Vollgestopfte Häuser?

Streben nach nachhaltigem Konsum

Das Konsumverhalten jedes Menschen ist unterschiedlich und sehr persönlich. Trotzdem haben wir eine Verantwortung, der Umwelt und vor allem unseren Mitmenschen gegenüber. Gedanken dazu von Debora Alder-Gasser.
Debora Alder-Gasser (Bild: Facebook)
Bei der Firma «TEIL» können Kleider ausgeliehen werden.

Vor kurzem habe ich in Jesaja Kapitel 3, Verse 14-15 Folgendes gelesen: «Eure Häuser habt ihr vollgestopft mit dem, was ihr den Armen weggenommen habt. Mit welchem Recht unterdrückt ihr mein Volk und nutzt die Wehrlosen aus?» Diese Worte haben mich tief getroffen.

Seit Jahren beschäftige ich mich mit der Frage, wie ich nachhaltiger konsumieren kann. Ich versuche, meinen Konsum so zu gestalten, dass er die Umwelt und andere Menschen möglichst wenig ausbeutet. In jüngster Zeit habe ich zusätzlich versucht, meinen Konsum grundsätzlich einzudämmen und minimalistischer zu leben. Das entspricht nicht einfach meinem Naturell, weil ich eigentlich lange Zeit sehr gerne eine grosse Auswahl an Dingen besessen habe.

Die Sache mit den Kleidern

Im Streben nach einem nachhaltigen Konsum habe ich auf den Konsum von Kleidung einen besonderen Fokus gelegt. Ich kaufe praktisch nur noch Second Hand oder sonst fair produzierte Kleider ein. Auch für unsere Kinder sind Second Hand Kleider der Standard. Vor einiger Zeit kam der Gedanke hinzu, dass wir eigentlich gar nicht alles besitzen, sondern vielmehr auch Kleider leihen könnten. Und so habe ich vor rund einem Jahr, zusammen mit einem Team, die Firma TEIL gegründet. Das ist ein Laden, in dem man Kleider nicht in erster Linie kauft, sondern leiht. Er funktioniert im Grunde wie eine Bibliothek. Wir wollen damit einen bewussteren und sorgfältigeren Konsum von Kleidern fördern.

Von allem zu viel

Wenn ich mich in unserer Wohnung umschaue, dann muss ich sagen: Sie ist «vollgestopft». Was davon habe ich ärmeren Menschen weggenommen? Sogar mit meinem bewussten Konsum gibt es in unserer Wohnung Dinge, die Kosten für die Umwelt und für andere Menschen verursacht haben. Vielleicht, weil ich unachtsam konsumiert habe, weil es keine Alternativen zu geben schien oder auch, weil ich als Schweizerin automatisch Teil eines ungerechten Wirtschaftssystems bin.

Mir ist bewusst, dass Jesaja diese Worte in einem völlig anderen Umfeld geschrieben hat. Und ich finde grundsätzlich, dass der grössere Zusammenhang beim Bibellesen eine sehr wichtige Rolle spielt. Aber diese Worte von Jesaja scheinen mir so zeitgemäss und vor allem für mein und unser Umfeld bedeutsamer als je zuvor. Unser globaler Konsum zerstört nicht nur unseren Planeten, er geschieht meistens auch zu Lasten und auf Kosten von Menschen, die nichts oder nur ganz wenig haben.

Ausgenützte Textilarbeiterinnen

Die Textilindustrie ist dafür ein gutes Beispiel. Diese Industrie verursacht mehr CO2 als das Fliegen und die Schifffahrt zusammen. Die meiste Kleidung wird von Menschen hergestellt, die in ausbeuterischen Umständen arbeiten müssen. Menschenrechtsverletzungen sind in der Textilindustrie an der Tagesordnung. Der gesetzliche Mindestlohn reicht in den meisten Produktionsländern nicht aus, um den Textilarbeiterinnen und -arbeitern das Überleben zu sichern.

Erschreckend ist zusätzlich, dass nicht nur die Produktion, sondern auch das Wegwerfen von Kleidung in den letzten Jahren massiv zugenommen hat. Wir kaufen heute 400 Prozent mehr Kleidung als noch vor 20 Jahren und gleichzeitig werden in der Schweiz jährlich 6,3 kg Kleidung pro Person weggeworfen.

Vor unseren Augen passiert im wahrsten Sinne des Wortes Unterdrückung und Ausnützung von Wehrlosen – genau wie das auch Jesaja beschrieben hat. Wir haben auf der einen Seite die vollgestopften Häuser und Menschen, die mit Konsumieren nicht aufhören können. Auf der anderen Seite sind da Mütter, die ihre Kinder in ihrem Heimatdorf zurücklassen müssen, um in der Fabrik in der Stadt wenigstens ein bisschen Geld zu verdienen. Oder wir sehen, wie die Modeindustrie Gewässer verschmutzt, was zu Missbildungen und Krebs bei den Menschen an diesen Orten führen kann.

Ungerechtigkeit, die zum Himmel schreit

Wie gesagt, nachhaltiges Konsumieren ist für mich ein zentrales Thema. Trotzdem war mir dieser Vers aus Jesaja ein neuer Ansporn, hinzuschauen, dran zu bleiben und dafür einzustehen, dass wir beim Konsumieren ein neues System und ein Umdenken brauchen. Unser Konsum darf nicht länger auf Kosten von anderen Menschen und der Umwelt geschehen.

Gott spricht durch Jesaja jeden von uns ganz persönlich an. Aber ich entscheide, ob ich ihn zu mir sprechen lassen will. Ja, es geht darum, dass sich Systeme ändern. Aber es geht genauso darum, dass ich meinen Konsum immer wieder hinterfrage, reflektiere und wo nötig anpasse. Was würde Jesaja mir sagen, wenn er in mein Haus eintreten würde? Und was würde er wohl Ihnen sagen?

Zum Originalartikel auf Forum Integriertes Christsein

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Datum: 18.09.2021
Autor: Debora Alder-Gasser
Quelle: Forum Integriertes Christsein

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