Ruf nach Unterstützung

Scheidung – und die Gemeinde schweigt?

Niemand heiratet, um sich scheiden zu lassen. Aber es passiert – auch unter Christen. Vielfach fühlen die Betroffenen sich in diesem Fall von ihrer Kirche oder Gemeinde allein gelassen. Doch wie geht man jetzt konstruktiv miteinander um? Was kann die Gemeinde leisten und was nicht?
Scheidung: Wenn ein Ehepaar keinen gemeinsamen Weg mehr sieht.

Der Seelsorger und Autor Eddie Kaufholz aus Orlando in Florida antwortet auf eine Frage bzw. einen Vorwurf in diese Richtung. Und er zeigt, was eine Gemeinde tun kann, um Geschiedenen zu helfen.

Lieber Eddie …

Marc schreibt seinem Pastor und Seelsorger Eddie Kaufholz einen Brief. Darin beschreibt er seine Situation und Gefühle: «Ich lasse mich von meiner Frau scheiden. Das ist nicht schön, aber es ist auch nicht dramatisch…» Allerdings empfindet er, dass ihm seine Gemeinde in seiner Situation keine Hilfe gewesen ist, obwohl er meint, diese Entscheidung vor Gott getroffen zu haben. «Ich sehe, dass sie am Anfang stark betont haben 'Kämpfe für deine Ehe!', aber seitdem sind sie still.» Das ärgert ihn.

In seiner Antwort unterstreicht Kaufholz die Spannung, dass er einerseits gern jeden ermutigen und unterstützen will, andererseits weiss, dass man gerade im Bereich Scheidung dabei schnell im Trüben fischt. Er betont, wie leid es ihm für Marc und seine Frau tut, dass ihre Ehe am Ende ist. Und er unterlässt es bewusst, ihn noch einmal an sein Eheversprechen zu erinnern, denn «Weisst du, wer Scheidung wirklich hasst? Richtig: Geschiedene.» Dann kommt er auf die fehlende Unterstützung durch die Gemeinde zu sprechen.

Unterstützung konkretisieren

Kaufholz fragt weiter: Wie würde die Unterstützung aussehen, die sich sein Gegenüber wünscht? Er weiss, wie schnell man in emotionalen Stresssituationen dazu neigt, nach Hilfsangeboten wie nach Strohhalmen zu greifen, gleichzeitig aber andere für den Schmerz mit verantwortlich macht, den man gerade selbst erleidet. So empfiehlt er, die Erwartungen an Freunde, Seelsorger und die eigene Gemeinde konkret zu formulieren, vielleicht sogar aufzuschreiben. Dadurch macht man sich selbst bewusst, was legitime und was unrealistische Erwartungen sind.

Schwierigkeiten dabei

Die Hauptschwierigkeit bei der Unterstützung von Menschen, die gerade mitten im Scheidungsprozess sind, ist die Vielschichtigkeit der benötigten Hilfe: Sie reicht von geistlicher Begleitung über finanzielle Hilfe und Rechtsberatung bis hin zu Mediation beim Kontakt mit dem Ex-Partner. Aus der Gemeindepraxis kommend betont Kaufholz allerdings ganz ehrlich: «All das könnten Aufgaben für eine Gemeinde sein, doch andererseits widerstrebt es mir, mit unseren Gemeinderessourcen eine Scheidung zu unterstützen … Lieber investiere ich Zeit und Geld in Präventionsmassnahmen.» Diese Spannung besteht einfach. Es ist eben nicht Sinn der Sache, dass Gemeinden in Scheidungsangelegenheiten aktiv werden und helfen. Gleichzeitig werden Menschen in Gemeinden geschieden, und es ist blauäugig zu erwarten, dass sich das ändert, wenn man sie mit ihren Problemen allein lässt.

Tipps für echte Unterstützung

Egal wie stark sich eine Kirche oder Gemeinde für diejenigen engagieren will, die gerade mitten in ihrer Scheidung stecken, die folgenden Tipps kann sie auf jeden Fall beherzigen:

  1. Bieten Sie seelsorgerliche Hilfen vor der Scheidung an und engagieren Sie sich in erster Linie dafür, dass Ehen gedeihen.
  2. Wenn Ehen nicht mehr zu reparieren sind, dann sollten Sie – selbst wenn Sie in Ihrer Gemeinde Scheidung nicht als gangbaren Weg ansehen – den Betroffenen in dieser Zeit besonders Ihre Liebe zeigen und Raum für geistliche Entwicklung und mitfühlende Gemeinschaft schaffen.
  3. Viele frisch Geschiedene suchen nicht nur einen neuen Anfang, sie wollen auch wissen, was in ihrer Ehe schiefgegangen ist bzw. was sie beim nächsten Mal besser machen können. Hierzu gibt es hilfreiche Angebote im christlichen Umfeld. 
  4. Fragen Sie als Gemeinde nach dem Willen Gottes, bleiben Sie flexibel darin, wie Sie Menschen im Scheidungsprozess unterstützen und stehen Sie dazu, wenn Sie Fehler machen.

Wie kaum eine andere Situation unterstreicht so etwas wie Ehescheidung unsere Unvollkommenheit als Menschen und Christen. Wir haben es nicht geschafft! Dann ist Ehescheidung aber auch wie kaum eine andere Situation dazu geeignet, Gottes Gnade und unseren Umgang mit den Unvollkommenheiten des jeweils anderen auszuleben.

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Datum: 26.03.2015
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Relevant Magazine

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