Wie die Partnerschaft lebendig bleibt

Die Ehe lebendig halten
Der Partner fürs Leben – das ist der Anspruch, mit dem wir in die Ehe gehen. Aber im Alltag geht dieses Ideal schnell unter. Tabea Müller gibt Tipps, wie die Partnerschaft lebendig bleibt.

Es war ein Novembertag in Paris, als er niederkniet und die Frage aller Fragen stellt. «Jaaaaa!», antworte ich. Er steckt mir einen Ring an. Wir küssen uns, lachen erleichtert. Nur wenige Schritte entfernt erfüllt ein Strassenmusiker die Luft mit Geigenklängen. Zu unseren Füssen liegt Paris mit seinen verwinkelten Gassen und unendlichen Möglichkeiten – wie ein Spiegel unserer gemeinsamen Zukunft.

Der perfekte Moment

Nicht nur der Moment schien perfekt, sondern auch der Mann an meiner Seite. Mein kleines Herz konnte das grosse Glück gar nicht fassen, dieses vor uns liegende gemeinsame Abenteuer, das für immer halten sollte. Niemals zuvor war ich mir einer Entscheidung so sicher wie in jenem Augenblick, auf den Stufen von Sacré-Cœur vor einem Dutzend Jahren. Ja, ich wollte seine Frau werden. Er sollte mein Mann werden. Mein one and only. Der, der besser zu mir passt als alle, die bisher meinen Weg gekreuzt haben. Auch wenn wir beide nicht perfekt sind, füreinander sind wir es – oder werden es jeden Tag ein Stückchen mehr. Und noch immer bin ich überzeugt, die richtige Wahl getroffen zu haben.

Der Traum von der ewigen Liebe

Der Traum von der ewigen Liebe ist zeitlos – der Wunsch, den einen Partner fürs Leben zu finden, begleitet die Menschheit durch alle Generationen hindurch. Auch heute noch wollen 67 Prozent der «Generation Z» laut einer österreichischen Jugendstudie einmal heiraten. Kein Wunder, denn die positiven Auswirkungen sind enorm: Glücklich Verheiratete leben zum Beispiel im Durchschnitt vier bis acht Jahre länger als unglücklich verheiratete oder geschiedene Paare. Sie haben mehr natürliche Killerzellen in ihren weissen Blutkörpern und sind dadurch weniger anfällig für Krankheiten.

Die tatsächliche Zahl der Eheschliessungen sinkt trotzdem seit 1950 stetig. Das kann an der erschlagenden Auswahl an potenziellen Partnern liegen, die wir dank Internet inzwischen weltweit haben. Aber auch an unseren Erwartungen, die höher sind als je zuvor. Als ich meine Oma fragte, wie sie sich unter ihren Verehrern für meinen Opa entschieden hatte – ich wusste, dass es mehrere Anwärter gab –, antwortete sie: «Er hatte ein Motorrad.»

Ein Motorrad! Das hätte heute bei Weitem nicht gereicht. Wir sehnen uns nach dem einen Menschen, der uns so sehr in seinen Bann zieht, dass uns alle anderen völlig egal sind. Wir träumen von einer Zukunft, in der wir alles teilen, beste Freunde, anregende Gesprächspartner und leidenschaftliche Liebhaber sind. Wir wollen, dass eine einzige Person all unsere oft widersprüchlichen Bedürfnisse erfüllt – sei es Nähe, Freiheit, Verbundenheit und Erotik. Die Psychologin Esther Perel bringt es auf den Punkt: «Heute erwarten wir von einem Partner, was früher ein ganzes Dorf geleistet hat – und wir leben doppelt so lang wie damals.» Kein Wunder, dass Enttäuschungen kommen, wenn wir uns diese Erwartungen nicht bewusst machen.

Den one and only kann es trotzdem geben, davon bin ich überzeugt und mit mir alle, die heutzutage noch heiraten wollen. Dabei hat das gar nicht so viel mit diesem Jemand zu tun, sondern damit, wie wir ihn oder sie wahrnehmen und behandeln. Der one and only bekommt von uns den Stellenwert, wichtiger zu sein als alles andere in unserem Leben. Diese Person ist die einzige Familie, die wir uns aussuchen können. Wir lieben sie und behandeln sie dementsprechend wie etwas ganz Wertvolles. In den ersten zwei Jahren ist das auch easy, denn da sind wir vollgepumpt mit Liebeshormonen, wie auf Drogen. Wir vergeben kleine Macken, finden sie vielleicht sogar süss. Pendeln sich die Hormone nach geraumer Zeit wieder im Normalbereich ein, stören uns Eigenheiten immer mehr. Zudem haben wir uns an die Gegenwart des Partners oder der Partnerin gewöhnt und nehmen sie oder ihn für selbstverständlich.

Was eine glückliche Ehe ausmacht

Wenn wir das Agieren unseres Partners zudem als persönliche Angriffe empfinden – was selten wirklich der Fall ist –, schleichen sich nach und nach negative Gefühle ein, und die Beziehung gerät in einen Abwärtsstrudel. Wir gehen in Gegenangriff, der Rosenkrieg beginnt: Einer kritisiert, der andere verteidigt sich, findet für jedes Fehlverhalten einen Grund. Wenn der Kritisierende auf seinem Standpunkt beharrt und mit verächtlichen, sarkastischen Bemerkungen reagiert, zieht sich der andere meist stillschweigend zurück. Gar nicht mal böswillig, sondern aus Selbstschutz vor der Flut an negativen Gefühlen, die eine leichte, humorvolle Wendung der Situation unmöglich machen.

Kritik, Verachtung, Rechtfertigung, Rückzug: Das sind laut dem Psychotherapeuten John Gottman die vier apokalyptischen Reiter, die das Ende einer Ehe ankündigen. Seit einem halben Jahrhundert erforscht er mit seinem Team im «Liebeslabor» in Seattle Ehen und liefert beeindruckende Ergebnisse. Nicht nur können sie nach einer kurzen Beobachtungsphase mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent vorhersagen, ob sich ein Paar im Laufe seines Lebens scheiden lassen wird, viel wichtiger: Sie fanden auch heraus, was glückliche Ehen ausmacht. Denn auch glückliche Paare streiten – aber sie haben Strategien, die verhindern, dass Konflikte eskalieren. Kleine Rettungsversuche wie ein humorvoller Kommentar oder eine Entschuldigung wirken wahre Wunder. So kann das Stresslevel im Streit sinken und eskaliert nicht. Aus all seinen physiologischen Messungen und Beobachtungen siebte Gottman sieben Geheimnisse heraus, die glückliche Paare gemeinsam haben. Ich habe mir erlaubt, diese ein bisschen zu würzen:

1. Gefährten

Glückliche Paare sind beste Freunde. Sie wissen, was den anderen gerade beschäftigt, wovon er träumt oder was ihn belastet.

Konkret: Geh nicht schlafen, bevor du weisst, wie es deinem Partner heute erging und was er oder sie erlebt hat. Erwarte stets, dass er/sie dir etwas erzählt, was du so nicht erwartet hast. Falls das nicht der Fall ist, stell kreativere Fragen.

2. Verehrer

Selbst nach vielen Ehejahren bewundern und respektieren glückliche Paare einander und erzählen ihre gemeinsame Liebesgeschichte positiv und detailliert.

Konkret: Behandle deinen Partner so respektvoll wie einen Kunden und gib ihm am Ende des Tages nicht nur deine müden «Reste». Würdest du mit ihr oder ihm genauso umgehen, wenn dein Chef oder Jesus selbst zu Gast wäre? Merkt der andere, dass er oder sie dir kostbar ist?

3. Cheerleader – oder Anästhesisten

Glücklich Liebende wenden sich einander zu, kommen in der Gegenwart des anderen zur Ruhe und bauen im Gespräch den Stress des Tages ab. Egal, was passiert ist, sie stärken einander den Rücken.

Konkret: Kommt dein Partner bei dir zur Ruhe und kann entspannen? Falls nicht, hilft: Handy weglegen, aktiv mit Augenkontakt zuhören und Verständnis äussern. Dazu eine ordentliche, nicht zu sanfte Massage und der Stress fühlt sich definitiv unwohl.

4. Influencer

Glückliche Paare lassen sich vom anderen beeinflussen und schätzen ihre oder seine Sichtweise und Expertise.

Konkret: Werde selbst zum Traumpartner und zeige dich von deiner besten Seite. Dabei hilft folgende Frage: Bin ich jemand – gesund, produktiv, sauber, grosszügig, ehrlich und geduldig –, mit dem man unbedingt zusammenbleiben möchte? Dann ist der andere nämlich mit Sicherheit auch offen für deine Ideen.

5. Harte Weicheikocher

Die nicht lösbaren Konflikte – das sind übrigens zwei Drittel –, die es in jeder Beziehung gibt, lassen glückliche Paare stehen und akzeptieren, dass sie Teil ihres gemeinsamen Lebens sind. Die lösbaren Konflikte lösen sie.

Konkret: Unterstelle deinem Partner NIE eine böse Absicht, höchstens Unachtsamkeit oder Unwissenheit. Dazu gehört auch, nicht aufzurechnen. 50:50 ist eine nette, aber unrealistische Idee von Beziehung, manchmal sind es 100:100, manchmal 80:20, manchmal 30:30... Das Energielevel schwankt und das ist okay.

6. Diplomaten

Auch bei Konflikten, die zu Patt-Situationen führen, bleiben sie im Gespräch. Sie versuchen, die Grundmotivation des anderen hinter dem Standpunkt zu verstehen, bauen im Gespräch durch Rettungsversuche Stress ab und halten die nicht verhandelbaren Aspekte so gering wie möglich.

Konkret: Oft steckt irgendeine Angst hinter nicht verhandelbaren Standpunkten. Wenn du dazu neigst, ängstlich zu sein, versuche mutiger zu werden und dir häufiger die bestmöglichen Szenarien vorzustellen. Neurotizismus ist einer der wenigen Charakterzüge, die mit einer unglücklichen Ehe einhergehen.

7. Sinnfluencer

Durch Zukunftsträume, Finanzpläne oder Gottmomente im Alltag haben sich glückliche Paare einen gemeinsamen Sinn geschaffen. Wiederkehrende Familienrituale wie das gemeinsame Planen von Kindergeburtstagen oder ein ganz besonderer Ablauf an Heiligabend verbinden und definieren ein Wir-Gefühl.

Konkret: Nehmt euch Zeit und schreibt auf, was ihr in 1/3/10 Jahren besitzen sowie gelernt und erlebt haben möchtet. Dann fangt an, eure gemeinsamen Nenner probezuleben.

Lass dich von dieser Masse nicht erschlagen. Sie soll lediglich als Inspiration dienen, ganz nach dem Motto: «Das Gute behaltet.» Vieles liegt in deiner Hand und du musst nicht warten, bis sich dein Partner oder deine Partnerin verändert.

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Autor: Tabea Müller
Quelle: Magazin Family 01/2025, SCM Bundes-Verlag

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