Chef und Mitarbeiter
Die Fundstellen über die Beziehung zwischen Mose und Josua sind spärlich. Die erste findet sich in 2. Mose Kapitel 17, Verse 9-13. Die Israeliten ziehen ermattet durch die Wüste und stossen unvermittelt auf die kriegerischen Amalekiter. Mose beauftragt Josua, den Kampf gegen sie aufzunehmen. Dieser wählt erprobte Männer und tritt gegen die Beduinen an. Doch auch Mose beteiligt sich am Kampf. Er begibt sich auf die Spitze des Berges. Dem Kampfgeschehen sieht er nicht nur aufmerksam zu; er erhebt seine Hände zum Himmel und wenn er ermüdet, stützen ihm die zwei Gebetshelfer Aaron und Hur die Arme. So wird der Kampf mit vereinten Kräften gewonnen.
Diener
Viermal wird Josua als «Diener» bezeichnet. Das ist die Stellung, die er gegenüber Mose, dem auserwählten Knecht Gottes, innehat. Treu und tüchtig ist er. Als Mose den Befehl erhält, auf den Berg zu steigen, um die Tafeln mit den Zehn Geboten in Empfang zu nehmen, ist Josua als einziger Begleiter mit dabei. Er muss allerdings auf halber Strecke zurückbleiben und auf die Rückkehr seines Meisters warten. Das dauert 40 Tage (2. Mose Kapitel 24, Vers 18).
Dann findet man Josua als Wächter im Zelt der Begegnung, das Mose für sich ausserhalb des Lagers aufgeschlagen hat. An diesem Ort begegnet Mose seinem Gott von «Angesicht zu Angesicht». Josua wird zum stillen Zeugen dieser heiligen Momente. Er bleibt auch im Zelt, wenn Mose sich wieder entfernt (2. Mose Kapitel 33, Vers 11).
Weiter erfahren wir, wie Mose 70 Älteste vor die Stiftshütte beruft. Sie sollen ihn bei der Führung des Volkes entlasten, indem er bestimmte Aufgaben an sie delegiert. In einer weihevollen Stunde nimmt Gott vom Geist Moses und legt ihn auf die 70 Ältesten, sodass sie wie die Propheten in Verzückung geraten. Doch zwei Männer, die auch aufgeboten sind, bleiben im Lager. Als Abwesende geraten auch sie in Verzückung. Das wird Mose gemeldet. Josua, der das mitbekommt, will sofort eingreifen und die beiden ruhigstellen. Doch Mose bremst den Tatendrang seines Dieners und sagt zu ihm: «Eiferst du um meinetwillen? Wollte Gott, dass alle im Volk des Herrn Propheten wären und der Herr seinen Geist über sie kommen liesse!» (4. Mose Kapitel 11, Vers 29).
Ein letztes Mal wird Josua bei seiner Berufung zum Führer des Volkes Israel als Diener des Gottesknechtes Mose genannt (Josua Kapitel 1, Vers 1).
Führungsgehilfe
Josua ist einer der speziell ausgewählten Spione, die das von Gott verheissene Land erkunden sollen. Kaleb gehört auch dazu. Nach vierzig Tagen kehren die Männer von ihrer Erkundungsreise in die Wüste Paran zurück. Sie bringen eine Ranke mit einer Weintraube mit, die so schwer ist, dass zwei Männer sie an einer Stange tragen müssen. Auch Granatäpfel und Feigen haben sie dabei. Sie erzählen: Es ist wirklich so, es handelt sich um ein Land, wo Milch und Honig überfliessen. Aber, sagen sie, «stark ist das Volk, das darin wohnt und die Städte sind befestigt und sehr gross; und wir sahen darin die Nachkommen Anaks».
Die Anaken sind Riesen. Vor ihnen kamen sich die Kundschafter wie Heuschrecken vor. Der Bericht setzt das Volk, trotz der schönen Früchte, in Angst und Schrecken. Es wendet sich gegen Mose und Aaron und fordert die Rückkehr nach Ägypten. Josua und Kaleb stemmen sich mit ganzer Kraft gegen den Volksaufstand: «Fürchtet euch nicht vor dem Volk dieses Landes, wie Brot werden wir sie auffressen» (4. Mose Kapitel 14, Vers 9). Vergebens! Man will sie sogar steinigen (Vers 10). Wie es weitergeht, ist bekannt. 40 Jahre lang irrt das Volk durch die Wüste, bis die aufmüpfige Generation verstorben ist. Josua und Kaleb jedoch kommen ins gelobte Land.
Führer Israels
Mose ist nun 120 Jahre alt. Er darf das Volk Israel nicht ins versprochene Land führen und bittet Gott um die Bezeichnung eines Nachfolgers. Die Wahl fällt auf den bewährten Josua. Mose überträgt einen Teil seiner Autorität und Würde auf seinen langjährigen Diener und Führungsgehilfen. Vor der versammelten Gemeinde legt er seine Hände auf ihn (4. Mose Kapitel 27, Verse 18-23). Zusammen mit Josua regelt er alles für die Zeit nach ihm. Zu Josua sagt er: «Sei getrost und unverzagt; denn du wirst dieses Volk in das Land bringen, das der Herr ihren Vätern geschworen hat und du wirst es unter ihnen austeilen» (5. Mose Kapitel 31, Vers 7). Mose, der herausragende Knecht Gottes, sieht das versprochene Land nur von Ferne. Er stirbt und wird von Gott selber begraben. Seine Ruhestätte kennt niemand (5. Mose Kapitel 34, Vers 5f).
Bedenkenswertes
Dienen – das ist die hervorragende Eigenschaft Josuas. Josua dient nicht, um zu verdienen. Er weiss um die grosse Sache, für die sein Meister dient. Weil dieser die Sache des Allerhöchsten zu seiner Sache macht, macht Josua diese auch zu seiner Sache – und das mit ungeteiltem Herzen. Er dient letztlich nicht Mose, sondern «dem Herrn» (Epheser Kapitel 6, Vers 7). Ein dienender Leiter dient in erster Linie Gott. Eine Dreierbeziehung, die aus dem Gleichgewicht zwischen Demut und Würde besteht. Demut ohne Würde gebiert kriecherische Unterwürfigkeit, Würde ohne Demut wird zu überheblicher Arroganz. Mose buckelt nicht nach oben und trampelt nach unten. Er lässt Josua an seinen Entscheidungen teilhaben. Josua lernt und wächst an den Entscheidungen seines Vorbildes.
So entwickelt Josua seine eigenen Überzeugungen, die er auch vor versammelter Gemeinde zu vertreten weiss. Zusammen mit Kaleb tritt er entschlossen den Miesmachern entgegen. Auch dann noch, als die Stimmung im Volk sich gegen sie wendet. Sie wissen: Volkes Stimme ist nicht Gottes Stimme. Das gilt auch im demokratischen Rechtsstaat. Wir erleben laufend, dass nicht alles, was rechtsstaatlich zum Beschluss erhoben wird, dem Willen Gottes entspricht. Es braucht eine feste Überzeugung und grossen Mut, um gegen den Strom zu schwimmen. Dazu gehört die Bereitschaft, ungerechtfertigte Kritik und Häme über sich ergehen zu lassen.
Bei den Entscheidungen, die Mose zu treffen hat, fragt er immer zuerst Gott und handelt in seinem Namen. Einmal hat er letzteres nicht gemacht, am «Haderwasser». Um dem elenden Gejammer des Volkes ein Ende zu bereiten, schlägt er den Felsen in seinem eigenen Namen. Zwar gibt dieser das ersehnte Wasser, aber Mose und Aaron bleibt der Einzug ins verheissene Land für immer verwehrt.
Wir leben in einer Multioptionsgesellschaft. Alles, auch die Wahrheit, ist relativ geworden. Die Unsicherheit ist Alltag. Fragen bleiben im Raum stehen. Als Christenmenschen sind wir herausgefordert, mit Hilfe des Heiligen Geistes und der Bibel immer wieder zu fragen: Was würde Jesus gerade jetzt an meiner Stelle tun? Vergessen wir dabei nicht, der gesunde Menschenverstand ist nach Karl Barth der gute Nachbar des Heiligen Geistes.
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