Wieso sind die alle so nett?

Mohammed aus dem Iran
«Ich war ein Flüchtling unter euch» ist das Thema des Flüchtlingssonntags 2023 der SEA. In dem Zusammenhang bringt Livenet eine Serie zu Flüchtlingen in der Schweiz. Mohammad, ein sunnitischer Kurde, erzählt heute von seiner abenteuerlichen Flucht.

Das erste was Mohammed am Telefon sagt ist: «Ich bin nicht wegen des Glauben geflüchtet, sondern aus politischen Gründen.» Der 30-jährige Iraner und sunnitischer Kurde wuchs in einem Dorf nahe der irakischen Grenze mit zwei Brüdern auf. Als er etwa zwanzig Jahre alt war, wurde einer seiner Brüder, der vor kurzem Vater geworden war, von der Polizei erschossen.

Da die Familie so nahe an der Grenze lebte, hatte sie immer wieder erlebt, wie Menschen an der Grenze erschossen wurden. Weil dies klar gegen jegliche Menschenrechte war, schloss sich Mohammad den Demonstrationen gegen die Regierung an. Da an solchen Demonstrationen auch immer wieder iranische Flaggen verbrannt werden, auf denen als Verzierung Allahu akkbar (Allah ist am Grössten) steht, wird das von der Regierung als Gotteslästerung angesehen und Teilnehmende ins Gefängnis gesteckt oder sogar zum Tod verurteilt.

Es bleibt nur die Flucht

Das geschah auch bei der Demonstration, an der Mohammad teilgenommen hatte. Er wurde gefilmt und nur Stunden später kam die Polizei zu seinem Haus und er wurde für zwei Jahre ins Gefängnis gesteckt. Als er wieder frei kam, hatte er eigentlich nur den Wunsch, sich um seine Mutter und den mittlerweile dreijährigen Sohn seines Bruders zu kümmern. Er wollte arbeiten und fand diese in einer Papeterie und Buchhandlung, wo die Polizei aber schon bald Bücher fand, die nicht erlaubt waren, und Mohammad wurde verdächtigt, diese Bücher in die Buchhandlung gebracht zu haben. Nun meinte sein Anwalt, dass er ihm nicht mehr helfen könnte und ihm nur noch die Flucht ins Ausland bliebe – etwas, das Mohammad nie gewollt hatte.

Unterwegs

Es war Dezember, kalt und es schneite, und über die Grenze zu flüchten, war gefährlich. Immer wieder wurden Menschen dabei erschossen. Mohammad sagte: «Ich wusste dass ich auf der Flucht sterben könnte, aber das wäre dann nur einmal gewesen. Im Gefängnis stirbst du jeden Tag, und ich wollte auf keinen Fall dahin zurück.» Darum legte die Familie Geld zusammen, um einen Schlepper zu bezahlen, der Mohammad über die Grenze und schlussendlich nach Griechenland brachte. Es war ein langer Weg.

Aus der Schule kannte Mohammad Jesus als Propheten. Jede Woche hatten sie acht Stunden Religionsunterricht gehabt. Nun sass er in einem Schlauchboot, und obwohl ihnen versprochen wurde, dass es nur 20 Leute sein würden, war das Boot mit fast 60 Männern, Frauen und Kindern total überfüllt. Es war kalt, regnete und stürmte. Alle hatten Angst und weinten. Plötzlich stand ein Mann mitten im Boot auf und verkündete allen: «Ich habe gebetet!» Mohammad wunderte sich, zu wem dieser Mann wohl gebetet hatte, denn die Situation änderte sich schlagartig.

Die Sonne kam hervor, die Leute begannen, miteinander zu sprechen und sie machten sogar Fotos. «Es war plötzlich wie auf einem Ausflug», erinnert sich Mohammad. Als sie dann sicher in Griechenland ankamen, wollte er wissen, zu wem dieser Mann gebetet hatte. Dieser erzählte ihm, dass er zu Jesus, der immer beiuns sei, gebetet habe und forderte Mohammad auf, sich auch an Jesus zu wenden, was er aber wieder vergass. Über Athen kam er in die Schweiz, welches eigentlich nie sein Zielland gewesen war.

Angekommen in der Schweiz ...

Mohammad kam zuerst ins Bundesasylzentrum in Kreuzlingen, und auch dort erzählten Leute ihm von Jesus, aber er war nicht wirklich interessiert. Danach kam er nach Dietikon ins Asylzentrum, das damals noch in einem Luftschutzkeller war. Zum Glück konnte er bald in eine WG mit anderen Geflüchteten wechseln. Mohammad begann, Deutsch zu lernen und suchte nach Landsleuten, fand aber keine. Er begann nun aber, jeweils am Sonntag in eine Kirche zu gehen. Es war, als ob etwas ihn jeden Sonntag in den Gottesdienst zöge.

Er verstand dort zwar vieles nicht. Wieso gab es da Musik, es war doch keine Disco... Und warum sassen Frauen und Männer zusammen, und waren Pastoren nicht einfach so wie die Mullahs zuhause? Darum wollte Mohammad auch nicht die Bibel lesen, die er erhalten hatte. Aber die Christen waren alle so nett zu ihm, was war wohl der Grund dafür? Könnte es vielleicht etwas mit Jesus zu tun haben? Aber war Jesus nicht einfach nur ein Prophet? Mohammad hatte viele Fragen und beschloss, das heraus zu finden und las in zwei Monaten durch das ganze Neue Testament. Er erkannte, dass Jesus uns liebt, für uns gestorben ist und dass er mit ihm war seit seiner Geburt, auch in den schwierigen Zeiten, im Gefängnis und im Boot auf dem Meer.

... und bei Jesus

Nun wusste er, wer Jesus war, aber er wollte wissen, wie man mit Jesus sprechen kann. Ein Pastor erklärte ihm, dass man überall, auch an der Arbeit oder bei einem Spaziergang, mit Jesus reden könnte. Durch einen Glaubenskurs und durchs Lesen einer zweisprachigen persisch-deutschen Bibel lernte Mohammad Gott immer besser kennen und liess sich 2018 taufen, was einen grossen Unterschied in seinem Leben machte. Mohammad sagt, dass er heute nicht mehr ohne Jesus sein könne und er allen von ihm erzähle. Er besucht nun eine iranischen Kleingruppe und berichtet, dass ihm die Schweizer Christen, und überhaupt die Schweizer, sehr viel geholfen haben.

Schwierige Integration

Mohammad hat eine Arbeit als Freiwilliger im Thurgau, wo er mithilft, aus Schafwolle Dünger zu machen. Er hofft fest, dass er bald die Erlaubnis erhält, sich auch im Kanton Zürich eine reguläre Arbeit zu suchen.

Er sagt auch, dass es ohne Kenntnisse der lokalen Sprache einfach nicht geht, aber lange hatte er keinen Zugang zu einem offiziellen Deutschkurs. Dies wurde erst 2020 möglich, war aber wegen den Covid-19-Einschränkungen ebenfalls schwierig. Aber er lernt Deutsch, wo immer er kann, er geht mit der Pfimi, seiner Gemeinde in Zürich, in Lager, geht auf Wanderungen und hat einen Kurs von Cultures der SEA besucht. Durch den Kontakt mit Schweizern lernt er, wie man den ÖV benutzt, eine Arbeit sucht und anderes mehr. Mittlerweile versteht er auch Schweizerdeutsch und ist froh, wenn ihn die Leute bei Deutschfehlern korrigieren.

Im Iran hat er nur noch Kontakt zu seiner Mutter, der Rest der Familie sieht in als Verräter am Islam. Er meint: «Weisst du, als ich noch im Iran lebte, dachte ich auch, dass man direkt in der Himmel kommt, wenn man einen Ungläubigen tötet. Nun bin ich aber mit Jesus unterwegs in die richtige Richtung.»

Die Serie zu Flüchtlingen in der Schweiz entstand im Zusammenhang vom Flüchtlingssonntag 2023, der von der Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA organisiert und am 18. Juni 2023 begangen wird. Weitere Informationen dazu finden sich hier.

Zum Thema:
Ich war ein Flüchtling…: Im Boot und im Kofferraum
Ich war ein Flüchtling…: Mit der Schwester auf der Flucht
Ich war ein Flüchtling…: Jesus gab mir Hoffnung auf der Flucht

Autor: Barbara Rüegger
Quelle: Livenet

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