Gebetsweg entlang der Schöpfungs-Geschichte

Am siebten Tag ruhen und feiern
Gott segnete und heiligte den siebten Tag, den Tag der Ruhe. Könnte es sein, dass der Ruhetag eine Einladung dazu ist, ganz bewusst auf die vergangene Woche zu schauen und zu feiern?

Ich staune immer wieder darüber, wenn ich eine vertraute Bibelstelle lese und über etwas stolpere, was mir noch nie aufgefallen ist. So ging es mir vor Kurzem, als ich die Schöpfungsgeschichte las. Mich überraschte, dass Gott nicht den sechsten Tag heiligte – den, an dem er seine Arbeit beendete –, sondern den siebten: «Am siebten Tag vollendete Gott sein Werk und ruhte von seiner Arbeit aus. Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig, weil es der Tag war, an dem er sich von seiner Schöpfungsarbeit ausruhte» (1. Mose Kapitel 2, Verse 2-3).

Warum, so fragte ich mich, vollendet Gott sein Werk am siebten Tag? In meinem Verständnis hatte er die Schöpfung bereits am Tag davor beendet. Sein zufriedener, wertschätzender Rückblick galt ja ausdrücklich allem, was er gemacht hatte; kein Schöpfungswerk stand noch aus: «Danach betrachtete Gott alles, was er geschaffen hatte. Und er sah, dass es sehr gut war. Und es wurde Abend und Morgen: der sechste Tag» (1. Mose Kapitel 1, Vers 31).

Würden wir nicht den Tag feiern, an dem wir unser Werk abgeschlossen haben? Warum sagt die Bibel, dass Gott sein Werk nicht am sechsten, sondern am siebten Tag vollendete? Könnte es sein, dass erst der Ruhetag bestätigt, dass dem Werk nichts mehr hinzuzufügen ist?

Ruhe und die «Dreiheiligkeit»

Gott segnet und heiligt den siebten Tag, den Tag der Ruhe. Es scheint so, dass zwischen drei Elementen eine tiefe Verbindung besteht: zwischen Segen, Heiligkeit und Ruhe. Diese drei gehören offenbar unabdingbar zusammen – zumindest war es ganz am Anfang so. Demnach bedeutet Ruhe Segen und Ruhe ist heilig. Keine Dreieinigkeit, aber eine «Dreiheiligkeit» vielleicht?

Diese Beobachtung liess mich nicht mehr los. In einer Welt, in der das Tun wichtiger geworden ist als das Sein, ist dieser Gedanke irgendwie befremdlich. In der Welt, in der ich lebe, ist das Ruhen selten. Stille ist uns oft unangenehm, obwohl wir uns danach sehnen. Wir sind es gewöhnt, sie zu füllen. In Momenten der Stille geht unser Blick ganz selbstverständlich aufs Handy oder in eine Zeitung. Wir lieben es, Musik zu hören oder die freien Zeiten für unseren Lieblingspodcast zu nutzen. Aber Stille? Ruhe ohne etwas sonst?

Durchatmen, Loslassen, Abgeben, Betrachten, Bewerten und sich daran freuen, was man geschaffen hat – das ist Segen. Und dies ist nur möglich in Ruhe. Solange ich nicht zur Ruhe komme, kann ich nicht wahrnehmen, was ich geschaffen habe und was geworden ist. Wenn ich aber zur Ruhe komme, kann ich es beurteilen und mich an all dem freuen, was gelungen ist.

Zurückblicken, danken, feiern

Könnte es sein, dass der Ruhetag eine Einladung dazu ist, ganz bewusst auf die vergangene Woche zu schauen und zu feiern? Ich glaube, ich bin hier einem Geheimnis auf der Spur. Es ist doch so, dass Gott uns einen ganzen Tag schenkt, damit wir Zeit haben für Gemeinschaft miteinander und mit ihm.

Es gibt viele Kulturen, die das Konzept des Sonntags nicht kennen. Wo das die Normalität ist, verlieren wir die Freude an der Arbeit, weil wir kaum Raum haben, darüber nachzudenken, wofür wir arbeiten. Ich habe mir vorgenommen, die Einladung Gottes anzunehmen und am Sonntag bewusst Raum zu schaffen für den Blick zurück. Raum zu schaffen für Dankbarkeit.

Ich habe hierzu ein paar Fragen entworfen (siehe unten), die uns helfen können wahrzunehmen, was wir in der vergangenen Woche erlebt haben. Die Idee ist, sich eines dieser Themen an einem Sonntag vorzunehmen. Am schönsten wäre es, dies in Gemeinschaft machen – egal ob in direkter Begegnung oder in einem Video-Call.

Einen Gebetsweg abschreiten

Es ist geradezu ein Gebetsweg, der sich aus der Schöpfungsgeschichte am Anfang der Bibel ergeben kann. Dabei gehen wir nicht Schritt für Schritt an den sieben Tagen entlang – wohl aber an einzelnen Schöpfungswerken in der biblischen Reihenfolge. Manchmal sind zwei davon demselben Tag zugeordnet, manchmal lässt der Gebetsweg einen Schöpfungstag aus. Es kommt mir hier also nicht auf die sieben Tage an, sondern auf bestimmte Werke und auf den Rahmen, den Gott schafft und in dem er schafft.

Ein Gebetsweg: eine Möglichkeit, den Ruhetag zum Gebetstag und Dank-Tag zu machen. Ein Weg hin zu den drei Dingen, die Gott zusammengedacht hat: Heiligkeit, Segen und Ruhe.

Der Gebetsweg:

Tohuwabohu

«Die Erde aber war wüst und öde, finster war es über den Wassern. Und der Geist Gottes schwebte über der Wasserfläche.» (1. Mose Kapitel 1, Vers 2)
Was war in dieser Woche herausfordernd?
Wo herrschte Durcheinander?
Was erschien sinnlos oder hoffnungslos?
Der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser! Gott ist da. Er wartet darauf einzugreifen.
Wo sehe ich einen Hoffnungsschimmer?

Licht

«Da sprach Gott: ‚Es soll Licht entstehen!‘, und es entstand Licht.» (1. Mose Kapitel 1, Vers 3)
Wo ist Licht ins Dunkel gekommen?
Wo ist etwas klarer geworden?
Wo kann ich den Weg wieder sehen?

Lebensraum

«Und Gott sprach: ‚Die Wasser unter dem Himmel sollen sich an einem Ort sammeln, damit trockener Boden zum Vorschein kommt.‘ Und so geschah es.» (1. Mose Kapitel 1, Vers 9)
Wo kann ich wieder Land sehen?
Wo ist neuer Lebensraum entstanden?
Wo habe ich eine Gelegenheit bekommen oder geschaffen, wo Menschen sich wohlfühlen?

Frucht

«Dann sprach Gott: ‚Auf der Erde soll Gras wachsen und sie soll Pflanzen hervorbringen, die Samen tragen, und Bäume voller unterschiedlichster Früchte, in denen ihr Same ist.‘ Und so geschah es.» (1. Mose Kapitel 1, Vers 11)
Wo habe ich Frucht meiner Arbeit gesehen?
Wo hat mir mein Leben geschmeckt?
Wo war ich überrascht, was aus dem geworden ist, was ich investiert habe? Ein gutes Gespräch nach langem Schweigen? Ein gelöstes Problem?

Zeitpunkte

«Und Gott sprach: ‚Am Himmel sollen Lichter entstehen, um den Tag von der Nacht zu unterscheiden. Sie sollen Zeichen sein, anhand derer die Jahreszeiten, die Tage und die Jahre bestimmt werden.‘» (1. Mose Kapitel 1, Vers 14)
Wo habe ich in der vergangenen Woche den richtigen Zeitpunkt erkannt?
Wo habe ich erlebt, dass eine schwierige Phase abgeschlossen wurde?
Wo hat etwas Neues begonnen?

Gemeinschaft

«Da sprach Gott: ‚Wir wollen Menschen schaffen nach unserem Bild, die uns ähnlich sind. Sie sollen über die Fische im Meer, die Vögel am Himmel, über alles Vieh, die wilden Tiere und über alle Kriechtiere herrschen.‘» (1. Mose Kapitel 1, Vers 26)
Wo habe ich mich daran erinnert, wer ich wirklich bin?
Wo habe ich Wertschätzung erfahren?
Wo habe ich Verantwortung bekommen?
Wo habe ich Unterstützung erlebt?
Wo bin ich Menschen begegnet, die an meiner Seite gehen?

Sehr gut

«Danach betrachtete Gott alles, was er geschaffen hatte. Und er sah, dass es sehr gut war. Und es wurde Abend und Morgen: der sechste Tag.» (1. Mose Kapitel 1, Vers 31)
Wo würde Gott zu meinen Bemühungen, meinem Engagement, meinen Entscheidungen sagen: Siehe, es war sehr gut?

Danke

«Am siebten Tag vollendete Gott sein Werk und ruhte von seiner Arbeit aus. Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig, weil es der Tag war, an dem er sich von seiner Schöpfungsarbeit ausruhte.» (1. Mose Kapitel 2, Vers 2-3)
Wofür möchte ich Gott danken?
Ich habe viel getan, heute darf ich ausruhen und mich an meinem Leben freuen.

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Autor: Andrea Varga
Quelle: Magazin Faszination Bibel 03/2024, SCM Bundes-Verlag

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