Falscher Pastor im Löwenkäfig
Seit ein paar Tagen geht ein Videoclip durch die sozialen Medien, der stark an die Geschichte von Daniel in der Löwengrube erinnert. Ein Mann sitzt entspannt in einem Käfig voller Löwinnen und steckt ihnen sogar seine Hand ins Maul, ohne dass sie ihm etwas antun. Eine der zahlreichen Kopien des Films ist denn auch begeistert überschrieben: «Pastor betritt Löwenkäfig und kommt unverletzt wieder heraus… Er beweist damit, dass er der Daniel der Bibel ist.» (Um dieses Video geht es.) Was ist davon zu halten?
Der Wunderpastor ist gar keiner
Das Video soll einen nigerianischen Pastor zeigen, der sich in seinem hellblau leuchtenden Anzug zwischen drei Löwinnen in den Käfig setzt, um damit zu unterstreichen, wie wirksam «Gottes Schutz» ist. Im Hintergrund steht eine Menschengruppe hinter den Gittern und beobachtet das Ganze. Ein nigerianischer Blogger erklärte dazu: «Pastor Daniel brachte seine Kirchenmitglieder mit, um ihnen zu zeigen, dass einem Mann Gottes nichts passieren kann.» Bald stellte sich jedoch heraus, dass das Video nicht aus Nigeria kommt, sondern wohl in Somalia gedreht wurde.
Die BBC recherchierte und fand heraus, dass «Pastor Daniel» in Wirklichkeit Mohamed Abdirahman Mohamed heisst und kein Geistlicher ist, sondern vielmehr Tierpfleger in einem Touristenpark in der somalischen Hauptstadt Mogadischu. Dort soll er bereits seit acht Jahren arbeiten und während dieser Zeit immer wieder mit Löwen oder Schlangen posiert haben, die er dafür trainiert hat.
In der Vergangenheit führte er bei einem Interview mit BBC Somalia vor, dass er den Kopf einer Python in seinen Mund stecken konnte. Damals meinte er: «Sie sind harmlos, sie sind wie meine Kinder.» Sicher hat das imposant ausgesehen, doch Pythons sind keine Giftschlangen – die Aktion war also nicht lebensgefährlich. Ähnliches gilt damit auch für die Szene im Löwenkäfig. Das hoch gepriesene Wunder des «Miracle Pastor» ist also höchstens eine nicht ganz ungefährliche Zirkusnummer, aber keine geistliche Sensation.
Was Wunder sind und was nicht
Als Wunder gilt ein Ereignis, das der menschlichen Vernunft und Erfahrung sowie den Gesetzmässigkeiten von Natur und Geschichte scheinbar oder wirklich widerspricht. Es bleibt unerklärlich, wie es zustande gekommen ist. Das «Wunder» von «Pastor Daniel» ist damit keines: Es ist eine Mischung aus Trick, Täuschung und Training. Im Gegensatz zu den Wundern, die in der Bibel beschrieben werden, stellt sich hier ein Mensch in den Mittelpunkt. Vordergründig scheint es um Gott zu gehen, doch bei Licht besehen heisst es: «Schaut her, was ich kann.»
Die Wunder der Bibel haben einen anderen Charakter: Sie dienen der Verkündigung, sie sind ein Zeichen für Gottes Vollmacht, sie erfüllen Gottes Versprechen, sie sind «Zeichen der Gegenwart Gottes und seines Handelns».
Der Bärendienst falscher Wunder
Manche Christen sind regelmässig auf der Suche nach Sensationen wie der von dem Pastor im Löwenkäfig. Andere Menschen bedienen diese Erwartungen wie der Tierpfleger Mohamed oder sie verfremden ein Ereignis, um daraus ein Wunder zu «basteln». Dramatisch ist das nicht. Diese Suche nach Grösse, in der man sich anschliessend sonnen kann, ist weit verbreitet. Sie ist aber definitiv kein Weg, um Gott damit zu ehren. Sie suggerieren, dass Gott ebenfalls mit Taschenspielertricks arbeiten würde. Selbstgemachte Pseudowunder lenken nur davon ab, was geschieht, wenn der lebendige Gott tatsächlich handelt – ob spektakulär oder ganz im Verborgenen.
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