Zurück zur ersten Liebe

Das Haus ARLIS
Familie Guggisberg aus dem Toggenburg lebt in einer einzigartigen Wohngemeinschaft. Ihre Tür öffnet sie – unter anderem – für psychisch müde Personen, welche Gespräche, Coaching oder Pflege brauchen.

Im Haus Arlis entsteht eine Verbindung zwischen Coaching und psychiatrischer Unterstützung, die sich nicht nur auf bereits kranke Menschen konzentriert, sondern auch jene vor oder nach psychiatrischer Betreuung begleitet. Lea und Christof Guggisberg, die Gründer vom Haus Arlis, wollen Brücken bauen zwischen psychiatrischer ambulanter Pflege, Coaching und der Sinngebung der einzelnen Besucher. Angefangen hat es mit Christen, welche sehr streng und wertend mit sich und anderen waren. Die Bewertungen führten zu Gespaltenheit, Anspannungen und zum Bild eines strengen, moralischen und religiösen Gottes, der keine Schwächen toleriert.

Lea und Christof legen den Schwerpunt ihres Projektes auf die Liebe: «Wir möchten, dass die Menschen zurück zur Wahrheit, Echtheit und zurück zu einer Schwäche geführt werden. Denn nur in dieser Schwäche kann Gott stark sein. Raus aus alten Mustern zurück zur ersten Liebe – dem Gott, der grösser ist als man sich vorstellen kann – und der Freiheit. In die Vertrauensbeziehung zu Gott. Dafür muss man sich damit beschäftigen, wer man ist und was einem Sinn gibt.»  

Gründerin Lea, ehemals Krankenschwester bei der Spitex, absolvierte eine Weiterbildung an der Fachhochschule Gesundheit mit Fokus Psychiatrie und machte sich später als freischaffende Pflegekraft und Betriebliche Mentorin in Ausbildung selbstständig. Sie fand bald heraus, dass man die Pflege nicht zwingend zu den Menschen bringen muss, sondernd dass man auch Personen pflegen darf, die in die eigene Praxis kommen oder aber ein Ferienbett beziehen dürfen, um ambulante psychiatrische Pflege in Anspruch zu nehmen. So entstand die Idee. Heute hilft die ganze Familie mit.  

Der heilende Alltag  

Für Lea und ihren Ehemann Christof gehört Genesung in das familiäre Umfeld. Besonders für jene, die unter Einsamkeit leiden. Sie wollen den Alltag authentisch (vor)leben, da viele Menschen, insbesondere solche mit psychischen Belastungen, meist nur Institutionen, aber keinen familiären Alltag zur Unterstützung haben. Dabei sei gerade dieser Alltag entscheidend, um positive Gewohnheiten beizubehalten oder zu finden. In der WG sehen Patienten also sowohl positive als auch negative Aspekte des Familienlebens – das hilft dabei, Nähe und Intimität aufzubauen. Die WG-Bewohner auf Zeit (maximal ein halbes Jahr) haben eigene Rückzugsorte und Kochnischen. Dazu kommt ein Besinnungsraum, in dem die nachdenken, beten und entspannen dürfen. 

Das Ehepaar musste allerdings auch lernen, klare Grenzen zwischen den eigenen Kindern und den betreuten Personen zu ziehen. Deshalb gibt es im Haus einen Bereich, in den sich die Kinder zurückziehen dürfen: «Die Kinder haben sich nicht für das Projekt entschieden – das waren wir. Es ist uns also wichtig, ihnen dort eine Abgrenzung zu bieten.» Ein gutes Gleichgewicht zwischen Familie und Arbeit zu halten, sei aber schwierig. 

Auf die Frage, wie viele Angestellte sie haben, schmunzelt Christof: «So weit sind wir noch nicht – Angestellte zu haben, wäre ein Traum. Im Moment ist es mehr eine ‘Two-Men-Show'.» Das Ehepaar teilt sich den Arbeitsalltag wie auch den privaten Alltag auf. Freiwillige Helfer sind jedoch eine grosse Unterstützung für sie und nehmen ihnen immer wieder die eine oder andere Arbeit ab. 

Coaching-Konzepte mit göttlichem Anteil

Lea und Christof Guggisberg

Finanziell ist es eine Herausforderung, da die meisten Krankenkassen den Aufenthalt nicht komplett – lediglich ein bis drei Stunden ambulante Pflege – zahlen dürfen. Die restliche Finanzierung muss das Paar flexibel mit den Angehörigen, dem Sozialdienst oder den finanziellen Möglichkeiten des WG-Gastes klären. Daher macht das Paar viel ehrenamtlich.  

Ihr Traum ist es, Menschen zurück zur ersten Liebe  – und das mit praktischen Mitteln und nicht bloss in der Theorie. «Viele Christen haben immer mehr Ängste – es gibt so viele Gedanken und Bewegungen.» Von dieser Unsicherheit wollen sie – so Lea – zurück zu der grundlegenden Frage: Wer bin ich und wer ist mein Gott? Menschen haben im Haus Arlis immer wieder ein sogenanntes «Aha»-Erlebnis – genau dafür wollen sie auch einen Rahmen schaffen.  

Ihr Ansatz ist anpassungsfähig – in erster Linie an den Plan Gottes – und konzentriert sich auf die Bedürfnisse der Menschen. Ob gesund oder krank, sie vertrauen darauf, dass die richtigen Menschen zu ihnen kommen. Das Angebot ist viel breiter als ‘nur’ die WG – man kann auch einfach ein Einzelgespräch haben, ein Weekend oben verbringen oder an einem Workshop teilnehmen. 

Sie seien mit dem Projekt durch denselben Prozess gegangen, wie sie jetzt im Coaching weitergeben: «Man muss sich trauen, geduldig zu sein, visionär zu sein und einfach mal auszuprobieren – das gilt für uns mit diesem Projekt und für jede Person, die zu uns kommt. Das macht das Haus Arlis aus.» 

Zur Website:
Haus ARLIS

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Autor: Debira Murri
Quelle: Livenet

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