War Jesus effektiv und erfolgreich?
Wenn man sich die Texte der Bibel über Jesus anschaut, wird folgendes klar: Jesus folgte einer Mission, die sich kurz gefasst so beschreiben lässt: Etwa 30 Jahre leben als Handwerkersohn und dann zwei oder drei Jahre öffentliches Wirken, das darin mündet, sein Leben für die Menschen zu geben.
Keine Erfolgsgeschichte
Betrachtet man sich die Art und Weise des Wirkens von Jesus, dann passt es nicht so ganz in die Kategorie einer fulminanten Erfolgsgeschichte. Jesus lebte denkbar einfach und konzentrierte sich auf Galiläa, eine von Römern besetzte Provinz, die nicht bedeutend war.
Zudem kam Jesus aus keiner einflussreichen Familie. Er arbeitete vermutlich als Zimmermann; kein Beruf, der für seine spätere Sendung nützlich zu sein scheint. Jesus suchte auch nicht gezielt den Kontakt zur politischen oder religiösen Elite. Er setzte damit nicht auf Einfluss und auch nicht auf Multiplikation durch Schlüsselpersonen. Stattdessen wanderte er in Galiläa und Judäa umher, predigte und heilte Menschen, auf die er scheinbar eher zufällig traf.
Es wäre so viel mehr gegangen
Das alles zeigt: Jesus beschränkte sein Wirken, es hatte enge Grenzen, und das, obwohl er doch der Sohn Gottes ist! Er war nur zwei oder drei Jahre öffentlich unterwegs und das in einem für seine Zeit schon eher vorgerückten Alter. Er nahm nur zwölf Männer, die meisten ohne Bildung und Einfluss, in seine engste Gefolgschaft.
Wenn man sich all das klar macht, kommt man zu dem Schluss: Das Leben und Wirken von Jesus hatte nichts von sichtbarerer Macht, Strahlkraft oder einer besonders ausgeklügelten Strategie. Und als Jesus in den Himmel auffuhr, hinterliess er seine mittlerweile nur noch elf Freunde, die nicht so recht weiter wussten.
Göttliche Arbeitsteilung
Zusammengefasst bedeutet das: Jesus tat nicht alles, was er kann. Denn natürlich hätte er auch viel mehr Leute ausbilden und eine Kirchenstruktur aufbauen können. Er tat nicht alles, was er hätte tun können, sondern offensichtlich nur das, was er meinte tun zu sollen. Jesus formulierte das so: «Der Sohn kann nichts von sich selbst aus tun; er tut nur, was er den Vater tun sieht. Was immer der Vater tut, das tut auch der Sohn.» (Die Bibel, Johannes-Evangelium, Kapitel 5, Vers 19)
Jesus, der Sohn Gottes, lebte mit seinem Vater im Himmel und dem Heiligen Geist – modern gesprochen – in einer denkbar engen Verbundenheit und in einer Arbeitsteilung.
Viele Möglichkeiten nicht genutzt
Diese Selbstbeschränkung passt nicht in unser modernes Bild von Wirksamkeit und Effizienz. Mit den Augen von heute betrachtet hatte Jesus viele Möglichkeiten ungenutzt gelassen. Eine moderne Beratungsfirma würde sicherlich kritisieren, dass die gegebenen personellen Ressourcen, also die Möglichkeiten, die Zeit und die Gaben, die Jesus hatte, nicht optimal eingesetzt wurden. Jesus hat sich auf eine sehr begrenzte Mission konzentriert. Und er wusste, dass nicht alles an ihm hängt.
Stafettenübergabe
Er sagte seinen Freunden und Mitarbeitern, dass es gut ist, wenn er geht, weil die Dinge, die kommen würden, nicht mehr in seiner Verantwortung liegen. «Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht von euch wegginge, käme der Helfer nicht zu euch; wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch senden.» (Johannes, Kapitel 16, Vers 7)
Das hat etwas von einer Stafette. Jesus wusste um die Begrenztheit seines Tuns und ihm war klar, dass die Zukunft des Evangeliums, dessen Verbreitung und das Entstehen der Kirche nicht in seinen, sondern in den Händen des Heiligen Geistes lagen. Und so gewann denn auch das Christentum erst nach Pfingsten eine grössere Anhängerschaft, nachdem der Heilige Geist die Christen erfüllte und befähigte.
Vielleicht hilft dieser etwas andere Blick auf das Leben von Jesus, auch das eigene Leben und Tun in einem anderen Licht zu sehen. Eben nicht unter der Vorstellung einer möglichst optimalen Ausnutzung aller Möglichkeiten. Denn ein solches Denken ist ein ökonomisches Denken, ein Denken der Wirtschaft, und es entspricht nicht dem, um was es Jesus und seinem Heiligen Geist geht.
Zum Thema:
Weltreligionen: Der Erfolg des Christentums
Dranbleiben: Es geht um Treue, nicht um Erfolg
Glaube und Erfolg: Auf den ersten Blick war Jesus ein Verlierer