«Erschüttert»

Thun: Allianz-Gottesdienst packt heisse Eisen an

Der Tod zweier bekannter Leiter in der Region Thun im Jahr 2014 hat in der Evangelischen Allianz und weit darüber hinaus Fragen ausgelöst, traten doch beide explizit unter anderem für Krankenheilung ein. Der Allianz-Gottesdienst am letzten Sonntag griff diese Fragen und Spannungen auf.
Rund 1'700 Personen nahmen am gemeinsamen Allianzgottesdienst in der EXPO-Halle in Thun teil.
Meinrad Schicker, Pastor der Bewegung Plus Thun

In Thun feierten am Sonntag gut 1'700 Christen einen gemeinsamen Gottesdienst in der EXPO-Halle zum Einstieg in die Allianz-Gebetswoche. Die Thuner Evangelische Allianz, eine der grössten der Schweiz, wurde im letzten Jahr erschüttert durch den Tod von Pfr. Michael Herrmann und Walter Bernhard. Beide waren seit Jahren zentrale Leiter in Thun. Zudem gründeten und leiteten sie Werke, die in der Region und in der ganzen Schweiz bekannt waren: das Seelsorge-Schulungswerk «J-Point» und die «Schule für Heilung». Der Gottesdienst nahm die Spannungen und Fragen, die ihr Tod ausgelöst hatte, auf persönliche und theologisch durchdachte Art auf.

«Alles wird erschüttert»

Der pensionierte Pfarrer Bernhard Welten bezog sich in seiner Predigt auf Erschütterungen in der Welt, im lokalen Umfeld und im persönlichen Leben. «Gott erschüttert heute sehr vieles – aber nicht, weil er straft, sondern weil er das Unerschütterliche – sein Reich – sichtbar machen will», erläuterte er mit Bezug auf einen Text aus dem Hebräerbrief (Kapitel 12, Verse 26-29). Wenn Gott Überzeugungen und Meinungen, aber auch selbstgemachte religiöse Konstrukte erschüttere, dann sollten Christen sich nicht wundern und müssten das aushalten. «Wenn Gott erschüttert, dann nur, um das Unerschütterbare zu festigen. Und nur Christen, die zerbrochen und bis zum Grund ihrer Existenz geprüft worden sind, haben einer zerbrochenen und erschütterten Welt etwas zu sagen», so Welten, selbst sichtlich bewegt durch den Verlust seiner beiden Freunde.

Spannungen nicht auflösen – um der Einheit willen

Meinrad Schicker, Präsident der Allianz Thun, wagte es, die Spannungen und Fragen, die durch das Sterben zweier Männer entstanden sind, die bis zum Schluss ihres Lebens an ihrer Heilung festhielten, offen anzusprechen. Um der Einheit willen, die im Laufe der Jahre in Thun gewachsen sei, dürfe man auch harte Wahrheiten nicht verschweigen. «Sie haben geglaubt, dass sie geheilt würden. Sie haben sich getäuscht. Aber das ist nicht schlimm, denn wir sind Menschen aus Fleisch und Blut – und als solche von Gott geliebt». Schicker drückte die theologischen Fragen hinter dieser Spannung in «5 Kernkompetenzen» aus, die zu weiterem Gespräch und zur Verarbeitung dienen sollten:

5 Kernkompetenzen

  • Wir geben die Gute Nachricht vom Reich Gottes in der Kraft des Heiligen Geistes weiter (Pfingsten).
    An das «rechte (das konservative) Lager» richtete Schicker die Ermahnung, die Möglichkeit von Heilung, Zeichen und Wundern jetzt nicht wieder abzuschreiben, sondern daran festzuhalten, dass beides von Gott versprochen und auch ein nötiger Teil unseres Zeugnisses sei. Diese Themen seien heute nicht mehr charismatisches Sondergut, sondern Allgemeingut des ganzen Leibes Christi.

  • Wir sind «Jünger – Lernende»: Fragen sind erlaubt und kein Ausdruck von Unglaube.
    Die «linke» – charismatische – Gruppe müsse demgegenüber lernen, «dass wir immer noch unterwegs und Lernende sind». Das gemeinsame Hinterfragen von geistlichen Überzeugungen und Praktiken sei kein Unglaube, sondern gehöre zur Weggemeinschaft von uns Christen. «Einheit darf nicht mit Nettigkeit verwechselt werden», so Schicker. «Einheit lebt vom Mut, auch Schwieriges anzusprechen».

  • Wir sind mit unserem Scheitern und unserer Sterblichkeit versöhnt (Karfreitag/Ostern).
    Christen müssten nicht immer fröhlich und auch nicht immer gesund sein. Sie dürften auch Fehler machen, scheitern – und sie werden krank und sterben. Christliche Gemeinden seien Kompetenzzentren, wenn es um Scheitern und Tod geht. «Schliesslich sterben wir nicht, weil wir krank werden; wir werden krank, weil wir sterblich sind – und das ist ok so.»

  • Wir sind Gläubige: Glaube ist aber keine Methode, sondern beschreibt die Qualität unserer Beziehung zu Gott.
    «Wir dürfen nicht an unseren Glauben glauben», so Schicker. Der Glaube sei in seinem innersten Kern das Ankommen in Gottes Armen. «Darum glaube ich nicht an Heilung, sondern an einen Gott, der heilen kann und will. So glauben wir auch nicht an das Gebet, sondern an einen Gott, der das Gebet seiner Kinder hört.»

  • Wir beten einen heiligen Gott an.
    Im Zentrum unseres Glaubens steht ein hörender und väterlicher Gott, der gleichzeitig aber auch unverfügbar und souverän – eben heilig ist. «Wenn wir nur anbeten, was wir verstehen, dann haben wir Gott auf die Grösse unseres Verstandes oder unserer Hosentasche geschrumpft – und den Gott der Bibel verloren.» Und schliesslich: «Ohne ein neues Verständnis für die Heiligkeit Gottes verkommt das, was wir Anbetung nennen, zur blossen Wohlfühlzeit».

Zur Webseite:
Evangelische Allianz Region Thun (EARTH)
J-Point
Schule für Heilung

Zum Thema:
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Datum: 13.01.2015
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet

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