Interview mit Prof. Ralph Kunz

Was sagt ein Theologe den Wirtschaftsleuten?

Ralph Kunz, Professor für Praktische Theologie, ist bekannt für innovative Gottesdienstmodelle und zeitgemässe kirchliche Seniorenarbeit. Wir wollten wissen, wie er dazu kam, am 2. Christlichen Forum für Führungskräfte zu referieren.
Prof. Ralph Kunz in seinem Büro

Livenet: Prof. Ralph Kunz, Sie sind bislang nicht als Wirtschaftsethiker aufgefallen. Wie kommt es, dass Sie sich in diesem Bereich engagieren?
Prof. Ralph Kunz: Ich sehe das Forum nicht in erster Linie als Wirtschaftsforum. Es geht hier vielmehr um Verantwortung in der Gesellschaft. Angesprochen sind Führungskräfte nicht nur aus der Wirtschaft, sondern auch aus Kirche, Politik, Medizin etc. Es geht somit um das gesellschaftspolitische Engagement aller Bürgerinnen und Bürger.

Die Wirtschaft fristet aber heute in der Theologie eher ein Mauerblümchendasein, oder?
Wir leben in einer Gesellschaft, wo sich viele Teilwelten gebildet haben, die auseinanderdriften. Was hat zum Beispiel die alltägliche Medizin noch mit dem Arztberuf zu tun, was hat die Soziologie mit den Arbeitslosenämtern gemeinsam? Was hat Politikwissenschaft mit gelebter Politik zu tun? etc. Wir können zu Recht sagen, dass auch die Schultheologie eine gewisse Lebensferne entwickelt hat. Dasselbe gilt für die Ethik und die Philosophie. Es ist daher für uns wichtig, immer wieder den Kontakt mit der gelebten Wirklichkeit zu suchen. 

An der Universität Zürich gibt es eine lange Tradition, diesen Kontakt zu pflegen. Ich erinnere an den Sozialethiker Arthur Rich, den grossen Vordenker der Wirtschaftsethik. Ebenso hat Hans Ruh den Kontakt mit der Wirtschaftswelt gepflegt. Er war auch am WEF in Davos. Der Kontakt wird hergestellt durch Personen mit Interessen und Charismen...

Im Moment ist kein namhafter Wirtschaftsethiker an einer Schweizer Uni bekannt.
Das ist schon richtig. Es geht vermehrt um Sozialethik. Dafür hat Arthur Rich ein Institut gegründet. Heute engagieren sich die Mitarbeitenden wie Richard Amesbury oder Markus Huppenbauer u.a. in der politischen Ethik. Johannes Fischer engagierte sich in der Medizinethik. Das ist ja ein Dauerbrenner, zum Beispiel mit Blick auf die Entwicklung in der Genforschung.

Hat die Wirtschaft Interesse an theologisch basierter Wirtschaftsethik?
Ethik hat wohl in der heutigen Wirtschaft generell nicht den Stellenwert, den sie verdient, ob sie nun theologisch oder sonst weltanschaulich begründet ist. Wir haben in Zürich aber auch ein Zentrum für Wirtschaftspolitik, wo regelmässig Gespräche stattfinden, zum Beispiel über islamisches Banking – ein wichtiges Thema! Das Interesse, welche Prinzipien diesbezüglich in der islamischen Welt gelten, ist gross. Da sind die religiösen Werte wieder wichtig. Es gibt aber nach wie vor auch ein Interesse an den christlichen Werten unter Wirtschaftsleuten.

Welches Anliegen haben Sie bezüglich Führungskräfte?
Ein wichtiges Anliegen ist für mich die Inklusion: Wie gehen wir mit Menschen unterschiedlicher Rassen, mit Behinderung, mit Schwachen um? Wie leben wir mit ihnen zusammen? Wie fördern wir Integration? An diesem Forum wurde ich gebeten, die biblischen Grundlagen – Fehlerhaftigkeit, Sünde, Vergebung, Vertrauen – als Grundlage der Wirtschaft aufzuzeigen. Wenn wir meinen, perfekt zu sein, können wir auch nicht mehr Vertrauen schaffen. Dann können wir auch Verantwortung gleich in den Kamin schreiben. Ich möchte so einfach wie möglich aufzeigen, dass es Zusammenhänge gibt zwischen Theologie, Ethik und Wirtschaft.

Ralph Kunz ist Professor für Praktische Theologie und Dekan an der theologischen Fakultät der Universität Zürich. Er war Referent am 2. Forum christlicher Führungskräfte vom 28. – 29. März 2014 in Bern.

Datum: 07.04.2014
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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