Wertschätzung in einer unverbindlichen Welt
Gerne möchte ich anhand eines Beispiels aus dem alltäglichen Leben erörtern, wie wir uns im übertragenen Sinne als «Licht und Salz» nützlich machen können. In kirchlichen Kreisen ist immer wieder die Rede von christlichen Werten – nicht nur in Bezug auf den mir vertrauten Bereich der Politik. Mit christlichen Werten, so wird gesagt, könnten wir die unterschiedlichen Gesellschaftsbereiche, ja sogar die Gesellschaft als Ganzes, in einem positiven Sinne beeinflussen und prägen. Das ist so: Als Christinnen und Christen nehmen wir durch unser Sein und Tun Einfluss auf unser Umfeld.
Alle für sich
Man spricht heute von der Individualisierung des Glaubens. Ich stimme dem nur ungern zu, sehe mich aufgrund meiner bisherigen Lebenserfahrung jedoch dazu gedrängt, dieser These zu folgen. In diesem Umfeld nimmt die Bedeutung des persönlichen Lebenswandels zu. Zugleich verliert der Wert eines gemeinsamen Wir-Gefühls in Bezug auf die Gesellschaft an Kraft. Die Bedeutung des Ichs ist aufgrund dieser Individualisierung bis zum heutigen Tag gewachsen, und sie nimmt weiter zu. Das Wir – und somit auch der Wert des Bezugs zu den Mitmenschen im persönlichen wie auch in einem globalen Zusammenhang – schwindet.
Weil die persönlichen Kontakte zwischen den einzelnen Individuen abnehmen, wandeln sich auch die Vorstellungen und der Stellenwert von Beziehungen innerhalb der Gesellschaft. Gerade im zwischenmenschlichen Bereich gäbe es meines Erachtens aber gute Rahmenbedingungen, um aufeinander Einfluss zu nehmen und einander gegenseitig prägen zu können.
Im christlichen Glauben sind Beziehungen – sowohl der individuelle Austausch zwischen Gott und seinen Geschöpfen als auch die zwischenmenschlichen Beziehungen unter den einzelnen Individuen – ein zentrales Element, sei es in der gelebten christlichen Tradition wie auch in den verschiedenen biblischen Überlieferungen. Im Austausch mit unseren Mitmenschen bieten sich Gelegenheiten, in Wort und Tat Licht und Salz sein zu können. In Matthäus 5 ist übrigens nicht davon die Rede, dass wir Licht und Salz sein sollen. Nein, die entsprechenden Textabschnitte lauten gemäss Luther-Übersetzung interessanterweise wie folgt: «Ihr seid das Salz der Erde» und «Ihr seid das Licht der Welt».
Die Kraft realer Begegnungen
Wenn wir uns entgegen den gesellschaftlichen Entwicklungen nicht nur am Ich und dementsprechend nicht nur an den eigenen Interessen und am individuellen Wohlbefinden orientieren, sondern uns ebenso auch für das Du interessieren, begegnen wir unseren Mitmenschen mit Achtung und Wertschätzung. Ich schätze die Möglichkeiten der heutigen technischen Entwicklungen im digitalen Raum. Sie sind schier grenzenlos. Gleichzeitig sind gemäss verschiedener Studien reale Begegnungen innerhalb unserer Gesellschaft leider rückläufig. Als Folge davon wird die Vereinsamung von einzelnen Individuen ein zunehmendes Problem in unserer westlichen Welt. Dies betrifft nicht nur ältere Menschen, deren Möglichkeiten für Begegnungen aufgrund ihrer beeinträchtigen Mobilität eingeschränkt sind, sondern ebenso auch die jüngeren Generationen.
Wenn bei Paarbeziehungen davon gesprochen wird, auch Beziehungsarbeit sei eine Form von Arbeit, könnte daraus abgeleitet werden, dass praktizierte Nächstenliebe gleichermassen mit einer Arbeitsleistung und damit mit einem bewussten Entscheid verbunden ist. Auf diese Weise können wir unseren Mitmenschen mit gegenseitiger Wertschätzung – mit einer positiven, wohlwollenden, ja aufbauenden Haltung begegnen. Diese Haltung ist Ausdruck einer aktiv gelebten Liebe. Diese Liebe entspricht nicht unbedingt dem Geist der Zeit und läuft den gängigen individualistischen Vorstellungen zuwider. Gerade deshalb brauchen wir sie umso mehr. In der Psychologie beschäftigt sich seit einiger Zeit ein eigener Teilbereich mit den aufbauenden Auswirkungen einer positiven Einstellung.
Als Christinnen und Christen sind wir dazu berufen, Licht und Salz zu sein und Gottes Liebe in die Welt hinauszutragen. Deshalb: Üben wir uns in aktiver Wertschätzung! Suchen wir ganz bewusst die Beziehung zu unseren Mitmenschen! Leben wir Nächstenliebe! Und seien wir Licht und Salz in Wort und Tat!
Lukas Zimmermann-Oswald ist verheiratet mit Mirja, 3 Kinder, Projektleiter, Gemeinderat, Diplomiert in Sozialer Arbeit FH.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Newsletter vom Forum Integriertes Christsein.
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