. «Aber bitte hört nicht auf, für die anderen Mädchen und andere Kinder zu beten, die sich noch in den Händen der Entführer befinden, dass Gott sie herausholt und dass wir eines Tages noch viel mehr Uni-Abschlüsse feiern können.»
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Datum: 01.08.2021
Autor: Simon / Rebekka Schmidt
Quelle: Open Doors UK / Übersetzt und bearbeitet von Livenet