«Du bist da in meinem Schmerz»

Roland Hardmeier im Livenet-Talk
Fragen nach Ursprung und Grund des Leids in dieser Welt beschäftigen die Menschheit seit jeher. Auch der leidgeprüfte Theologe Roland Hardmeier machte sich Gedanken und spricht im Livenet-Talk über sein kürzlich veröffentlichtes Buch zu diesem Thema.

Als persönlich Betroffener schrieb Hardmeier ein Buch über das Leiden. «Es ist eine lange Geschichte, die im Jahr 2000 ihren Anfang nahm», erzählt er. «Damals war ich als Pastor tätig und verspürte während des Arbeitens am Computer plötzlich einen leichten Stromschlag im Kopf.» Als ihm übel wurde, legte er sich hin – davon ausgehend, dass sein Arbeitspensum gerade etwas zu hoch gewesen ist und er bald wieder auf den Beinen sein würde.

Tatsächlich erholte er sich in den folgenden Tagen wieder. Doch bald ereilten ihn erneut kräfteraubende Schwindelattacken. «In den folgenden Jahren ging es kontinuierlich nach unten, bis ich im Jahr 2010 physisch und psychisch zusammengebrochen bin.» Er liess sich in die Klinik einliefern, Beschwerden wie Sehstörung, Erschöpfung und Schwindel liessen ihn nicht mehr los. Es wurde chronisch, sein weiteres Leben sollte leidgeprüft sein.

Phasen des Leidens

In seinem Buch beschreibt Hardmeier die Leidensphasen, die er selbst erlebt hat und welche Leidende grundsätzlich durchlaufen. «Am Anfang gibt es für viele, die in ein Leiden hineinkommen, eine Phase der Ungewissheit», beschreibt er die Anfänge. Wenn sich dann die Gewissheit der leidvollen Situation einstellt, führe dies zu Resignation und Auflehnung gegen das Schicksal. «Für mich als Christ kommt dann die Phase, in welcher ich mit dem Schicksal verhandle, wo ich unschön, aber ganz ehrlich bete.»

Viele Klagepsalmen seien wahrscheinlich genau in dieser Phase der Resignation und der Auflehnung geschrieben worden. «Irgendwann finde ich schliesslich heraus, dass ich mein Schicksal annehmen, mich damit versöhnen und Frieden finden kann.» Dann könne er aufbrechen zu einem neuen Leben – wenn auch vielleicht mit Einschränkungen.

Eine Hoffnung, die über die Geschichte hinausreicht

Roland Hardmeier erinnert sich an einen Punkt in seiner Leidensgeschichte, wo er nicht mehr wusste, wie er weitermachen sollte. Das Wissen um einen allmächtigen und liebevollen Gott, der in seiner Not nicht eingreift, war herausfordernd. In diesem Moment glaubte er, dass ein Atheist besser dran ist als er. «Es ist sehr wichtig, im Leiden absolut ehrlich zu sein», hält er im Blick auf diesen Tag fest. «Die Psalmen ermutigen mich dazu, so ehrlich zu sein.»

Schon nach kurzer Zeit sah er den Atheismus aber überhaupt nicht mehr im Vorteil, denn dieser sieht sich einem toten, leblosen Schicksal ausgesetzt, welches auch jenseits der Geschichte nicht wiedergutgemacht werden kann. «Als Christ habe ich eine Hoffnungsperspektive und ich weiss und glaube, dass es sogar jenseits der Geschichte der Menschheit eine grosse Wiedergutmachung geben wird. Gott bringt alles wieder ins Lot.»

Ehrlichkeit ist zentral wichtig

«Ich versuche, grundsätzlich ehrlich zu sein», erklärt Hardmeier seinen Umgang mit den offenen Fragen des Leidens. Das beinhalte manchmal nicht mehr als einfach zu sagen, dass das Leiden ein riesiges Problem ist. Die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes im Leiden könne nicht beantwortet werden, man müsse und könne aber lernen, damit zu leben. Hardmeier muss ehrlich sagen, auf gewisse Fragen keine abschliessenden Antworten zu haben. «Ich finde in der Bibel aber sehr viele Ressourcen, die mir Mut machen und zeigen, dass Leiden nicht einfach nur ein Zufall ist.»

Wenn ein Leidender Bücher schreibt

Cover des Buches «Du bist da in meinem Schmerz» von Roland Hartmeier

«Grundsätzlich schreibe ich gerne», sagt Hardmeier über eine Tätigkeit, die er heute noch ausübt. «Ich kann gar nicht anders als schreiben.» In seinem Kopf denke er ständig über mögliche Texte nach und so habe er in den vergangenen Jahren im Gebet bewegt, ein Buch übers Leiden zu schreiben. Irgendwann war es reif und mit «Du bist da in meinem Schmerz» liegt nach einer dreijähriger Arbeitsphase nun das Ergebnis vor.

Im ersten Teil des Buches vergleicht Hardmeier die hoffnungsvolle, christliche Perspektive im Leiden mit dem Atheismus, Hinduismus oder Buddhismus. Im Talk führt er die jeweiligen Ansätze und die entsprechenden Konsequenzen kurz aus. Die Bibel bezeichnet das Leiden als eine Tatsache, die aber auch als ungerecht bezeichnet wird. «Mit unserem Glauben überwinden wir das Leiden und nehmen es nicht einfach fatalistisch hin.» Diese Perspektive bezeichnet Hardmeier als hoffnungsvoll.

Ein Talk – viele Themen

Im Talk beschreibt Hardmeier Lektionen aus dem Buch Hiob oder dem Leben des Propheten Jeremia und hält fest, dass Leidende nicht Erklärungen brauchen, sondern Empathie. Dankbar blickt er auf Zeiten seines Lebens zurück, als gute Freunde ihm einfach zur Seite standen. Immer wieder teilt Hardmeier persönliche Anekdoten, darunter auch die Geschichte, welche ihn zum Titelbild seines Buches inspiriert hat. Er berichtet von seinem Schreibprozess, welcher aus gesundheitlichen Gründen nur langsam vorwärtsging und teilt auch seine Beweggründe, welche hinter dem Buch stehen.

Sehen Sie sich den Livenet-Talk mit Roland Hardmeier an:

Zum Buch:
«Du bist da in meinem Schmerz»

Zum Thema:
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Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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