60 Jahre Ohrwurm

Die drei Karrieren eines Dankliedes

Christliche Lieder kommen nicht in die Charts? O doch. Der Klassiker «Danke für diesen neuen Morgen» war ursprünglich der Beitrag zu einem kircheninternen Wettbewerb.  verfasste ihn als zeitgemässes geistliches Lied. «Danke» erreichte den ersten Platz – und gelangte anschliessend bis in die Hitparaden. Das war vor 60 Jahren, doch der Ohrwurm ist noch lange nicht verklungen.
Martin Gotthard Schneider (Bild: www.evangelisch.de)
Auch «Die Ärzte» spielten eine Version des Lieds (Bild: Screenshot Youtube)

Die Suche nach aktueller Musik in der Kirche ist alt. Regelmässig geht es darum, den eigenen Glauben so auszudrücken, wie es gerade zeitgemäss ist. 1961 veranstaltete die Evangelische Akademie Tutzing deshalb einen Wettbewerb auf der Suche nach «neuen geistlichen Liedern». Der Theologe und Kirchenmusiker Martin Gotthard Schneider (1930–2017) reichte einen Vorschlag ein, der einfach und modern war und zum Mitsingen einlud. «Danke für diesen neuen Morgen» hatte Ohrwurmcharakter. Es gewann den Wettbewerb. Akademieleiter Pfarrer Günter Hegele meinte später zu dem swingenden Stück, das nur eine Gitarre als Begleitung braucht: «Wir wollten mal wissen, ob das geht, auch mit den einfachen Stilmitteln der Unterhaltungsmusik ausserhalb des Gottesdienstes vom Glauben zu singen.» Es ging.

«Danke» in der Hitparade

Pfarrer Hegele putzte damals Klinken bei Plattenfirmen, um das Lied auch als Schallplatte zu produzieren. Electrola presste schliesslich eine kleine Auflage an Singles – eine Aufnahme mit dem Botho-Lucas-Chor. Die Platte erzeugte einen Sturm des Protestes. Im WDR wurde das Lied mit «Danke auch für das kleine Helle» verspottet – zusammen mit dem Bild eines Bierglases. Die Kirchenzeitungen regten sich auf über «Poesie für religiöse Gartenzwerge», «deutsche Negermusik am Altar» oder «Gotteslästerung».

Doch diese Kritik machte Menschen neugierig. Sie kauften die Platte. Electrola musste nachproduzieren. Auf dem Kirchentag sang der damalige Popstar Ralf Bendix das Lied vor 16'000 Zuhörerinnen und Zuhörern. Das christliche Danklied kam bis in die Hitparade, und die Platte wurde über 700'000-mal verkauft.

«Danke» im Gesangbuch

Trotz der anfänglichen Kritik setzte sich «Danke» auch im kirchlichen Rahmen durch. Als es zur Entscheidung kam, ob es auch einen Platz im Evangelischen Gesangbuch erhalten sollte, wurde noch einmal kontrovers diskutiert, doch schliesslich gelangte es mit der Liednummer 334 in den Stammteil des EG. Schneider selbst stellte laut Bernhard Leube fest: «Meine Lieder … erheben nicht den Anspruch, neue Kirchenlieder zu sein.» Er sah sie vielmehr als «Werktagslieder» für Jugendgruppen, für Freizeiten und natürlich (Schneider war Lehrer!) für den Religionsunterricht. Doch gerade die alltagstaugliche Frömmigkeit des Liedes überzeugte und überzeugt Menschen bis heute.

Danke für diesen guten Morgen,
Danke für jeden neuen Tag
Danke, dass ich all meine Sorgen
Auf dich werfen mag.

«Danke» bis heute

Bei der Vorstellung des Liedes auf dem Evangelischen Kirchentag meinte der Theologe Fulbert Steffensky: «Dankbarkeit ist die Hefe jeder Frömmigkeit.» Das Lied greift alltägliche und normale Erlebnisse und Wahrnehmungen auf, regt zum Nachdenken darüber und zur Dankbarkeit an – es wird bis heute gesungen. Neben der ursprünglichen Version des Botho-Lucas-Chors findet man bei YouTube auch moderne Fassungen bis hin zur Hardrock-Interpretation der «Ärzte».

Was das 60 Jahre alte Lied so zeitlos macht, ist seine bewusste Entscheidung, das Gute im Leben zu sehen und Gott dafür zu danken. Eine Perspektive, die in Zeiten der Covid-Pandemie so aktuell ist wie selten zuvor.

Zur Webseite:
Vollständigen Text des Liedes

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Datum: 25.04.2021
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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