Fortlaufende Bibellektüre

Benjamin Kilchör
Wie kann man die Bibel heute lesen? Darum geht es im Livenet-Talk mit Benjamin Kilchör und Sam Urech. Sie berichten über den YouTube-Kanal «Lectio Continua» und über die unterschiedlichen Herangehensweisen an den Bibeltext.

Benjamin Kilchör ist Theologe, Dozent und reformierter Pfarrer. Gemeinsam mit Kommunikationsberater Sam Urech spricht er im Livenet-Talk mit Florian Wüthrich darüber, wie Gottes Wort gelesen werden kann.

«Lectio Continua»

Benjamin doziert an der STH Basel und betreibt unter dem Namen «Lectio Continua» seit 2022 einen YouTube-Kanal mit fortlaufendem Bibelstudium. «Das lateinische Wort 'Lectio Coninua' habe ich stark mit der Zürcher Reformation verbunden, als die Reformatoren begannen, die Bibel fortlaufend auszulegen.» Wiederholt sei Benjamin darauf angesprochen worden, ob er sich nicht eine fortsetzende Auslegung des Alten Testaments vorstellen könne. Nach anfänglicher Zurückhaltung ging er das Projekt schliesslich an.

Während der Coronazeit entdeckte er zufällig im PowerPoint das Tool, welches eine integrierte Sprecheraufnahme ermöglicht. «Da fand ich: Das funktioniert so einfach; da könnte ich etwas machen.»

Ein YouTube-Kanal nimmt langsam Fahrt auf

«In den ersten Monaten stellte ich fest, wie schwierig es ist, etwas aufzubauen, bei dem Menschen zuschauen.» Es sei ihm schon klar gewesen, dass dies kein Selbstläufer ist, trotzdem hatte er sich vorgestellt, die ersten 100 Abonnenten schnell zusammen zu haben. «Doch schon das zeigte sich als schwierig.» Erst als IDEA Deutschland nach einigen Monaten auf den Kanal aufmerksam wurde und einen Bericht machte, begannen die Beiträge an Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Benjamin stellt erstaunt fest, dass er oft er auf den «Lectio Continua» angesprochen wird – trotz noch immer relativ kleiner Zahlen von Abonnenten und Views. Viele würden jeden Beitrag ansehen, andere punktuell etwas rauspicken. «Die meisten Rückmeldungen erhalte ich von Leuten, welche die Inhalte in der Gemeindearbeit weiterverwenden.» Künftig will der Bibellesebund das Programm übernehmen, was die Reichweite noch einmal vergrössern wird.

Sam Urech unterstützt die theologische Auseinandersetzung

In unterschiedlichen, insbesondere technischen Belangen unterstützt Sam Urech seinen Freund Benjamin. «Ich habe die Webseite für ihn gemacht», sagt er und freut sich, einen Beitrag leisten zu können, damit «Lectio Continua» Verbreitung finden kann. Darüber hinaus hat auch Sam einen Podcast lanciert, welcher aber anders ausgerichtet ist. «Für mich ist wichtig, dies zu unterscheiden.» Die Arbeit von Benjamin bezeichnet Sam als «Theologie von Theologie». Da werden Bibelstellen auseinandergenommen und erklärt. In Sams Beitrag würde viel mehr vom persönlichen Glauben her über verschiedene Themen diskutiert.

Wissenschaftliches oder persönliches Bibellesen?

Benjamin habe immer wieder gehört, dass man das wissenschaftliche Bibellesen vom persönlichen unterscheiden müsse. «Dieser Ansatz hat mich überhaupt nicht überzeugt. Das ist bei mir voll integriert und ich möchte nicht für das wissenschaftliche Arbeiten das Geistliche ausklammern und ich möchte auch mein Wissen bei der geistlichen Lektüre nicht ausklammern.» Natürlich würde er die Bibel auch lesen, ohne verschiedenste Kommentare beizuziehen – doch auch da würde sein Wissen einfliessen.

Sam Urech

Verschiedene Arten von Bibelverständnis

Heute gibt es oft Spannungen zwischen Christen, deren Bibelverständnis unterschiedlich ist. Benjamin sieht den Grund dafür in der grossen gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrhunderte begründet. «Dabei hat sich das Weltbild bei Christen – ich würde sagen, auch von evangelikalen Christen – stark verändert.» Entsprechend des Weltbildes, welches sich über die Jahre gewandelt hat, entstanden unterschiedliche Methoden zur Bibelauslegung. Benjamin spricht als Beispiel die Praxis an, einen Text bis ins kleinste Detail zu sezieren und dabei in Gefahr zu stehen, den Geist zu verlieren.

Bei all den unterschiedlichen Herangehensweisen beschreibt Benjamin seine eigene Priorität. «Grundsätzlich möchte ich nicht den Text beurteilen, ob er mir passt, so wie er ist oder ob er gültig ist. Ich möchte den Text verstehen. Und ich möchte ihn zu mir reden lassen.» In seinen Beiträgen des «Lectio Continua» will Benjamin auf Streitfragen möglichst verzichten und stattdessen dabei helfen, den Text zu verstehen.

Nicht verwässern und keine rein humanistische Brille

«Ich versuche, die Bibel so gut zu verstehen, wie ich kann», sagt Sam. «Dabei möchte ich in die Tiefe gehen und ich möchte die Bibel wörtlich nehmen und sie nicht einfach so interpretieren, wie es mir gerade passt.» Es sei aber auch nicht zielführend, wenn man nur danach strebt, radikaler und strenger zu sein. «Ich habe jedoch Mühe damit, wenn man zu verwässern versucht und die Bibel nur noch durch eine humanistische Brille liest.» Die Bibel habe viele herausfordernde Passagen, welche zu verstehen oft etwas schwierig sei. «Da habe ich meine Meinung oft schon überarbeitet.» Sam erklärt, dass er seine Meinung nicht als in Stein gemeisselte Wahrheit bezeichnen, sondern vielmehr als einen Prozess verstehen will.

Sehen Sie sich hier den das passende Video an:

 

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Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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