Zeitvergeudung mal anders gesehen

Zeit ist ein kostbares Gut
Zeit ist ein kostbares Gut, und sie ist uns von Gott anvertraut. Deshalb ist es eine Schande, sie zu verschwenden – oder etwa nicht? Kann es sein, dass scheinbar uneffektive Musse gar keine Vergeudung ist?

«Zeit ist Geld!» Darin sind sich Benjamin Franklin, der diesen Satz prägte, und der Comic-Multimilliardär Dagobert Duck einig. Daraus folgt scheinbar, dass man sie auf keinen Fall verschwenden darf, sonst verliert man eben nicht nur Zeit, sondern noch viel mehr. Neben diesen finanziellen Gedanken spielt es im christlich geprägten Denken auch eine Rolle, dass Gott uns Menschen die Zeit «anvertraut» hat. Deshalb halten biblische Autoren vertrauend fest: «In deiner Hand steht meine Zeit» (David in Psalm 31, Vers 16) oder auch auffordernd: «Kauft die Zeit aus, denn die Tage sind böse» (Paulus in Epheser, Kapitel 5, Vers 16). Besonders die letzte Aussage scheint nahezulegen, dass wir über die Zeit bestimmen könnten, sie nutzen oder einsetzen wie die Zange im Werkzeugkasten, dabei steht sie uns im eigentlichen Sinn gar nicht zur Verfügung.

Zeit – Zeitverwendung – Zeitverschwendung

Der Begriff Zeitverschwendung klingt nicht nur negativ, sondern suggeriert gleichzeitig, dass Zeit etwas wäre, das entweder extrem knapp oder im Übermass vorhanden wäre und deshalb verschwendet werden kann, so wie bei Wasser- oder Geldverschwendung. Dabei hat zunächst einmal jeder Mensch die gleichen 24 Stunden pro Tag zur Verfügung. Das ist weder zu viel noch zu wenig, sondern es ist gesetzt – hier lässt sich nichts streichen oder verlängern. Wer nun von Vergeudung spricht, meint damit, dass mit dieser Zeit nicht verantwortungsvoll umgegangen wird.

Wenn wir den negativen Beigeschmack des Wortes einmal ignorieren, dann gibt es zwei Hauptgründe für «Zeitverschwendung»: Sie kann unfreiwillig geschehen. Das ist hier meistens gemeint. Wir schieben Arbeiten zu lange auf (wobei «ich prokrastiniere» viel interessanter klingt), planen nicht gut oder setzen falsche Prioritäten. Die Folgen sind Stress für uns und andere, gefühlter Zeitmangel und ein schlechtes Gewissen. Zeitverschwendung kann aber auch freiwillig geschehen. Dann nennen sie nur Menschen so, die nicht mit ihrer Ver(sch)wendung einverstanden sind, die anderen suchen und wollen sie und sprechen dabei von Zeitvertreib, Entspannung oder Zerstreuung. Typisch ist, wie unterschiedlich dies wahrgenommen wird: Für die eine ist Tagträumerei der Inbegriff von Erholung in einer Auszeit, der andere sieht sie als Ineffektivität oder gar Sünde.

Die Priorisierungsfalle

Gerade die Sündenfrage in Bezug auf den Umgang mit Zeit zeigt, dass sich unser Denken seit biblischen Zeiten dramatisch verändert hat. Zur Zeit des Neuen Testaments marschierten Maria und Josef eben fünf Tage von Nazareth nach Bethlehem – niemand hätte damals gesagt: «Nehmt doch den Flixbus, das spart euch Zeit.» Dinge liefen damals langsamer ab als heute, wo Arbeitsprozesse getaktet sind und Handwerkerrechnungen nach Arbeitsminuten gestellt werden. Noch vor wenigen Jahren war es ein Luxus der Reichen, in den Tag hinein leben zu können. Müssiggang war erstrebenswert. Nur, wer arm war, musste malochen. Der gehetzte Mensch ist eine moderne Entwicklung, ein Ausdruck unserer Jetztzeit.

So entwickelt sich jenseits von einer sinnvollen Nutzung der verfügbaren Zeit das Streben nach perfektem Zeitmanagement, wobei sich Systeme wie Getting Things Done (GTD), die Pomodoro-Methode oder das Pareto-Prinzip als Helfer anbieten – und als Tyrannen übrigbleiben. Bis in die Freizeit hinein reicht der Trend der Selbstoptimierung. Mehr in kürzerer Zeit zu erreichen, scheint das Credo zu sein, und dabei herrscht ständig die Angst, man könnte etwas übersehen oder verpassen.

Jesus als Verschwender

Wie bei anderen Themen bietet auch hier der Blick auf Jesus interessante Akzente: Wie ist er mit Zeitverschwendung umgegangen? Nun war Jesus Teil seiner (langsamer tickenden) Gesellschaft, doch es fällt auf, dass man ihm selbst damals schon Verschwendung vorwarf: «Ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder» war er für viele. Damit war weniger gemeint, dass er zu viel ass, sondern, dass er angeblich mit den falschen Menschen Zeit verbrachte. Neben allem harten Arbeiten ist es ein roter Faden, der sich durch die gesamte Geschichte Gottes mit den Menschen zieht: Gott hat Zeit! Und er schafft uns Menschen Freiräume, uns Zeit zu nehmen, auch wenn wir meinen, wir hätten noch viel zu tun – genau das ist das Prinzip des Sabbats, der Ruhe mitten im Alltag. Der Sabbat bedeutet nicht Aktivurlaub oder effizientes Powernapping, nachdem die Arbeit erledigt ist, sondern eine Pause, auch wenn noch nicht alles geschafft ist – Zeitverschwendung mit einem Lächeln.

Zum Thema:
Jesus als Vorbild: Die Zeit richtig nutzen
Tipps fürs Zeitmanagement: Zeit - die wichtigste Ressource des Lebens
Wahrheiten statt Methoden: Das Zeitmanagement eines Lehrmeisters der Antike

Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

Werbung
Livenet Service
Werbung