René Winkler

Vertrauen statt Kontrolle: Die Angst vor den Falschen

Eine angstfreie Kultur gibt es nicht. Und Angst ist lebenswichtig, weil wir ohne sie kein Verhältnis zum Risiko hätten. Und das wäre rasch tödlich. Auch Jesus geht selbstverständlich davon aus, dass Angst ein Teil unserer Lebenswirklichkeit ist. Doch sollen wir nicht von der Angst, sondern von Gottes Liebe geleitet sein – und das heisst vertrauen, anstatt zu kontrollieren.
Geleitet sein von Gott
René Winkler

Es geht im Leben nun mal um Leben und Tod. Und so versuchen Christen bewusst, sehr ernsthaft durchs Leben zu gehen, kompromisslos und vorbildlich, damit sie auch für andere keine falschen Spuren legen. Das ist gut und auch recht. Jesus fordert seine Leute aber auf, keinesfalls vor den falschen Dingen Angst zu haben. Ihm zu vertrauen, generiert Zuversicht.

Woher aber die Angst, Fehler zu machen und den Segen zu verlieren? Die Angst, eine falsche Meinung zu haben? Die Angst, sich durch Andersdenkende und Andersglaubende anstecken zu lassen? Die Angst, nicht relevant zu sein? Die Angst, nicht dabei zu sein, Erfahrungen nicht zu machen, Gaben nicht zu haben, Highlights zu verpassen? Die Angst, durch Treue zu Geschwistern in seiner geistlichen Entwicklung aufgehalten zu werden? Die Angst vor fadem Lobpreis? Warum sind so viele freie Christen auf der Flucht oder leben hinter Sicherheitszäunen? Aus Angst vor den Falschen!

Das Interesse der Christen ist weitgehend identisch: Jesus Christus lieben, ihm nachfolgen und treu bleiben, ihn anbeten und Menschen zu ihm lotsen, damit sie dasselbe tun. Verbal ist das unser gemeinsamer Nenner, auch wenn einige eine andere Reihenfolge betonen.

Geliebte lieben

Wer dieses Interesse als Geliebter verfolgt, der liebt Menschen und sich sowieso. Wir sind geliebt, und wie! Das zeigen schon ein paar Sprünge durch den Epheserbrief: Durch Jesus Christus hat uns Gott namentlich ausgewählt, unwiderruflich begnadigt, an sich festgemacht und von allen fremden Ansprüchen gelöst, unverdient als seine Erben eingesetzt und seinen Geist als Siegel auf unser Leben gesetzt. Wir gehören nur ihm. Wer immer diese Zugehörigkeit lösen will, bekommt es mit ihm zu tun. Diese Liebe Gottes als Grund und Boden des Lebens zu haben, ist fantastisch! Umfassend kann man sie nicht begreifen. Aber man kann es versuchen. Gemeinsam mit anderen begreift man mehr davon (Epheser Kapitel 3, Verse 17-19). Daraus wächst eine grosse Freiheit, zu leben und zu lieben; eine Freiheit, die auch von Lebensumständen nicht eingeschränkt werden kann.

Ängstliche kontrollieren

Wer das gemeinsame Interesse aus Angst verfolgt, ruft nach Sicherheit. Angstgeleitete kümmern sich darum, alle Zweifel auszuräumen und loszuwerden. Fehler sind problematisch und zu vermeiden. Das Leben ist gefährdet. Auf der Hut zu sein, ist nicht alles, aber doch entscheidend. Das eigene Leben und auch die Gemeinde im Griff zu haben, ist Ausdruck von Verantwortung. Angst kultiviert eine Gewissenhaftigkeit gegenüber Gott und seinem Wort, die zu einer Priorisierung von Bibelworten führt, die das Versagen, die Gefahren und die Verantwortung betonen. Daraus entwickeln sich Überverantwortung, der Hang zu kontrollieren und eine Leistungskultur, die immer sofort weiss, was noch fehlt und zu tun ist. Es ist fürchterlich: je dominanter die Angst, desto selbstgestrickter der Glaube. Aus der Angst entsteht Religion; aus der Liebe wächst Vertrauen. Deshalb:

Die Ehrfurcht vor dem Einzigen

Die Ehrfurcht vor dem Einzigen unter allen Umständen Liebenden – das schafft die Freiheit, hier und jetzt zu leben und lieben. «Die Freude an Gott ist unsere Stärke!» (Nehemia Kapitel 8, Vers 10) begriffen unsere Väter und Mütter schon vor Jahrtausenden. Wir wissen mehr als sie, viel mehr. Nichts und niemand kann Gott daran hindern, uns zu lieben. (Römer, Kapitel 8, Verse 31-39) Die Angst vor unseren Schwächen und Fehlern verliert ihre Kraft. Den Ängsten vor dem, was gestern war, jetzt (nicht) ist und morgen sein könnte, weisen wir getrost die Tür. Diese Energie- und Kulturwende braucht die Welt.

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Datum: 06.10.2019
Autor: René Winkler
Quelle: Magazin INSIST

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