Veränderungen durch Megatrends
Megatrends führen heute zu grossen und komplexen Veränderungen in unserem Privat- und Berufsleben, viele sehen ihnen voller Kummer entgegen. Wir sind herausgefordert, Theologie, Spiritualität und Lebensstil weiterzuentwickeln, damit wir Zukunfts- und Hoffnungskompetenz leben können. Dies erlaubt uns, neue Wege aufzuzeigen und als Kirchen zu Licht und Salz zu werden – statt die Veränderungsängste in der Gesellschaft noch weiter anzuheizen. Paulus lehrt uns, dass unser Glaubensleben nicht isoliert stehen soll, sondern zukunftsfähig wird, wenn wir es mit Liebe und Hoffnung erweitern.
Die Bibel erzählt uns Geschichten von Aufbrüchen und damals neuartigen Wegen. Wir sind heute wiederum herausgefordert, «prophetische Kirche» zu sein im Aufzeigen und Vorausgehen von neuen Wegen. Wo bauen wir angesichts der Megatrends Kompetenzen auf? Wo gehen wir mutig und zuversichtlich voraus – nicht nur vergeistigt und auf ein Jenseits bezogen, sondern konkret? Und wie bilden wir als Kirchen das in unseren Predigtthemen und in unserem Zeitund Finanzbudget ab?
Veränderungen mit lebensbejahendem Sinn
Eine «Zukunfts- und Hoffnungswerkstatt» in unseren Kirchen quer durch alle Generationen ist ein Mittel, gemeinsam vor Ort über Megatrends zu reden. Wo sind wir betroffen? Wo haben wir schon Fähigkeiten in unserer Mitte? Wo erkennen wir als Kirche eine Berufung im Umgang mit diesen Veränderungen? Nicht, indem wir einfach dagegen sind, sondern indem wir einen lebensbejahenden Sinn in diesen Veränderungen freisetzen und Hoffnung stiften können.
Jede Kirche ist aufgrund ihrer Mitglieder und ihrer lokalen und sozialen Umgebung einzigartig und deshalb gefordert, den eigenen Weg in die Zukunft selbst zu suchen und zu gehen. In meiner persönlichen Erfahrung als Experte und meiner Zusammenarbeit mit Kirchen tauchen folgende vier Beispiele immer wieder auf:
1. Umgang mit der Umwelt
Die Bibel und unser Glaubensbekenntnis beginnen mit der Geschichte von Gott als dem Schöpfer der Erde; er hat uns diese Erde anvertraut. Als deren Verwalter sind wir gefordert, die Megatrends von «Bevölkerungswachstum», «Urbanisierung», «Mobilität» und «Digitalisierung» verantwortungsvoll und nachhaltig zu gestalten, damit auch unsere Enkelkinder noch Gottes Charakter in der Schöpfung erkennen können.
Im Megatrend der «NeoÖkologie» erkennen wir grosse Ängste in Anbetracht von Klimawandel, Ressourcenverknappung und Abfallflut. Wie können wir weltweit kreative neue Wege gehen? Wo erkennen wir in der Natur Vorbilder, die seit Jahrtausenden Leben ermöglichen – und uns Hinweise für die Zukunft unserer gebauten Welt geben können?
2. Beziehungs- und Versöhnungskompetenz
Das Themenfeld der Beziehung zieht sich durch die Bibel: sei es Gott und Mensch, Jesus und Jünger, Mann und Frau, Eltern und Kinder und andere mehr. Die Megatrends von «Globalisierung», «Individualisierung», «Neo-Nomadisierung», «Gender Shift» als Veränderung der gesellschaftlichen Erwartungen und Möglichkeiten punkto Frau und Mann, «Digitalisierung», «neuer aggressiver und polarisierender Uneinigkeit und Zweifel an Experten und Behörden» verändern unsere traditionelle Beziehungskultur in Mitteleuropa in grossem Masse. Als Kirchen sind wir gefordert, Beziehungs- und Versöhnungskompetenzzu fördern und zu leben.
3. Persönliche Spiritualität
Manche Geschichte der Gotteserfahrung in der Bibel findet in der Einsamkeit statt. Persönliches Gebet, stille Zeit und Fasten sind wichtige Aspekte der christlichen Spiritualität. Die psychologische Forschung zeigt, wie wertvoll Formen von Achtsamkeit und Meditation für Gesundheit und Wohlbefinden sind. Aufgrund von Megatrends wie «Urbanisierung», «Bevölkerungswachstum», «Mobilität», «Digitalisierung», «Beschleunigung», «Konnektivität» und «Transparenz» gewinnt eine persönliche Spiritualität an Bedeutung.
4. Vertrauenswürdigkeit
Das Spannungsfeld zwischen einem liebenden, lebensbejahenden Gott und Götzen des Totenreiches, die Menschenopfer fordern, bildet die Grundlage von dramatischen Geschichten in der Bibel. Dahinter steht auch das Bedürfnis nach Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Echtheit. Nachdem in den letzten zwei Jahrhunderten der Staat sowie der technische und wirtschaftliche Fortschritt grosses Vertrauen in der Schweiz gewonnen haben, werfen «Digitalisierung», «künstliche Intelligenz und Big data», die «technologische Autonomisierung durch KI und Robotik» und «der neue aggressive Widerstand und Zweifel» diese alten Fragen wieder neu auf: Wer ist vertrauenswürdig, wer ist glaubwürdig, was ermöglicht echtes Leben?
Mit Mut raus aus alten Mustern
Dies sind Beispiele von komplexen Veränderungen, die uns als Gesellschaft und als Kirchen in den kommenden Jahren beschäftigen werden. Beispiele, wie Megatrends uns in unserer Theologie und unserem persönlichen Glaubens- und gemeinsamen Kirchenleben treffen werden. Weitere Veränderungen wie die steigende Langlebigkeit und das Zusammenleben der Generationen oder «New Work», die neue Definition von Erwerbsarbeit und Leistung und andere mehr fordern uns als Gesellschaft, Wirtschaft und Kirche heraus.
Wenn wir als Kirchen alte Muster des 19. und 20. Jahrhunderts verteidigen, wählen wir die Vergangenheit. Die Megatrends verlangen Mut, Tatkraft und Gottes Weisheit, um voller Hoffnung neue Wege zu finden bzw. weiterzuentwickeln, damit unsere Kinder auch im 21. Jahrhundert leben und glauben können.
Dieser Beitrag erschien zuerst im SEA Fokus, dem Hintergrundmagazin der Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA.
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