Journalismus zwischen Krieg und Frieden
Die Journalistin trägt eine schusssichere Weste, auf der dick «Presse» steht. Im Hintergrund sind zerstörte Häuser zu sehen und vereinzelt scheinen Schüsse zu fallen. Wer die Nachrichten verspätet eingeschaltet hat, weiss im ersten Moment nicht, von welchem Kriegs- und Krisenherd gerade berichtet wird, denn die Bilder und oft auch die Berichte sind fast austauschbar. «Embedded Journalism» heisst diese Art der aktuellen Kriegsberichterstattung, «eingebetteter Journalismus», der Informationen aus erster Hand verspricht. Doch nicht immer sieht derjenige besser, der näher dran steht. Der Ausnahmezustand Krieg verlangt besondere Sorgfalt von Journalistinnen und Journalisten – und genauso von ihren Leserinnen, Hörern und Zuschauerinnen auf der anderen Seite. Manche betonen in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit eines «Friedensjournalismus». Ist das realistisch? Wie könnte dieser aussehen?
Biblische Spannung
Zu jeder Zeit haben sich Menschen nach Frieden gesehnt, ihn phasenweise auch genossen, aber gleichzeitig immer wieder Kriege und Konflikte erlebt. Und jedes Mal ging es dabei auch um die Wahrnehmung und das Reden darüber. Ist Friede der Normalzustand oder Krieg? Ist Krieg nach dem in der Bibel beschriebenen Sündenfall unvermeidlich? Die Spannungen, die hier durch unterschiedliche Haltungen entstehen, werden in der Bibel nicht aufgelöst. Für das Sprechen darüber spielen sowohl Realismus als auch Gottes Perspektive eine wichtige Rolle. Ein Ignorieren der Fakten bzw. ein Herbeireden des Friedens führen zu keiner echten Lösung. «Lüge» nennt dies der alttestamentliche Prophet Jeremia und kritisiert sie in der kriegerischen Auseinandersetzung seiner Zeit: «Und sie heilen den Schaden der Tochter meines Volkes leichthin, indem sie sprechen: ‘Friede, Friede!’, wo es doch keinen Frieden gibt.» (Jeremia, Kapitel 8, Vers 11). Eine scheinbar gegenteilige Sicht vertritt der Evangelist Lukas im Neuen Testament. Er berichtet von den Weihnachtsengeln, die den Hirten auf dem Feld inmitten eines besetzten Landes in ihre angespannte Situation hinein verkünden: «Herrlichkeit ist bei Gott in der Höhe und Friede auf Erden, und unter den Menschen Gottes Wohlgefallen!» (Lukas, Kapitel 2, Vers 14). Offensichtlich ist es sowohl heilsam, einen Krieg als Krieg zu bezeichnen und der Realität ins Auge zu sehen, als zu erkennen, dass Gott seinen Frieden ausbreiten wird und damit jetzt schon beginnt.
Kriege sind langweilig
In einem Interview im «Sonntagsblatt» unterstrich die Theologin und Medienexpertin Irena Pavlović die Bedeutung eines Friedensjournalismus. Sie hielt fest: «Krieg wird oft als das ultimative Medienereignis betrachtet, da darüber intensiv berichtet wird. Das Interesse daran ist sehr hoch, und je grösser die Betroffenheit, desto stärker ist die Berichterstattung.» Gleichzeitig betonte sie: «Es gibt nichts Langweiligeres als Kriege, denn wenn man die Konfliktlage seit der Zeit Jesu betrachtet, wiederholt sich oft dasselbe Argumentationsmuster.» Pavlović benannte hierzu die klassischen Positionen wie: Befürworter des Krieges, Gegner davon und Menschen, die eine Mittelposition einnehmen und sich anzupassen versuchen. Ihrer Erfahrung nach ändern nur sehr wenige Menschen diese grundlegenden Standpunkte. Sowohl in die Berichterstattung wie in die Beurteilung von Kriegen käme so keine Bewegung. Sie wies daher auf eine weitere Möglichkeit hin: «Eine vierte Position ist die der Gewaltlosigkeit, wie sie von Jesus vertreten wurde. Diese Position wird in der Regel von sehr wenigen Menschen eingenommen. Es geht dabei nicht einfach darum, Gewalt passiv hinzunehmen und pazifistisch zu sein, sondern darum, Konflikte auf konstruktive Weise zu lösen.»
Heraus aus Polarisierungen
Wer jetzt meint, dass man nur friedlich denken müsste, um Frieden zu schaffen, der greift natürlich zu kurz. «Friedensjournalismus ist während eines laufenden Konflikts tatsächlich schwer umsetzbar», weiss auch Pavlović. Es geht auch nicht darum, Täter nicht mehr Täter zu nennen oder eine Pseudoneutralität herzustellen, die alle Positionen gleichberechtigt nebeneinanderstellt. Gleichzeitig sind die meisten Konflikte vielschichtiger als eine Auseinandersetzung zwischen einer guten und einer bösen Partei. Wie schwer hier eine ausgewogene und gleichzeitig verantwortungsvolle Kommunikation ist, wird daran deutlich, wie schnell man zum «Putin-Versteher», «Antisemiten» oder «Palästinenserfeind» wird. Krieg findet offensichtlich nicht nur auf den Schlachtfeldern der Welt statt, sondern auch in den Köpfen derjenigen, die darüber sprechen und berichten. Auch Worte können Waffen sein oder eben Instrumente des Friedens. Christen stehen hier vor der zusätzlichen Herausforderung, mitten im kriegerischen Chaos Gottes Friedenswillen und sein Wesen als «Friedefürst» nicht aus den Augen zu verlieren. Diese Perspektive ist nicht nur herausfordernd, sie kann sehr heilsam sein.
Frieden stiften
Leider lassen sich Kriege nicht durch vernünftige Vorschläge beenden, genauso wenig allerdings durch Gewalt. Die aktuellen Konflikte zeigen, dass Friede nicht einfach herstellbar und durchsetzbar ist. Manchmal kann ein Staat nur mit Krieg agieren oder reagieren. Friedensjournalismus beginnt damit, dies als Notlösung zu begreifen, denn echte Lösungen entstehen nicht durch Siege auf dem Schlachtfeld, sondern durch ein Bearbeiten der dahinterstehenden Konflikte auf allen Ebenen. Und dieses Friedensdenken beginnt durchaus schon vor dem Ende einer kriegerischen Auseinandersetzung und da besonders im zwischenmenschlichen Bereich. Zum Schaffen dieses Friedens trägt es bei, wenn russische Fernfahrer auf deutschen Autobahnen nicht wegen ihrer Nationalität angepöbelt werden. Es gehört dazu, die eigene Stimme zu erheben, wenn jüdische Mitbürger Angst haben, mit Kippa auf die Strasse zu gehen. In diesen praktischen Beispielen zeigt sich, wie wichtig Deeskalation ist, die sich kraftvoll für einen echten Frieden einsetzt. In seiner Antrittsrede stellte Jesus bereits fest: «Glückselig sind die Friedfertigen, denn sie werden Söhne Gottes heissen!» (Matthäus, Kapitel 5, Vers 9) Luther bezeichnete diese Friedfertigen als «Friedensstifter». Nie hat man solche Menschen dringender gebraucht als heute.
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