«Ich habe keine beste Freundin»

Die Autorin Elisabeth Vollmer schreibt für das Magazin «Joyce»
Der Wunsch nach einer besten Freundin hat Elisabeth Vollmer veranlasst, ihrer Sehnsucht dahinter auf die Spur zu kommen.

Ich habe keine beste Freundin. Und das finde ich schade! Ich hätte sie gerne. Diese eine beste Freundin, die mich seit Kindertagen begleitet. Die alle meine Geheimnisse kennt und sie für sich behält. Die mich bedingungslos annimmt und mit mir die wildesten und banalsten Erlebnisse feiert. Die ich nachts anrufen kann und die alles für mich stehen und liegen lässt. Und die… Okay, mein Bild der besten Freundin ist vielleicht minimal überzogen. Aber irgendwie wäre es schon schön, wenn es sie so gäbe. Es gibt sie nicht. Und ich bin sie auch nicht für eine andere. Aber der Wunsch danach lädt mich ein, der Sehnsucht dahinter auf die Spur zu kommen.

Platz für uns alle

Mein erster Sehnsuchtspunkt: Es ist Platz für uns alle! Ich habe neulich ein Meme entdeckt, bei dem ein Mädchen mit strahlendem Lächeln vorschlägt: «Lass uns Aschenputtel spielen!» Und dann ergänzt: «Du kannst die hässliche Stiefschwester sein.» Autsch! Wie schnell passiert es, dass ich eine andere kleinmache, um mein Ego aufzupolieren und besser dazustehen. Oder ich nicke zustimmend, wenn abwertend über Dritte gesprochen wird. Gemeinsam jemand anderen doof zu finden, verbindet ja auch irgendwie. Aber es ist weder der Dritten gegenüber fair noch für die Beziehungen förderlich. Auch den Gedanken: «Wir wechseln ab, jede darf mal Aschenputtelmässig glänzen und jede muss mal die hässliche Stiefschwester sein» mag ich nicht. Was ich mir wünsche und immer mehr zu leben versuche, ist: Es ist Platz für uns alle! Es nimmt mir nichts, wenn eine neben mir aufblüht. Im Gegenteil! Wir können einander fördern, den Rücken stärken und eine Power entwickeln, die uns – und der (Um-)Welt – guttut. Wo ich das in Freundschaften erlebe, kribbelt es in mir vor Begeisterung und ich spüre, wie sich dieser Sehnsuchtspunkt mit Leben füllt.

Mich selbst wertschätzen

Und dann gibt es sie ja doch. Die eine, die mich seit Kindertagen begleitet. Die jeden Weg mitgeht, die alle Höhen und Tiefen und alle meine Geheimnisse kennt. Ich sehe sie jeden Tag. Mehrfach. Wenn ich in den Spiegel schaue. Und an guten Tagen lächelt sie mir fröhlich zu. Ich übe es ein. Mir selbst meine beste Freundin zu sein. Über mich selbst gut zu denken und zu sprechen. Mir meines Werts bewusst zu sein. Meinen Körper wertzuschätzen, mich nicht klein zu machen, zu mir zu stehen.

Wie ich mit mir und meinem Körper umgehe, prägt die Frauen von morgen. Um ihretwillen und meiner selbst willen möchte ich gut mit mir umgehen. Und so verzichte ich immer mehr auf das Be- und Verurteilen meiner Figur, Frisur oder sonstigen Abweichungen vom «Ideal». Diesen Sommer habe ich mir einen Bikini gekauft. Den ersten seit 25 Jahren. Das ist meine persönliche Auseinandersetzung mit den Werbeplakaten eines fast identisch alten Models, das eine Kampagne mit ihrer Tochter in Unterwäsche plakatiert hat. Und ich ziehe den Bikini an. Es fühlt sich ungewohnt, aber gut an. So sehe ich als 53-jährige Frau aus, die drei Kinder geboren hat. Und andere sehen anders aus. Dürfen auch anders aussehen! Wir alle dürfen Erfolge feiern, haben den schnöden Alltag zu bewältigen und brauchen Kraft, um Misserfolge zu verarbeiten. Und wir dürfen uns immer wieder fröhlich zulächeln, wenn wir in den Spiegel schauen.

Ein bedingungsloses Ja

Es gibt einen Grund, auf dem mein Ja zu mir selbst als beste Freundin steht: Das bedingungslose Ja Gottes zu mir. Vor aller Leistung und trotz aller Krux steht sein Ja zu meinem Sein. Ich übe mich in letzter Zeit darin, Gott grösser zu denken, als ich das viele Jahre gewohnt war. Gott nicht nur als Vater, Bruder und Freund, sondern auch als Mutter, Schwester und Freundin wahrzunehmen. Mich selbst als Freundin Gottes zu sehen, ist dabei noch vertraut. Mich hineinzufühlen, dass Gott meine beste Freundin sein möchte, ist ungewohnt, spannend – und schön! Und so übe ich mich ein in diesen Gedanken. Öffne mein Herz für die Heilige Geisteskraft, durch die meine beste Freundin in mir wirkt. Traue mir immer wieder und immer mehr zu hören und zu erwarten, dass sie zu mir spricht, in dem, was in mir an Gedanken aufkommt, und in dem, was ich erlebe.

So habe ich tatsächlich keine eine «beste Freundin» im allgemein gebräuchlichen Sinn und ich vermute, dass das so bleibt. Aber ich habe einige Freundinnen, mit denen ich unterschiedliche Freundschafts-Aspekte teilen kann. Ich bin auf dem Weg, mir selbst immer mehr eine gute Freundin zu sein und Gott ist meine Freundin! Damit sind ziemlich viele meiner Sehnsüchte gestillt und ich bin gespannt zu entdecken, was sich noch entwickeln wird. Und das alles hätte ich vielleicht gar nicht entdeckt, wenn es «die Eine» gäbe…

Elisabeth Vollmer lebt mit ihrem Mann in Freiburg im Breisgau. Um Freundschaft, Geheimnisse und Gefühle geht es auch ihrem neusten Buch «Blubbern im Bauch», einem wunderschön illustrierten Buch für Grundschulkinder mit Rätselseiten am Ende jeder Geschichte: Blubbern im Bauch

Dieser Artikel erschien im Magazin Joyce 01/24 vom SCM Bundes-Verlag.

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Autor: Elisabeth Vollmer
Quelle: Magazin Joyce 01/24, SCM Bundes-Verlag

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