Wenn Gott nicht zu seinem Wort zu stehen scheint

Der Regenbogen steht für Gottes Verheissungen.
Baut jemand sein Leben auf die Bibel und erlebt dann nicht, was sie verheisst, kann dies schwierig sein. Kann man sich wirklich auf Gottes Wort verlassen?

Wer sein Leben auf Gottes Wort baut, wird erfahren, wie Gott selbst sich dazu stellt. Christen wissen viele Geschichten von Gottes Treue und Eingreifen zu berichten und freuen sich an unzähligen Storys von anderen Gläubigen. Aber da gibt es auch die Erfahrung, dass Gott sich nicht zu seinem Wort zu stellen scheint.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Dieser Artikel wird nicht alle Fragen beantworten können, will aber eine Perspektive aufzeigen, um mit Gottes Wort umzugehen.

Das Problem des «Kalender-Zetteli-Christentums»

Heute werden oft beliebige Passagen aus der Bibel – oft nur Teile eines Verses – aus dem Zusammenhang entrissen und fürs eigene Leben proklamiert. Manchmal ist dies hilfreich, der Bibel können wir damit aber unmöglich gerecht werden.

Ein grosser Teil der Verheissungen, die wir in der Bibel finden, sind an eine Bedingung geknüpft. So sagte Jesus beispielweise nicht einfach «Ihr seid meine Freunde» – auch wenn wir das gerne so hätten. Stattdessen sagte Jesus «Ihr seid meine Freunde, wenn ihr meine Gebote befolgt.» Die Bedingung ist klar und es ist unmöglich, sich auf Johannes Kapitel 15, Vers 14 zu berufen, um sich als Freund von Jesus zu bezeichnen, ohne sich gleichzeitig in einem Lebensstil des Gehorsams zu üben. Ist eine Verheissung mit einer Bedingung verknüpft, braucht man sich nicht über Gott zu beschweren, wenn sich seine Verheissung trotz unserer Gleichgültigkeit nicht erfüllt.

Biblische Verheissungen haben einen Adressaten

Ein anderer wesentlicher Punkt ist, dass Jesus die Worte «Ihr seid meine Freunde» nicht wahllos in die Welt hinausrief. Nein, er wandte sich damit konkret an sein Jünger. Gehören wir denn da automatisch auch dazu?

Oder ein markanteres Beispiel: Nachdem das Gefängnis in Philippi von einem Erdbeben so durchgeschüttelt wurde, dass alle Gefangenen befreit wurden, fürchtete der Gefängnisaufseher um sein Leben. Er fragte Paulus, was er tun solle. Dieser antwortete: «Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus gerettet.» Gilt nun der Zuspruch von Paulus an den Gefängniswärter automatisch allen Menschen? Wenn wir davon ausgehen, dass Angehörige von Gläubigen immer gerettet werden, könnte mancher aufgrund von Beobachtungen und Erfahrungen den Glauben verlieren.

Gelten Gottes Verheissungen an eine Person, eine Gruppe oder das Volk Israel auch mir? An dieser Stelle sollten wir der Versuchung eines einfachen «ja» oder «nein» widerstehen. Wenn Gott einer Person in der Bibel eine Verheissung gab, könnte er diese Verheissung doch auch mir geben. Ich gehe zwar nicht davon aus, dass dies zwangsläufig der Fall ist, wende mich aber glaubensvoll an Gott, der schon einmal jemandem die Verheissung gegeben hat.

Gottes Verheissungen lassen auf seinen Charakter schliessen und da sein Charakter unveränderlich ist, führen mich seine Verheissungen an andere Menschen zu einem glaubensvollen Bitten. Wenn wir den Fokus auf Gott und nicht auf den Empfänger der Verheissung legen, erkennen wir, wie gerne Gott beschenkt. Wir erkennen aber auch, dass ihm unser Glaube, unsere Gottesfurcht und unsere Liebe für ihn zentral wichtig sind.

Und manchmal verstehen wir Gott nicht

Zu den schwierigsten Erfahrungen im Glaubensleben gehört die (vermeintliche) Feststellung, dass Gott nicht zu seinem Wort steht. Wir haben der Bibel geglaubt, wir haben Gott beim Wort genommen und auch allfällige Bedingungen erfüllt – und trotzdem scheinen sich seine Verheissungen und Zusagen nicht zu erfüllen. Die fromm klingende Aussage, dass dann, wenn wir Gott nicht verstehen, er einfach grösser als unser Verstand ist, hilft uns an dieser Stelle nicht weiter. Wenn wir unser Verstehen nämlich schon mal als unnütz erklären, wird Gott unberechenbar und willkürlich.

In Situationen, wo wir von Schmerz und Zweifel geschüttelt werden, ist es wichtig, uns von Gottes (fehlendem) Handeln zu lösen und uns nach Gott selbst auszustrecken. An Tagen, wo sein Verhalten irritiert und wir enttäuscht sind, mag dies nicht einfach sein, doch der Entscheid, dass uns Gottes Gegenwart mehr wert ist als seine Segnungen oder ein leidfreies Leben, kann einen grossen Unterschied machen.

Die biblischen Aussagen über Gott sind der Fixpunkt

Es wird immer Situationen geben, wo wir Gott nicht verstehen. Zuweilen mag dies für uns eine Prüfung sein, aber auch ein Zeichen dafür, dass unser Glaube nicht oberflächlich oder gleichgültig ist.

Gott ändert sich nie und die Bibel offenbart sein Wesen. Wenn wir lesen, dass die Schuhe der Israeliten während ihrer 40-jährigen Wanderschaft nicht abgenutzt wurden, dann wissen wir: Gott kann das! Und wenn wir den Zuspruch von Paulus an den Gefängniswärter lesen, dann erkennen wir dahinter Gottes Herz für die Familie. Ob es bei den biblischen Verheissungen klare Bedingungen gibt, oder die Zusage einem konkreten Menschen galt: Wir erfahren, wie Gott sich kümmert, wie er eingreift und wozu er in der Lage ist. Gottes Handeln oder Nichthandeln in unserem Leben oder bei unseren Angehörigen kann uns verwirren. Aber eines ist klar: Gott ist immer derselbe. Er ändert sich nicht.

Und eine weitere Sache ist ebenso fix: Gott ist treu und wird immer bei denjenigen sein, die sich ihm zuwenden – selbst dann, wenn sie ihn nicht verstehen oder sogar von ihm enttäuscht sind.

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Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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